ANITA DRÖGEMÖLLER UND DIE RUHE AN DER RUHR - Alfred Vohrer

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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ANITA DRÖGEMÖLLER UND DIE RUHE AN DER RUHR - Alfred Vohrer

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ANITA DRÖGEMÖLLER UND DIE RUHE AN DER RUHR


● ANITA DRÖGEMÖLLER UND DIE RUHE AN DER RUHR / JET-SET GIRL UND SPIONAGE (D|1976)
mit Monique van de Ven, Harald Leipnitz, Reiner Schöne, Brigitte Mira, Dirk Dautzenberg, Walter Buschhoff, Rudolf Schündler, Jürgen Draeger,
Alf Marholm, Karl Walter Diess, Dan van Husen, Herbert Tiede, Renate Grosser, Wolf Ackva, John O'Connor, Günter Clemens und Helga Anders
eine Horst Hächler Produktion der CTV 72 Film und Fernsehproduktion GmbH | Terra Filmkunst | im Constantin Filmverleih
nach dem gleichnamigen Roman von Jürgen Lodemann
ein Film von Alfred Vohrer

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»Undine aus der Ruhr, wie?«


Die Edelprostituierte Anita Drögemöller (Monique van de Ven) empfängt die bessere Essener Gesellschaft, bestehend aus Politik und Wirtschaft, und manchmal schauen auch internationale Schwergewichte vorbei. Als eines Tages ein Zuhälter kopfüber in ihrem Bidet gefunden wird, kommt es zu polizeilichen Ermittlungen durch Hauptkommissar Langensiepen (Harald Leipnitz), der eine Abhörzentrale in der Wohnung der Prostituierten vorfindet. War es Mord, eine Warnung? Aus der hart arbeitenden Dame ist jedenfalls nichts herauszukriegen, bis es zu gewissen Annäherungen kommt, die ihren Redefluss begünstigen. Hin- und hergerissen zwischen Distanz und Verführung, kommt der Polizeimann auf die spuren einer rücksichtslosen Organisation. Befindet sich Anita nun auch in Lebensgefahr..?

Mit "Anita Drögemöller und die Ruhe an der Ruhr" bewegte sich Regisseur Alfred Vohrer bereits auf der Zielgeraden seiner erfüllten Kino-Karriere, denn im Anschluss inszenierte der Stuttgarter nur noch einen Spielfilm, bevor er sich ausschließlich dem Fernsehen widmen sollte. Dieser Endspurt gilt nicht als Anwärter für die Crème de la Crème seiner eigenen Regie-Arbeiten, denn dafür tauchen zu viele Ungereimtheiten auf. Was für die einen das Nonplusultra dieser Produktion darstellen mag, ist für andere ein großer Mühlstein um den Hals der Inszenierung, was beispielsweise für den artifiziell übergestülpten Jargon gilt, der auf das Milieu und das örtliche Vakuum bezogen vielleicht stilecht wirkt, aber leider kein Synchronisationsjuwel darstellt, manchen Schauspielern außerdem das typische Flair raubt. Dies alles ist zu verschmerzen, allerdings nicht die wie vom Titel bereits angekündigte dröge Bearbeitung, die in einen Krimi eher langweilt, als dass sie von den Hockern reißt. Bereits der Vorspann zeigt eine Reihe von Luftaufnahmen, die die Ruhrpott-Ästhetik näher bringen, bis man schon an einem Grab steht und einen Film in Rückblenden präsentiert bekommt. Eine Nutte wird zu Grabe getragen, wenngleich die Berufsbezeichnung nicht ganz korrekt ist, handelt es sich doch immerhin um Rosemarie Nitribitts imaginäre Schwester im Geiste und vor allem in der Ausstattung. Die Hautevolee der Ruhr geht bei und in ihr ein und aus, und die hübsche Erscheinung scheint nicht der größte Schlüssel ihres Erfolges zu sein, sondern ihre Leichtfertigkeit und die Bereitschaft, alles zu geben, wenngleich sie nach eigenen Angaben eine Kollegin und Freundin hat, die für die schweinischen Sachen zuständig ist. Es folgen langatmige Vorstellungen einer Titelrolle, die leider nur schwerlich interessant wirkt, zumal man in Jahrzehnten etliche bessere Modelle in ähnlichen Filmen angeboten bekommen hat. So stellt sich am Ende die Frage, ob nicht auch die Niederländerin Monique van de Ven eine Fehlbesetzung darstellt, denn sie liefert schlampig fremdsynchronisiert keine überzeugende Leistung, da sie einfach nicht catchen kann.

Zu viele satirische Einschläge geben dieser Dame schließlich den Rest, aber man darf sich auf eine Vohrer-Stammbesetzung freuen, die größtenteils überzeugend wirkt. Dass etwa Brigitte Mira, Dirk Galuba oder Helga Anders nicht mit ihren Originalstimmen zu hören sind, offenbart sich beinahe wie ein leider notwendiger Kulturschock, aber es kommt zu guten Szenen, die an die Stärken der Interpreten appellieren. In Anitas Edelpuff sind Kameras und Abhörgeräte versteckt, was viele der Gäste noch kompromittieren wird. Dass in ihrer Wohnung ein ermordeter Zuhälter mit Kopf im Bidet gefunden wurde, bringt ein wenig Brisanz in die müde Story, zumal hochrangige Personen der Politik und oberen Gesellschaft in die Sache verwickelt sein könnten. Die Ermittlungen leitet ein sehr überzeugender Harald Leipnitz, der hin- und hergerissen zwischen Distanz und Verführung zu sein scheint. Seine Figur des Hauptkommissars ist sicherlich eine der überzeugendsten Säulen im gesamten Film, was übrigens für alle Instanzen dieses Apparats gilt. Nette, wenn auch kleinere Rollen liefern Helga Anders, Brigitte Mira, Walter Buschhoff, Rudolf Schündler oder Alf Marholm, die sich geschickt im Ruhrpott-Dschungel positionieren. Hin und wieder kommt es zu etwas Action, aber leider wenig Spannung, was sich als schleichendes Gift für den Verlauf herausstellt. Interessant und ungewöhnlich zugleich ist, dass es thematisch gesehen zu keinerlei Fleischbeschau kommt und man Schlüpfrigkeiten lediglich aus Anitas Umgangston entnimmt, oder ein paar Riesendildos, mit denen sie hantiert. Der slapstickartige Tenor setzt dem Film unterm Strich schwer zu, da das Gegenteil von dem erreicht wird, was eigentlich anvisiert war. Das Prunkstück der Produktion ist und bleibt die erlesen wirkende Musik von Pierre Duclos, die einen derben Kontrast zu den oft sterilen Bildern herstellen kann. Alfred Vohrer Fans werden sich mit "Anita Drögemöller und die Ruhe an der Ruhr" sicherlich recht schnell anfreunden können, aber der von Klischees triefende Verlauf kann am Ende leider nicht vollends überzeugen, da das Angebot oftmals zu karg wirkt.

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