IMMER NUR MORDGESCHICHTEN - Wilhelm Semmelroth

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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IMMER NUR MORDGESCHICHTEN - Wilhelm Semmelroth

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IMMER NUR MORDGESCHICHTEN


● IMMER NUR MORDGESCHICHTEN (D|1968) [TV]
mit Krista Keller, Sieghardt Rupp, Friedrich Joloff, Hildegard Jacob, Thekla Carola Wied, Heinz Jörnhoff, Arno Görke, u.a.
eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks
ein Film von Wilhelm Semmelroth

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»Finden Sie nicht, dass die Toten manchmal zu beneiden sind?«


Paris Belmont (Sieghardt Rupp) ist erst seit kurzer Zeit mit der bekannten Werbefachfrau Barbara J. Manson (Krista Keller) verheiratet, doch die Liebe auf den ersten Blick wird durch einen ungeheuerlichen Verdacht getrübt. Will der charmante Mann seine frisch gebackene Ehefrau ermorden oder ermorden lassen? Zumindest bei Barbara erhärtet sich dieser Verdacht, da sich beunruhigende Dinge abspielen, die nichts mit dem Zufall zu tun haben können. Als sie auch noch erfährt, dass ihr Mann bereits verheiratet war und seine Angetraute unter mysteriösen aber ebenso ungeklärten Umständen verschwand, sieht sie Paris in einem völlig anderen Licht...

Deutsche TV-Produktionen dieser Zeit kommen vergleichsweise selten zu Veröffentlichungen oder Aufführungen, was sehr schade ist, denn sowohl und vor allem Quantität als auch Qualität sprechen oft für sich. Diese TV-Produktion entstand unter der Regie des Bitburger Regisseurs Wilhelm Semmelroth und überrascht zunächst wegen ihrer Überlänge, die bei einer Kriminalverfilmung naturgemäß das Risiko birgt, dass es zu spürbaren Längen kommt. "Immer nur Mordgeschichten" verfügt über recht zähe Phasen, zumal die Geschichte überwiegend von den gleichen Personen gestaltet wird. Hemmschuh und gleichzeitig Clou der Geschichte ergeben sich aus der Tatsache, dass man es mit einem potenziellen Mord zu tun hat, der lange Zeit nur lose im Raum steht und genauso gut ein Hirngespinst einer hysterischen Ehefrau sein könnte, die von Nachbarn, beziehungsweise fachsimpelnden Hobby-Detektiven angestachelt wird, ihren frisch gebackenen Ehemann zu verdächtigen, sie schon bald unter die Erde bringen zu wollen. Dieser Herr wird von keinem Geringeren als Sieghardt Rupp dargestellt, der mit einer Art auffällt, die nicht zu dechiffrieren ist. So ergibt sich eine solide Grundspannung innerhalb einer Story, die stellenweise profan wirken würde, wenn ihre Hauptdarsteller nicht so aufmerksam entgegen wirken würden. Dabei stellen Rupp und seine Partnerin Krista Keller - wie übrigens auch einige Jahre später in "Kressin und die zwei Damen aus Jade" - das perfekte Match dar, denn sie überzeugen in den Bereichen des Sicherheitsabstands und der gefährlichen Nähe nahezu perfekt. Als Zuschauer fragt man sich auch, ob es die bemüht unschuldige und charmante Vorgehensweise von Paris Belmont oder die ungewöhnlich naiv und teils neurotisch wirkende Art seiner Frau ist, die am meisten irritiert. Dem Sprichwort nach verkürzt die Liebe auf den ersten Blick die Zeit - so hat es sich wohl auch Paris gedacht, der seine sich zunächst sträubende Angebetete umso sicherer in die Tasche steckt, da er eben nicht so reagiert, wie die Männer, die sie offenbar zu Genüge kennengelernt hat.

Die Leiterin der Werbeabteilung Lane & Lane weiß normalerweise sehr gut, was sie will, aber vor allem, was sie nicht will. Den Unbekannten wollte sie sofort, ohne es vielleicht zu wissen, doch ihr Widerstand war zwecklos. Unter diesen Voraussetzungen weiß man naturgemäß wenig über den anderen, sodass Geheimnisse mitschwingen, die noch problematisch werden könnten. Blickt man auf Krista Kellers Schauspiel, so ist es ungewöhnlich, welche Art Frau sie so bereitwillig darstellt. Zwar schimmern ihre hysterischen und aufgebrachten Züge immer mal wieder durch, allerdings wirkt sie in einer männlich-weiblichen Beziehung viel zu angepasst, und das auch noch bedingungslos. Es entstehen sehr pikante und glaubhaft choreografierte Szenen im Zusammenspiel zwischen Sieghardt Rupp und Krista Keller, sodass man sich als Zuschauer selbst immer wieder hinterfragen muss, ob man der möglicherweise Gespenster sehenden Ehefrau nicht fälschlicherweise aufgesessen ist. Andererseits könnte ihr Mann Paris auch ein Hochstapler sein, der es auf mehr als ihre weibliche Anmut abgesehen hat. Doch reicht es bei dem aalglatten Herrn für ein Mordkomplott? Regisseur Semmelroth lässt sich bei der Beantwortung dieser Frage sehr viel Zeit und die Frage genüsslich offen, ob es noch einen völlig anderen Weg geben könnte, was wiederum von Friedrich Joloff und Hildegard Jacob angedeutet wird. Seine nach Perfektion strebende Entourage steigt genüsslich in dieses kammerspielartige Verwirrspiel ein, weil die Geschichte in ausreichendem Maß Zündstoff hergibt. Geschickte Spitzen im inszenatorischen Bereich und die gute Dialogarbeit vertreiben die Zeit in angemessener Form, wenngleich es bei der ausladenden Spieldauer immer wieder zu einigen Passagen kommt, die vollkommen entschleunigt wirken. Am Ende wird man mit mit teils bizarren Überraschungen konfrontiert oder auch nicht, aber "Immer nur Mordgeschichten" bleibt ein gut konstruierter Krimi-Vertreter der originelleren Fraktion, der vor allem von dem glänzend aufspielenden Duo Krista Keller und Sieghardt Rupp profitiert und getragen wird.

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