Werner Pochath
● MOSQUITO - DER SCHÄNDER (CH|1977)
mit Ellen Umlauf, Birgit Zamulo, Gerhard Ruhnke, Peter Hamm, Marion Messner, u.a.
eine Produktion der Monarex | im Verleih Jugendfilm
ein Film von Marijan 'David Vajda
Zu den wenigen Beiträgen der Produktionsfirma Monarex mag man so oder so stehen, und über den ein oder anderen lässt sich gewiss auch kontrovers streiten, jedoch kann diesen Filmen durchaus attestiert werden, dass sie sich stets der unkonventionellen Unterhaltung verschrieben hatten und bei den richtigen Antennen echte Highlights darstellen. Neben okkulten Experimenten wie beispielsweise "Der Fluch der schwarzen Schwestern" oder erotischen Abenteuern wie "Bibi - Lustreport einer Frühreifen", reiht sich also auch Marijan David Vajdas "Mosquito - Der Schänder" in diese extravagante Reihe ungewöhnlicher Filme ein, die eine zutiefst verankerte Provokation inne haben, durch Schocks entsetzen, mit ordentlich Sex kokettieren, oder eben alles gleichzeitig tun wollen. Ein Blick auf die Besetzungsliste dieses Spät-Siebzigers fabriziert eine besondere Neugierde, denn zu sehen ist ein völlig unberechenbar wirkender Werner Pochath in einer seiner seltenen Hauptrollen. Die Verbindung Filmtitel und Hauptdarsteller lässt hier eine überaus eindeutige Richtung erahnen, die durch die frühen Rückblenden in die Kindheit des zweifelhaften Protagonisten nur bestätigt werden. Die Story um den taubstummen Buchhalter, der von der Gesellschaft stigmatisiert, vorgeführt, gemieden oder noch vielmehr ausgegrenzt wird, fängt als klassische Hinterhofgeschichte an, die nicht viel Zeit verliert, um zu der drastischen Vorstellung der Hauptperson zu kommen. Daher werden dunkle Geschehnisse der Vergangenheit, abscheuliche Grausamkeiten der Gegenwart und eine nicht erbauliche Prognose für die Zukunft, sowie die passenden Effekte in einen Topf gerührt und fertig ist die Mischung, die der geneigte Zuschauer unappetitlicherweise verlangt. Der eintönige Alltag und die monotone Arbeit wirken wie ein Korsett, ein Vakuum. Sein Zimmer ist ausstaffiert mit vielen Puppen, sodass die Atmosphäre wie die eines Gruselkabinetts aufkommt, in dem die namenlose Hauptfigur selbst die größte Attraktion zu sein scheint.
Regisseur Marijan David Vajda versucht es in "Mosquito - Der Schänder" mit einer ganz eigenen und pietätlosen Anatomie des Grauens, die oft so verstörend wirkt, dass man nicht wegschauen kann, obwohl man es vielleicht will. Geprägt durch die Wunden der Vergangenheit, getriggert durch die Verhaltensweisen anderer in der Realität, kommt es zu einer trostlosen Fahrt durch eine Einbahnstraße, die so manchen Schock bereithalten wird. Vajda liefert mögliche Erklärungen, warum die von Werner Pochath dargestellte Figur so ist, wie sie ist, doch es handelt sich bei diesen Hinweisen um keine Entschuldigungen oder Rechtfertigungen, die dem Publikum unter mitleidigen Blicken zu sauer aufstoßen könnten. So kommt es zu relativ waghalsigen Tendenzen, da er ihn und sein Umfeld quasi auf die gleiche Stufe stellt und somit reichlich Interpretationsspielräume offen lässt. Doch selbst diese Variante muss nicht unbedingt greifen, da die Möglichkeit offen gehalten wird, sich schlicht und einfach für ein Hirn-aus-Erlebnis zu entscheiden, was die Inszenierung definitiv hergibt. Das Szenario profitiert ungemein von Werner Pochaths gespenstischer und in Mustern gefangener Aura des Serientäters "Mosquito", der nicht selten beängstigend und abstoßend zugleich wirkt. Vielleicht könnte man auch sagen, dass der Film ausschließlich von seiner Hauptperson lebt, was auch die nicht vorhandene Konzentrierung auf andere Kollegen bestätigt. Aus der Affinität für Puppen wird eine Vorliebe für Leichen, denen Gliedmaßen abgetrennt oder beispielsweise Augen herausgestochen werden. Mit ihnen entsteht eine irritierende und völlig widerwärtige Art der Intimität, da sie sich schließlich nicht wehren oder gar verletzend werden könnten. Zielstrebig sucht er sich Objekte ohne Gegenwehr aus, und wenig später ist das blutrünstige Phantom in allen einschlägigen Zeitungen zu finden und in aller Munde, erzwingt sich schließlich die Bedeutung, die der isoliert lebende Mann niemals hatte.
Für einen Verlauf ist es immer schwierig, wenn er wie hier von der Dramaturgie gefordert ohne viele Dialoge auszukommen hat, somit auf die Kraft der Bilder setzen muss, und dies quasi ohne Unterlass. Zusätzlich fördernd fungiert somit der akustische Bereich, der mit einer Art Orgelmusik beunruhigen will, deren lose und viel zu dissonante Tonfolgen sich in die Köpfe der Zuschauer bohren. Regisseur Vajda - für den "Mosquito - Der Schänder" sein letzter Film war - schafft es allerdings, Momente der totalen Intensität und überaus bizarre Eindrücke zu vermitteln, die einen Blick auf eine schauerliche Art der Besessenheit zulassen. Je länger der mit sexueller Spannung sowie erotischer Dysfunktion aufgeladene Film läuft, desto extremer werden die Anwandlungen von Werner Pochath, der all die unerschrockenen Zuseher an die Hand nimmt, um mit ihnen in eine Katastrophe zuzusteuern. Nichts anderes hat der Verlauf suggeriert, nichts anderes hat dieser Film verdient und auch vor. Eine kleine exponierte Erwähnung soll es noch für seine Filmmutter Ellen Umlauf geben, deren berüchtigte Interpretationen jeden Film ungemein bereichern. Bluttrunken, wie in Trance aber völlig taub und stumm, liefert Werner Pochath eine One-Man-Show ab, deren beobachtende und fixierende Elemente hinsichtlich dessen was noch kommen wird wie düstere Vorboten wirken. Die Erfüllung des Ganzen liegt schließlich in drei Komponenten: Der Kompetenz der Regie, der Überzeugungskraft des Hauptdarstellers und dem Bereitschaft des Publikums - was man aber durchaus auch Sensationslust nennen kann. "Mosquito - Der Schänder" mag für viele Zuschauer vielleicht mit das Abstoßendste sein, was sie bislang gesehen haben, doch für andere bleibt eine einwandfrei funktionierende Wiener Melange, die zu den besonderen Peformances des zeitgenössischen und wohlgemerkt deutschsprachigen Films gehört. Was für die einen also ein technisch einwandfrei inszeniertes Abfallprodukt ist, ist für die anderen eine miese kleine Offenbarung.