DER ARZT VON ST. PAULI - Rolf Olsen

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DER ARZT VON ST. PAULI - Rolf Olsen

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Curd Jürgens

DER ARZT VON ST. PAULI


● DER ARZT VON ST. PAULI (D|1968)
mit Horst Naumann, Christiane Rücker, Suzanne Roquette, Monika Zinnenberg, Heinz Reincke, Fritz Wepper,
Marianne Hoffmann, Friedrich Schütter, Hans W. Hamacher, Astrid Fournell, Claus Tinney und Dieter Borsche
eine Produktion der Terra Filmkunst | im Constantin Filmverleih
ein Film von Rolf Olsen

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»Hallo Süßer, wie wärs denn mit und Dreien?«


Dr. Jan Diffring (Curd Jürgens) ist bekannt als Kapazität in Hamburgs berüchtigtem Stadtteil, denn er kümmert sich um Sorgen und Gesundheit von Patienten aus dem Milieu. Als eines Tages der Matrose Hein Jungermann (Fritz Wepper) unter Mordverdacht gerät, ist Dr. Diffring von seiner Unschuld überzeugt und bietet ihm seine Hilfe an. Die Polizei wirft Jungermann vor, die Prostituierte Margot Rau (Christiane Rücker) getötet haben, doch der Arzt von St. Pauli stellt eigene Ermittlungen an, die ihn in die bessere Gesellschaft Hamburgs führen. Zu seinem Entsetzen führt genau diese Spur zu seinem eigenen Bruder Klaus (Horst Naumann), der als bekannter Hautevolee-Gynäkologe praktiziert. Ab diesem Zeitpunkt deutet sich eine unausweichliche Katastrophe an...

Rolf Olsen und zeitgenössisches Kiez-Kolorit stellte immer eine hoch interessante Melange aus Reißer, Milieustudie, Krimi und vielem mehr dar, wenngleich er hier und da zu gewissen Überzeichnungen neigte, die in seinen Reißern allerdings auch wieder unerlässlich wirken. Sein Beitrag beginnt mit einer Panoramafahrt durch die ewigen Jagdgründe St. Paulis, man sieht die immer einsatzbereiten Körper junger und erfahrener Damen aus der subjektiven Sicht vom »Nuttendoktor«, der gleich auch noch Zeuge der Kehrseite des Geschäfts wird, da er eine junge, ihm unbekannte Frau davor bewahren muss, von irgendwelchen Gaunern verprügelt und ausgenommen zu werden. Gleich hier zeigt sich, mit welcher Kapazität man es zu tun hat, was auch die Patienten in seiner Praxis dokumentieren, die meist aus einfachen oder horizontalen Verhältnissen stammen. Als Zuschauer hat man den Eindruck, dass er den härteren Job im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen hat, doch es ist quasi zu spüren, dass er alles aus Überzeugung und Berufung tut. In einer Kneipe gerät er mit einem Betrunkenen in eine Schlägerei, die offensichtlich wie gerufen kommt, da sich etliche Herren dem Getümmel anschließen, doch es hat auch sein Gutes, da der Doc diejenigen, die er verletzt hat, auch gleich verarzten kann. Im Kontrast zu seiner wenig luxuriösen Praxis sieht man diejenige seines Bruders, der über ein ganz anderes Klientel verfügt. Das Szenario zeigt viele charakteristische Typen und Situationen, außerdem grandiose Dialoge, die zu einem richtigen Spaßfaktor innerhalb dieser von Nötigung, Kriminalität und Gewalt angehauchten Geschichte werden, die der Glaubwürdigkeit halber mit zahlreichen Nuditäten und Schlüpfrigkeiten bestückt ist. Zwischenzeitlich wirkt es so, als habe man die Titelfigur im im Dschungel von Erpressung und Prostitution vergessen, aber Curd Jürgens bekommt seine Bühne immer wieder zur Verfügung gestellt, die auch selbstbewusst angenommen wird.

Die verschiedenen Handlungsstränge halten den rasanten Unterhaltungsfaktor den sie versprechen und nehmen Wendungen, die bei Laune halten. Die Gesichter der vielfältigen Kriminalität werden in "Der Arzt von St. Pauli" besonders lautstark und nahezu frappierend von Interpreten wie Friedrich Schütter, Michael Conti, Monika Zinnenberg, Christiane Rücker, Manfred Reddemann und Horst Naumann dargestellt, wobei sich Abstufungen nach oben und unten bei der Skrupellosigkeit finden lassen. Aber die großen Fische überzeugen hier tatsächlich wie die kleinen. Die andere Seite der Medaille wird natürlich von der Titelrolle repräsentiert, und Kollegen wie Suzanne Roquette, Marianne Hoffmann, Heinz Reincke, Dieter Borsche, Hans W. Hamacher oder Fritz Wepper. Treffsicher, überaus prominent besetzt und selbstbewusst bei Rollenwahl und Charakterzeichnung, kann sich Regisseur Rolf Olsen auf eine besonders gute und einsatzbereite Entourage verlassen, die das aufgeheizte Geschehen immer wieder vor sich hertreibt und für Tempo, Spannung sowie Irrungen und Wirrungen sorgt. Die Story macht kein großes Geheimnis daraus, in welches Nadelöhr sie letztlich münden wird, sodass der erwartete Clash hier als Kirsche auf der üppigen Torte anzusehen ist. Nicht zu erwarten war allerdings die breit angelegte Action und Aggression, die in dieser Intensität nur eine Katastrophe fabrizieren kann. Da der Film über viel Lokalkolorit und unverkennbare Charakteristika verfügt, kommt es unter Rolf Olsens üblicher Handhabe auch zu einer regelrechten Aura, die diese Produktion im Dunstkreis der St.-Pauli-Kracher sicherlich in Richtung Treppchen befördert. Somit bleibt "Der Arzt von St. Pauli" ein guter und überzeugender Vertreter seiner Fraktion, den man sich immer wieder einmal anschauen kann, vor allem wenn einem nach Kiez, Nutten, Schlägereien, Sex-Partys, politisch unkorrekten Dialogen und besonderen Typen ist. Macht daher nach so vielen Jahren immer noch großen Spaß.

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