WIE EIN BLITZ - Rolf von Sydow

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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WIE EIN BLITZ - Rolf von Sydow

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● FRANCIS DURBRIDGE - WIE EIN BLITZ (D|1970)
mit Ingmar Zeisberg, Albert Lieven, Peter Eschberg, Paul Hubschmid, Horst Bollmann, Eva Pflug,
Christine Kaufmann, Karl-Heinz Vosgerau, Gisela Trowe, Grete Wurm, Herbert Tiede, Fred Maire
eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks
ein Mehrteiler von Rolf von Sydow



Bei "Wie ein Blitz" handelt es sich um den bereits neunten Fernseh-Mehrteiler nach Francis Durbridge, der auf dessen Roman "Bat out of Hell" basiert und nach zweijähriger Pause von der ARD in Angriff genommen wurde. Unter Rolf von Sydows Regie entstand erneut ein sogenannter Straßenfeger, der das Publikum begeistern konnte. In Zahlen bedeutet dies, dass ein Spitzenwert von 84% Einschaltquote erzielt werden konnte, was einer Anzahl von über 36 Millionen Zuschauern entspricht. Die Außenaufnahmen dieses ersten in Farbe gedrehten Durbridges wurden an Originalschauplätzen in England gedreht, wobei die Studioaufnahmen in Deutschland stattfanden, außerdem hatte die aufwändige Produktion ein Produktionsbudget von etwa 1,2 Millionen D-Mark. So avancierte dieser spannende und gut aufgebaute Krimi-Dreiteiler zu einer der erfolgreichsten TV-Produktionen des Jahres 1970, was den Wert der Marke Francis Durbridge wieder einmal bestätigen konnte. An der Struktur und am Aufbau dieses Mehrteilers wurde im Grunde wenig verändert, was schließlich eines der Erfolgsrezepte der im Jahr 1959 gestarteten Durbridge-Krimireihe darstellte.

Ein Mordkomplott irritiert den Zuschauer gleich zu Beginn aufgrund der gewählten Transparenz, sodass es nicht einfach sein wird, sich im Kreis der Täter und potentiellen Verdächtigen zurechtzufinden, da auch nur wenige Sympathiepunkte vergeben werden. Die Geschichte kommt nach allen Regeln der Krimi-Kunst schnell in Fahrt und nebenbei fallen nicht nur die herrlichen Farbeindrücke auf, sondern auch die recht brutale Gangart des frühen Verlaufs, sowie die nervöse Spannung, die gewisse Personen noch ins Chaos stürzen wird, da ein Toter zurückkehrt, was bei Durbridge allerdings keine Besonderheit darstellt. Die Reihe lebte stets von ihrer Vielfalt im Rahmen der Kriminalgeschichten, aber auch von exzellent gewählten und ebenso hervorragend agierenden Stars des deutschen Films. Unter Regisseur Rolf von Sydow agieren so erstmals Ingmar Zeisberg, Peter Eschberg oder Paul Hubschmid, sowie Durbridge-Veteranen wie Albert Lieven und Eva Pflug. "Wie ein Blitz" stellt schlussendlich eine der besonderen und vielleicht rasantesten Verfilmungen des englischen Schriftstellers dar, welche sich Interessenten von Krimis ohne jede Verjährungsfrist sicherlich immer wieder anschauen können.



Percy Lister
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Registriert: Sa., 14.11.2020 16:15

Re: WIE EIN BLITZ - Rolf von Sydow

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Anmerkungen in Telegramm-Form zu "Wie ein Blitz"

* Darsteller: INGMAR ZEISBERG, die "blonde Stimme" aus "Der Würger von Schloss Blackmoor", wird hier schwer geprüft und muss sich fragen, ob sich plötzlich die ganze Welt gegen sie verschworen hat oder es nur an dem teuflischen Wiener PETER ESCHBERG liegt, dessen Physiognomie bereits auf einen Opportunisten schließen lässt, der wenn nötig seine eigene Großmutter verkaufen würde. Sein Manierismus im Umgang mit seinem Vorgesetzten lässt auf eine nervöse Natur schließen. Das Paar ist sich auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, wobei Zeisberg als Halbopfer die Sympathien des Publikums zufallen, weil sie sich vermutlich in blindem Vertrauen von Eschberg zu dem Mordplan überreden ließ. ALBERT LIEVEN, altersstarr und ungeduldig, wird erfreulicherweise nur in memoriam mit der zarten CHRISTINE KAUFMANN in Verbindung gebracht, Alters- und Temperamentsunterschiede wiegen doch schwer. PAUL HUBSCHMID als Bonvivant und Stütze auf Abruf ersehnt den Moment, in dem er in Jaguar und Motoryacht springen und Vollgas geben darf. HORST BOLLMANN mit verschmitztem Blick und scharfem Verstand soll aufgrund seiner Körpergröße nicht unterschätzt werden, ich fand ihn wesentlich überzeugender und tatkräftiger als seinen Kollegen in "Das Messer". EVA PFLUG spinnt ihr Image aus "Das Halstuch" weiter und gibt sich "mild in der Art, hart in der Tat", um ihrem verwöhnten Gatten KARL HEINZ VOSGERAU jeden Wunsch zu erfüllen. Die beiden scheinen sich gesucht und gefunden zu haben. GISELA TROWE ist von Katzenhaaren und Papageienfedern umgeben und der Zuseher hält unwillkürlich den Atem an, wenn Szenen in der Tierhandlung gezeigt werden. Die rothaarige Mimin passt als Werkzeug des großen Unbekannten gut ins Konzept, weil sie über ein geöltes Mundwerk und einen gerissenen Verstand verfügt. HERBERT TIEDE darf das Testament leider nicht dramatisch vor den beiden Rivalinnen öffnen und fungiert deshalb als Informant der Polizei. GRETE WURM hat im Haushalt Stewart vermutlich schon einige Szenen einer Ehe miterlebt und bekommt hoffentlich eine hübsche Abfindung, um sich davon zu erholen.

* Drehbuch: Der Plot ist sehr traditionell, wartet aber durch die moderne Umsetzung mit Elementen auf, die für eine hohe Identifikation sorgen. Die dichte Atmosphäre lässt den Zuschauer in bisher unübertroffener Weise an den Gedanken, Zweifeln und Ängsten der Täter teilhaben und sorgt für Anspannung und Nervenkitzel.

* Kamera: Für Intimität sorgt das Auge der Kamera diesmal in besonderem Maße. Großaufnahmen der Hauptpersonen lassen keinen Zweifel an ihren Emotionen und rücken jede noch so kleine Gefühlsregung plakativ in den Vordergrund. Als die Kamera später "von der Leine gelassen wird", weidet sie sich an der Landschaft und fängt die Weite, in der die Personen verloren und vogelfrei wirken, gekonnt ein.

* Kostüme: Dela Duhm Fredrich kann sich in "Wie ein Blitz" nun auch farbtechnisch austoben. Wie ein Frühlingswind fegen die Kostüme von Eva Pflug durch die Szenerie, während Ingmar Zeisberg in actiontauglicher Kleidung mit Sportwagen rasen, von Yachten springen und Leichen identifizieren muss. Gelungen und zeitgemäß gefallen die Kreationen auch heute noch.

* Szenenbild: Ein ganz großes Plus sind die Schauplätze, die gerade im Innenbereich Originalität und Stil aufweisen. Das alte Herrenhaus mit seinen weitläufigen Hallen, in denen die ungehörten Todesschreie von Generationen widerhallen, das urgemütliche Wohnzimmer der Stewarts und die luftigen Räume der Valesco drücken dem Dreiteiler einen authentischen Stempel auf.

* Musik: Die eingängige Titelmelodie lässt Western-Atmosphäre aufkommen und verspricht Action und Esprit nach dem Motto "Sieh dich vor, damit du nicht unter die Räder kommst!"

* Regie: Rolf von Sydow gelingt es in "Wie ein Blitz" besser als in "Das Messer", traditionelle Rätselelemente durchgängig spannend mit starker Personenführung zu verknüpfen. Er achtet mehr darauf, dass sich kein Charakter zurückzieht und somit alle gleich gefordert werden. Die Kombination aus Publikumserwartungen und dem Geist klassischer Durbridge-Themen funktioniert perfekt.

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Prisma
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Re: WIE EIN BLITZ - Rolf von Sydow

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● FRANCIS DURBRIDGE - WIE EIN BLITZ | ERSTER TEIL (D|1970)
mit Ingmar Zeisberg, Albert Lieven, Peter Eschberg, Paul Hubschmid, Eva Pflug, Karl-Heinz Vosgerau,
Gisela Trowe, Grete Wurm, Roswitha Dost, Herbert Tiede, Fred Maire, Elert Bode und Horst Bollmann
eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks
ein Mehrteiler von Rolf von Sydow

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»Seit wann rufen Tote an?«


Der Architekt Gordon Stewart (Albert Lieven) wird in einem leerstehenden Gebäude ermordet. Hinter dem Mordkomplott steckt seine eigene Ehefrau Diana (Ingmar Zeisberg), die ein Verhältnis mit Mark Paxton (Peter Eschberg) hat, der den Plan gemeinsam mit ihr ausgearbeitet hat, um an das große Geld zu kommen. Alles scheint nach Plan zu verlaufen, bis es zu einer Reihe merkwürdiger Zwischenfälle kommt. Plötzlich ist Stewarts Leiche verschwunden und während man noch grübelt, was geschehen ist, erhält Diana einen beunruhigenden Anruf des Ermordeten...

Die erste Episode dieses Durbridge-Dreiteilers beginnt in aller Hektik, die im Hause Stewart herrscht, immerhin sind die Reisevorbereitungen voll im Gang. Der Geschäftsmann Gordon Stewart reagiert gereizt auf die Fragen und Antworten seiner Frau Diana, bis das liebe Geld schließlich zur Sprache kommt und zum Streitthema avanciert. Das Publikum geht von sehr gut situierten Verhältnissen aus, auch wenn Diana vor ihrer Freundin wenig später beteuert, dass dies nur so aussieht, und man die obligatorischen vier Wochen Nizza im Jahr unter spartanischsten Umständen absolvieren müsse. Schnell merkt man, dass durch Übertreiben und Abwiegeln in einer Sache ein merkwürdiges Ungleichgewicht entsteht, welches noch die Wurzel für einen bestialischen Mord sein wird. Mr. Stewart erledigt noch einige Dinge vor der Reise: Er begleicht seine Schulden bei einer Erpresserin und begutachtet ein leerstehendes Herrenhaus, für das man einen unverhältnismäßig hohen Preis erzielen könnte. Genau hier schlägt der Mörder wie ein Blitz zu, und diese Szenen sind aufgrund ihrer Brutalität sehr eindringlich gelungen, bei der auch die anschließende Kaltschnäuzigkeit des Mörders und seiner Komplizin irritiert. Wie bei Durbridge üblich, geht alles, wie so schön ausgedacht, natürlich nicht vonstatten, sodass man den Toten schon wenig später am Telefon hört, nicht ohne seiner Witwe Anweisungen über alles Weitere zu geben. Sie soll die Leiche, die man finden wird, als die seine identifizieren, so viel Erinnerung war nach der plötzlichen Ohnmacht noch vorhanden, doch es bleibt alles sehr schön mysteriös, zumal man als Zuschauer sehen kann, wie die Hauptpersonen im Dunkeln tappen und als Täter von einem Unbekannten abgelöst werden. Die Regie sät ständige Zweifel und macht das Publikum genüsslich zum Komplizen einer Inszenierung, die zu einem wahrhaften Stresstest für Hauptdarstellerin Ingmar Zeisberg werden wird, deren Mitwirken als großer Coup zu bezeichnen ist.

Alles ist minutiös durchgeplant, doch es ist fraglich, ob ihr Nervenkostüm hält, zumal ihr ermordeter Mann ihr eben noch Anweisungen per Telefon gegeben hat. Auch ihr Komplize und Liebhaber Peter Eschberg wird zur Schwachstelle in diesem Roulette, dessen Strukturen betont undurchsichtig und mysteriös bleiben. Wird sich Diana auf den Mann verlassen können, für den sie alles aufs Spiel gesetzt hat? Eschberg sät Zweifel, da er sich darin gefällt, eine überaus schmierige Performance abzugeben. Paul Hubschmid, Gisela Trowe und gewisse andere Personen des Szenarios reihen sich in die Riege derjenigen ein, denen man nicht guten Gewissens vertrauen kann. Insgeheim malt man sich den nächsten Kopf aus, der hier rollen wird, denn es liegt Blutgeruch in der Luft, was Regisseur Rolf von Sydow genüsslich ausspielt. Ingmar Zeisbergs Performance ist und bleibt hier das Nonplusultra, außerdem die Basis für die nächsten Geschehnisse. Mit ihrer Stärke oder Schwäche steht und fällt das fragile Konstrukt, welches sie sich im Vorfeld sicherlich anders ausgemalt hat. Begleitet von einer schmissigen Musik von Sam Spence, der ansprechenden Kamera-Arbeit von Dieter Naujeck und der routinierten Regie von Rolf von Sydow, blickt man auf einen Rätsel-Mehrteiler, der so manche Kehrtwende in der Hinterhand hat. Die späten Durbridge-Verfilmungen bieten einen ganz besonderen Charme im Rahmen einer moderneren Transformation, besinnen sich aber auf die Kernelemente, die diese Reihe so erfolgreich gemacht haben. Eine Leiche verschwindet, die nächste taucht auf, bis man endlich die richtige zugespielt bekommt. Wer hier den Durchblick behält, ist Horst Bollmann als Ermittler, der sich kaum in die Karten blicken lässt und sich manchmal törichter stellt, als man glauben möchte. Wenn der erste Cliffhanger eingeleitet wird und die Musik ertönt, kann man es kaum erwarten, wie es mit dieser Geschichte der provokanten Kehrtwendungen weitergehen wird. Der Anfang ist jedenfalls schon einmal sehr gelungen.

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