ALLE SÜNDEN DIESER ERDE - Fritz Umgelter

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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ALLE SÜNDEN DIESER ERDE - Fritz Umgelter

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ALLE SÜNDEN DIESER ERDE


● ALLE SÜNDEN DIESER ERDE (D|1958)
mit Barbara Rütting, Ivan Desny, Paul Dahlke, Hannelore Bollmann, Peter Vogel, Wolfgang Büttner, Herbert Kroll, Elfe Gerhart,
Albert Lieven, Christiane König, Herta Worell, Gerda Maria Klein, Maria Madlen Madsen, Elke Ahrendt, Dieter Kirchlechner, u.a.
ein Rapid Film | im Verleih der Union Film
ein Film von Fritz Umgelter

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»Soll ich ewig ein kleiner Assistenzarzt bleiben?«


Dr. Regine Lenz (Barbara Rütting) ist mit den Vorurteilen ihrer Zeit und hauptsächlich Vorbehalten männlicher Kollegen konfrontiert, versucht sich daher durch harte Arbeit zu profilieren. Ihr jüngerer Bruder Willi (Peter Vogel) hingegen darf sich alles erlauben und in den Tag hinein leben, sich sogar von einer etwa doppelt so alten Frau aushalten lassen. Als Regines Verlobter ihr auch noch eröffnet, dass er der Karriere wegen die Tochter seines Chefs heiraten will, brennen ihr die Sicherungen durch. In völliger Rage provoziert sie einen Autounfall bei dem ihr Verlobter tödlich verletzt wird. In Panik flieht sie vom Unfallort, doch es dauert nicht lange, bis sie von einem Erpresser ins Visier genommen wird...

Dramen aus dem Ärzte-Milieu wurden zu jeder Zeit gerne filmisch aufgearbeitet, so auch hier unter Fritz Umgelters erster Regie-Arbeit für das Kino. Der seinerzeit Mitte 30jährige Regisseur bearbeitet eine Geschichte, die zunächst unter umgekehrten Voraussetzungen vonstatten zu gehen scheint, da dieses Mal eine Ärztin im Mittelpunkt des Geschehens steht. Das Publikum bekam es ansonsten eher mit männlichen Titelhelden zu tun, sodass die Geschichte in diesem Fall ein natürlich vorhandenes Grundthema zu bearbeiten hat, da die Akzeptanz in der Gesellschaft bei weiblichen Pendants sicherlich nicht so ausgiebig vorhanden war, wie bei männlichen Ärzten. Alte Vorstellungen dominieren die Situation der ambitionierten Ärztin somit von Anfang an, da man Frauen wahrscheinlich lieber zu Hause beim Kind gesehen hat und nicht in derartig verantwortungsvollen Positionen, die wie viele andere in Geschlechts-Domänen eingeteilt war. Der frühe Verlauf greift dieses Momentum sehr anschaulich auf, da sich Dr. Renz in einem Dschungel aus althergebrachten Klischees und Moralvorstellungen zurechtfinden muss, sie sich aber in einer überwiegend bestechlichen Inszenierung verliert, da die Regie an den wichtigen Stellen nicht klar Position bezieht. Dies ist umso unverständlicher, zumal man mit Barbara Rütting einen der Inbegriffe der weiblichen Emanzipation und Selbstständigkeit an Bord hatte, deren Rolle dem Hörensagen auch derartig selbstbewusste Attribute hergeben soll, sie allerdings genau die andere Seite bedient, bis sie quasi zu einer Ärztin am Herd abqualifiziert wird. Zwar durchläuft sie einen gesellschaftlichen Abstieg, aber man kann gewisse Metamorphosen kaum abnehmen. Tragisch für eine Geschichte, die somit ihr eigenes Elixier ignoriert und sich selbst in die Kolportage-Ecke stellt, was nicht hätte sein müssen. Vieles hier wirkt dementsprechend hölzern - was vor allem für einen Rapid-Film gilt - aber nicht vollkommen verloren, denn es gibt auch so manchen Lichtblick, der das Anschauen lohnt. Insbesondere die Thematik erscheint von ihrer nicht immer ausgeschöpften Brisanz nicht gerade alltäglich zu sein und spricht wichtige Themen und Missstände an.

Gefangen in einem Teufelskreis, der sich im Auge familiärer und gesellschaftlicher Ansprüche immer mehr zuspitzt, kann man Barbara Rütting dabei zuschauen, wie sie ihr Repertoire einsetzen, aber nicht ausspielen kann, denn dafür legt das Skript zu wenige Finger in die angesprochenen Wunden. Durch die Bank gut besetzt, kommt es im darstellerischen Bereich zu erwartungsgemäß passablen bis guten Eindrücken, die insbesondere von Ivan Desny, der hier eine interessante Variation fernab seines üblicherweise zugetragenen Images anbietet, Albert Lieven, Hannelore Bollmann oder einem gebieterisch wirkenden Paul Dahlke geformt werden, aber vor allem Peter Vogel fällt in der Rolle von Regines Bruder auf, der in den Tag hinein lebt, aber nicht ohne eine gewisse Raffinesse an den Tag zu legen. Seine blasierte Art bringt nicht nur dessen Schwester zur Weißglut, sondern es deutet sich ein Konflikt an, der irgendwann dazu gemacht ist, hochzugehen. Der Blick auf die gleichen Wurzeln und vollkommen unterschiedliche Abzweigungen im Leben gestaltet sich als recht interessant und hilft ein wenig über die teils zu sanfte Inszenierung hinweg, deren schwere Geschütze sich höchstens häppchenweise offenbaren. Im Grunde genommen hat man es hier mit einem handelsüblichen Film seiner Zeit zu tun, und für ein Regie-Debüt kann sich "Alle Sünden dieser Erde" auch durchaus sehen lassen. Im Spektrum der sogenannten Problemfilme erarbeitet sich die Story ihren Platz zwar mit Leichtigkeit aber nicht Bravour, denn dafür verspricht der vollmundige Filmtitel am Ende dann doch zu viel. Barbara Rüttings Routine und Selbstbewusstsein werden hier zum Maß aller Dinge und prägen den Verlauf in greifbarer Weise, vielleicht hätten ein paar mehr Szenen in der Klinik oder auch am Gericht stattfinden dürfen, um gewisse Platzhalter in der Inszenierung überflüssig zu machen. "Alle Sünden dieser Erde" reißt wichtige Themen und Malaisen an, nicht ohne auf die naturgemäße Versuchung hinzuweisen, die einen in Teufels Küche bringen kann. Umgelter hätte hier und da jedoch ein wenig mehr Konfliktstoff anbieten können, um das Thema und schließlich den Film runder aussehen zu lassen.

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