Mädchenjagd in St. Pauli (D)
Vrouwen in het donker (NL)
Amartoles nyhtes tou San Pauli (GR)
Dark Nights in St Pauls (UK)
D 1966
R: Günter Schlesinger
D: Margot Hildenbrand, Dagmar Schneider, Tom Riedel, Peter Wienecke, Martina Moll, Livka Werner, Edeltraud Behrens, Dieter Kursawe u.a.
Deutsche Erstaufführung: 29.07.1966
Filmportal
Score: Chappell
OFDb
"Diese für mich routinemäßige Nachricht erreichte mich um 10:35. Nach geltendem Gesetz ist üblich, dass im Todesfalle einer leiblichen Person, bei der die Todesursache nicht sofort ersichtlich ist, die Kriminalpolizei zur Untersuchung hinzugezogen wird. Die Laboruntersuchung ergab, dass die eingelieferte Margitta Böhm an einem mittelamerikanischen, relativ schnell wirkenden Gift gestorben ist. Jörg Hansen, der die Tote fand und daraufhin die Polizei benachrichtigte, wurde von mir zur Vernehmung vorgeladen. Leider konnte auch er nichts zur Aufklärung des Falles beitragen. Da es sich offensichtlich um ein stark rauschgiftabhängiges Mädchen handelte, vermuteten wir, dass sie mit einer der Banden in Verbindung stand, die sich Mädchen mit Hilfe dieses Mittels für ihre Wünsche gefügig machen, denen aber bis jetzt nichts Gesetzwidriges nachzuweisen war. Mit einem Foto von Margitta machte ich mich nun auf den Weg in eine der bekannten Straßen des Vergnügungsviertels von St. Pauli. Ich hoffe dort Damen des Gunstgewerbes zu finden, denen die Tote bekannt war und die mir so weitere Anhaltspunkte liefern konnten. Um keine falschen Vermutungen über die Rauschwirkung dieser Pillen aufkommen zu lassen, ist es wichtig zu wissen, dass dieses rezeptpflichtige Arzneimittel durch den Genuss einer Überdosis zur Sucht führen kann und deshalb von gewissen Elementen missbraucht wird. Dadurch ergab sich für uns eine zweite, wichtige Frage: Hatte Maritta Selbstmord begangen oder war es Mord? Die Antwort war immer wieder dieselbe, niemand kannte Margitta Böhm. Mittels der Hamburger Tageszeitung forderte ich daraufhin die Bevölkerung zur Mithilfe auf. "
Soweit die kurze Einleitung, mit der der Film in mehreren kurzen Etappen eröffnet wird. Was im Folgenden gezeigt werden soll, ist das Zustandekommen des zuvor beschriebenen Todesfalls, der mit der Fragestellung einhergeht, ob sich die rauschgiftsüchtige Margitta Böhm suizidiert hat, oder von einem unbekannten Täter eiskalt ermordet wurde.
Eins vorweg: Weder die veröffentlichten DVDs, noch die Amazon-Prime-Fassung beantworten diese Frage, da beide Medien den Film in einer unvollständigen Fassung anbieten.
Eigentlich beläuft sich die reguläre Laufzeit des Films auf 86 Minuten, wohingegen die Filmlänge der DVD-Fassung mit nur 65 Minuten zu Buche schlägt. Der Grund für diese Zeitverknappung sind nicht die paar wenigen Filmrisse, die irgendwie noch zu verkraften gewesen wären, sondern hauptsächlich ein fehlender Filmakt, der, warum auch immer, irgendwie vergessen wurde. Genauer gesagt handelt es sich bei dem fehlenden Akt um den vorletzten, was wiederum dazu führt, dass weder die grundlegende Frage, die dieser Film gleich zu Beginn aufwirft, auch nur ansatzweise beantwortet wird, noch kann nachvollzogen werden, warum einige Akteure so handeln wie sie handeln. Weder der Grund des Ablebens von Margitta wird in diesen Fassungen aufgeklärt, noch kann nachvollzogen werden, wie eine weitere Filmfigur in den Selbstmord getrieben wurde. Unklar bleibt auch, wer genau mit welcher Aufgabe im Rahmen des Rauschgiftschmugglerrings betraut war, sowie die Frage, was es konkret mit dem Kopf der Bande auf sich hatte. Und was wusste Peggy?
Daher kann nur gesagt werden, "Finger weg von dieser DVD!", zumal auch noch Gerüchte bestehen, dass es sich dabei um einen unlizenzierten Bootleg handelt. zumindest soll eins der etablierten Labels den Filmrechten jahrelang nachgejagt sein, bis eines Tages wie aus dem Nichts die erste dubiose DVD bei der Krake erschien. Noch heftiger soll es übrigens die Amazon-Prime-Fassung getroffen haben, denn bei dieser wurde mit einer Gesamtlaufzeit von 55 Minuten gleich das komplette Ende weggelassen. Unsinniger geht es kaum!
Soweit es möglich war, habe ich dennoch versucht, ein paar Sätze zu dieser unbefriedigenden Rumpffassung zu verfassen:
Marrita Böhm (Margot Hildenbrand) ist eine tablettensüchtige Sängerin, die in den Augen ihrer Agentur einigermaßen Erfolg verspricht. Dies hält aber ihren miesepetrigen Abteilungsleiter nicht davon ab, sie zu erniedrigen, demütigen und sexuell auszubeuten, denn dieser nutzt nicht nur die Suchtabhängigkeit seiner Künstlerin schamlos aus, sondern auch seine Machtstellung, die ihm als dealender Chef gegeben ist. Als es eines Tages wieder soweit ist, verlässt Maritta fluchtartig die Agentur und irrt daraufhin orientierungslos durch die Stadt, bis sie irgendwann erschöpft an einer Treppe zusammensackt. Glücklicherweise wird sie bereits kurz darauf von dem erfolglosen Maler Georg Hansen (Peter Wienecke) gefunden, der sie kurzerhand mit zu sich nach Hause nimmt. Nachdem sich die beiden in den darauffolgenden Tagen zwischenmenschlich annähern konnten, quartiert sich die frisch verliebte Maritta fest bei ihrem selbstlosen Retter ein. Doch anstatt mit ihr Zärtlichkeiten auszutauschen, sieht Georg in seiner neue Untermieterin nur ein geeignetes Aktmodell für seine malerische Kunst, was Maritta aber dennoch nicht davon abhält, in dem aufrichten Maler die universelle Lösung für das Entfliehen aus ihrer Rauschgiftsucht zu sehen. Nachdem es Maritta gelang, tatsächlich eine zeit lang abstinent zu leben, tritt plötzlich ein alter bekannter Georges auf den Plan, der von da an der Sängerin das Leben wieder zur Hölle macht, denn Edward Lorenz (Tom Riedel) ist seines Zeichens nicht nur ein erbarmungsloser Drogendealer, der gerne auch mal unschuldige Arzthelferinnen in den Selbstmord treibt, sondern zugleich auch ein hochrangiger Mitarbeiter des Rauschgiftschmugglerrings, der das gesamte Bundesgebiet von Wien aus im großen Stil mit Haschisch, Marihuana sowie P.L.S. (= verschreibungspflichtige Pillen mit berauschender Wirkung) versorgt.
Soweit eine kurze Inhaltsangabe die genau an dem Punkt endet, an dem der dritte Filmakt eigentlich beginnen sollte... Schade, denn bei MÄDCHENJAGD AUF ST. PAULI handelt es sich nicht nur um das Regiedebüt von Günter Schlesinger, der sich später auch für ein paar weitere einschlägigen Klamotten wie beispielsweise ICH SPÜRE DEINE HAT, SCHREI NACH LUST, INTIM-REPORT, DIE MÄDCHEN DER MADAME oder GIB MIR LIEBE verantwortlich, sondern auch um einen über mehrere Jahrzehnte verschollen gegoltenen Film, der seinen Weg dann schließlich doch noch irgendwann auf die Leinwände einiger 35mm-Kinos schaffte. Von seiner Machart wirkt dieser farblose Sittenreißer nicht nur etwas spröde und bieder inszeniert, sondern wurde auch vornehmlich mit Laiendarsteller:innen besetzt, die irgendwie nicht so richtig aus den Puschen kommen wollen. Außerdem geizt der Film im Gegensatz zu späteren Erotik-Klamotten mit nackten Tatsachen, was aber weniger mit dem Entstehungsjahr zusammenhängen dürfte (Stichwort: WENN ES NACHT WIRD AUF DER REEPERBAHN), sondern vielmehr das Ergebnis dieser unausgereiften Filmproduktion zu sein scheint. Dennoch kann man den Film einen gewissen Charme nicht absprechen. Abgerundet wird das Ganze mit einer Dialogregie, die aber die Grenze zur Gossensprache nur sehr selten überschreitet.
Fazit: "Der Inhalt bleibt, auch wenn die Form zerbricht".
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