FÜR ZWEI GROSCHEN ZÄRTLICHKEIT - Arthur Maria Rabenalt

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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FÜR ZWEI GROSCHEN ZÄRTLICHKEIT - Arthur Maria Rabenalt

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FÜR ZWEI GROSCHEN ZÄRTLICHKEIT


● FÜR ZWEI GROSCHEN ZÄRTLICHKEIT / KÆRLIGHED MOD BETALING (D|DK|1957)
mit Ingmar Zeisberg, Claus Holm, Erwin Strahl, Irene Mann, Inger Lassen, Paul Westermeier, Heinz Klevenow, Hannelore Wahl, Ilona Wiedem,
Gerd Frickhöffer, Josef Dahmen, Karl-Heinz Peters, Erwin Linder, Gerda Madsen, Asbjørn Andersen, Thecla Boesen, Edith Pio und Kai Fischer
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Constantin Filmverleih
ein Film von Arthur Maria Rabenalt

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»Willkommen in Dänemark!«


Eva Bernhardt (Ingmar Zeisberg) verliert ihre Anstellung, da sie in Räumlichkeiten des Betriebes mit dem Zeichner Josef Hartlieb (Gerd Frickhöffer) in flagranti erwischt wurde. Da sie zu Hause den Übergriffen ihres Stiefvaters (Josef Dahmen) ausgesetzt ist, flieht sie zu ihrer Freundin Marianne (Kai Fischer) nach Kopenhagen, die dort unter dem Namen Ria in einem Amüsierbetrieb bekannt ist. Über die Grenze wird sie von dem Fernfahrer Hendrik Pedersen (Claus Holm) gebracht, der sich sehr für die junge Frau interessiert, doch ein weiteres Treffen kommt nicht mehr zustande. Eva gerät an den Zuhälter Luigi Moretti (Erwin Strahl), der sie auf die schiefe Bahn zieht, doch Hendrik kann Eva einfach nicht mehr vergessen. Als sie sich wieder treffen, hat Eva einiges zu verschweigen...

»Die Anständigen... Die fallen immer zuerst!« Ob dieser Satz weise klingt oder eher wie ein albernes Klischee, klärt sich in dieser ungewöhnlich freizügigen Geschichte schnell und wie von selbst, denn Regisseur Arthur Maria Rabenalt setzt tatsächlich alles auf eine Karte und bietet nicht nur Gedankenfutter an, sondern gleich nackte Tatsachen. Bei dieser frühen Produktion der dänischen Rialto Film Preben Philipsen, die mit der Wallace-Reihe noch große Erfolge feiern sollte, handelt es sich quasi um eine seltene Variante der 50er Jahre, nicht nur eine Freigabe ab 18 Jahren zu provozieren, sondern diese auch ganz selbstbewusst zu vertreten. Die hier zugrundeliegende Geschichte wirkt hingegen handelsüblich, wenn auch nicht uninteressant, zumal sie größtenteils in Dänemark spielt, wo die Uhren auch nicht anders zu gehen scheinen - zumindest was das Geschäft mit schönen Frauen angeht. Kaum hat der Film begonnen und man traut seinen Augen nicht, da man Ingmar Zeisberg komplett nackt wahrnehmen kann, auch wenn es sich zunächst nur um eine Spiegelung handelt, bis man darin bestätigt wird, dass es nicht nur eine Sinnestäuschung ist, was übrigens später bei Kai Fischer genauso sein wird, da ihre Ria laut eigenen Angaben immer nackt zu schlafen pflegt. Diese ungewöhnliche Offensiv-Erotik schüttelt den oft so angestaubt wirkenden spekulativen Sex ab, verleiht der Veranstaltung somit eine höhere Glaubwürdigkeit, die als Ausgleich für ein paar kleinere Durchhänger fungiert, in denen es um klassische Versatzstücke der Liebes-Schmonzette geht. "Für ein paar Groschen Zärtlichkeit" deutet schon alleine des Titels wegen auf eine in sich wohnende Ambivalenz hin, da Bezahlung und Zärtlichkeit nicht so recht zusammenpassen wollen, was sich vor allem auf das älteste Gewerbe der Welt bezieht, es sei denn, dass beide Begriffe käuflich zu erwerben wären.

Im Endeffekt versuchen sich die Guten und die Schlechten zurechtzufinden, auch wenn es wechselseitige Abstecher auf die verschiedenen Bahnen gibt. Das Auftauchen eines skrupellosen Zuhälters macht die Gefahr schließlich perfekt, sodass mit der weiblichen Hauptfigur mitfiebern kann. Erwin Strahl als Maquereau wirkt dandyhaft, blasiert, geschäftstüchtig, aber charmant genug, sich die Frauen seiner Wahl an Land zu ziehen, immerhin muss er ja auch von etwas leben, da er beschlossen hat, nicht arbeiten zu wollen. So kann eins zum anderen kommen und die brave Ingmar Zeisberg, die mittlerweile zu einer Freundin nach Dänemark geflohen ist, soll für ihn anschaffen. Zu Haue in Deutschland wurde ihr die Ehe versprochen, wofür sie den Spaß lieferte. Da sich dieser in den Geschäftsräumen der Firma abspielte, in der sie angestellt war, verlor sie ihren Job. Auch den Annäherungsversuchen des Neuen ihrer Mutter konnte sie kaum noch standhalten. »Hol dir einen Kerl woher du willst, aber nicht aus meinem Bett!«, ist nur ein Ausdruck der grenzenlosen Mutterliebe, die Eva erfahren hat. Ein Fernfahrer liest sie auf und bringt sie schwarz über die Grenze nach Dänemark, wobei sie überhaupt nicht ahnt, dass dieser rechtschaffene Kerl ihr buchstäbliches Ticket in ein besseres Leben sein könnte. Doch zunächst muss sie durch eine harte Schule, bis sie in einem Tanzlokal oder einem Bordell landet. Das Verhalten der jungen Eva erscheint etwas naiv, allerdings entsteht dieser Eindruck vor allem dadurch, weil Blauäugigkeit und Ingmar Zeisberg nicht so recht zueinander passen wollen, da sie sich mit selbstbewussten Charakteren einen Namen machen konnte, auch wenn man sie hier erst in ihrem achten Film sieht. An ihrer Seite steht Claus Holm als moralischer Anker zwischen so viel halbseidenen Geschehnissen, doch das Schicksal und ein Zuhälter arbeiten gegen ihn und die natürliche Findung, bis alles außer Kontrolle zu geraten droht.

Interessante deutsche und dänische Schauspieler sorgen im Endeffekt für die vielen Nuancen innerhalb der verschiedenen Handlungsstränge, die von Regisseur Rabenalt gut miteinander verknüpft werden. Vor allem Ingmar Zeisberg und Claus Holm verleihen der Angelegenheit eine spürbare Glaubwürdigkeit, wenngleich der Film seine Verjährungsfrist bereits gesehen hat, und Vieles nach heutigen Maßstäben nicht mehr so brisant wirkt wie damals. Kai Fischer ist trotz ihres jungen Alters bereits in ihrer Paraderolle als gut kalkulierender und prickelnder Blickfang zu sehen, die hier Männer beglückt, wenn sie tief genug in die Brieftasche greifen. Ihr leichtfüßiges Spiel steht konträr zu der angedeuteten schweren Arbeit, und sie passt natürlich perfekt in eine derartige Geschichte, in der es maßgeblich um Zwangsprostitution geht. Des Weiteren sind Inger Lassen, Heinz Klevenow, Gerd Frickhöffer, Josef Dahmen oder Irene Mann zu sehen, die neben den vielen anderen Interpreten recht gute Eindrücke hinterlassen. Handelsübliche Tanzeinlagen und entsprechende Schlüpfrigkeiten wirken hier spätestens ab dem Zeitpunkt wie Peanuts, an dem Ingmar Zeisberg erneut oben ohne beim Fotografen zu sehen ist; eine Tatsache, die in ihrer Filmografie vermutlich beispiellos geblieben ist. Schöne Aufnahmen in Kopenhagen sorgen für unbeschwerte Atempausen in einem Verlauf, der über rasante Passagen verfügt, die ihren Zenit jedoch nie überschreiten. Für heutige Begriffe mag Arthur Maria Rabenalts Sittenreißer vielleicht überholt und an manchen Stellen angestaubt wirken, doch zur Entstehungszeit hat man derartig freizügige Präsentationen sicherlich nicht alle Tage gesehen. Am Ende ist dieser Film - der immer noch eine Rarität darstellt - jedoch sehr gelungen, und verbindet Populärthemen dieser Zeit sehr geschickt miteinander, sodass man so oder so leicht auf seine Kosten kommt. Routiniert inszeniert und überraschend bei der Visualisierung.

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