DAS RÄTSEL DER ROTEN ORCHIDEE - Helmuth Ashley

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DAS RÄTSEL DER ROTEN ORCHIDEE - Helmuth Ashley

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● DAS RÄTSEL DER ROTEN ORCHIDEE (D|1961-62)
mit Marisa Mell, Adrian Hoven, Eddi Arent, Klaus Kinski, Pinkas Braun, Christiane Nielsen, Eric Pohlmann, Fritz Rasp,
Wolfgang Büttner, Herbert A. E. Böhme, Sigrid von Richthofen, Günther Jerschke, Hans Paetsch und Christopher Lee
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Constantin Filmverleih
ein Film von Helmuth Ashley

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»Wenn Gott will, muss ich morgen abkratzen!«


Zwei amerikanische Ganster-Organisationen tyrannisieren die Londoner High-Society mit hohen Geldforderungen, um im Gegenzug für deren Schutz zu garantieren. Da etliche Klienten nicht zahlen wollten hat die Polizei sie ermordet aufgefunden, sodass die Zusammenarbeit mit Scotland Yard immer rückläufiger wird. Um erfolgreich gegen die Gangster vorgehen zu können, wird Inspector Weston (Adrian Hoven) der FBI-Captain Allerman (Christopher Lee) zur Seite gestellt, der die Drahtzieher und deren Geschäftspraktiken genau kennt. In gemeinschaftlicher Arbeit können beide Teilerfolge erzielen, doch die Forderungen der Kriminellen nehmen immer wieder neue Dimensionen an...

In der laufenden Reihe markiert "Das Rätsel der roten Orchidee" in vielerlei Hinsicht einen Stilbruch mit der Tradition des Formats, denn es kommt zu zahlreichen Modifikationen und Neuerungen, die bislang noch keine Verwendung gefunden hatten. Beim Kino-Publikum kam diese Strategie des Gast-Regisseurs Helmuth Ashley nicht besonders gut an, falls man die Zahlen der Vorgänger im Vergleich betrachtet, sodass 1,5 Millionen Zuschauer das bislang das schwächste Wallace-Ergebnis darstellten. Der Film kann als eine Art Persiflage interpretiert werden und stellt neben Jürgen Rolands "Der grüne Bogenschütze" vielleicht das zweite Experiment dieser Art dar. Entstanden nach der Romanvorlage "Gangster in London", wirkt die finale Titelfindung einfallslos und nichtssagend, da den besagten Orchideen - die in der Blumensprache ein Symbol für Schönheit, Liebe und Jugend darstellen, außerdem Leidenschaft und Hingabe - nur eine stiefmütterliche Behandlung zuteil wird. Es muss allerdings auch erwähnt werden, dass es sich nach all den vorhandenen Brüchen auch um eine bereits etablierte Wallace-Tradition handelt, dass Farben in bestimmten Titeln eine prominente Rolle spielen oder spielen sollten. Helmuth Ashley inszeniert streckenweise nicht uninteressant und schafft es, eine mörderische Atmosphäre im Szenario zu etablieren. Leider ist es aber auch so, dass der Verlauf nur wenige Möglichkeiten bietet, sich aufregend genug zu konservieren, da sich das gegenseitige Liquidieren und Erpressen irgendwann ausschöpft. Die Polizei kennt die Verantwortlichen und deren Würgegriffe, kann aber dennoch nicht intervenieren. Dies reiht sich in eine Liste dramaturgischer Ungereimtheiten ein, außerdem ist die Story reichlich vorhersehbar. Der österreichische Regisseur setzt vornehmlich auf seine Landsleute bei den Hauptrollen und ein internationales Zugpferd namens Christopher Lee, das hier jedoch stark unter Wert verkauft wird, da seine Rolle nicht dynamisch und ausladend genug wirkt.

Seine Funktion als alter Fuchs des Geschäfts, der die amerikanischen Gangster-Methoden zu Genüge kennt, wird nur unzureichend definiert. Was bleibt ist der Eindruck ungenutzter Möglichkeiten bei dieser Figur, von der man etwas mehr als Mutmaßungen erwartet. Gleiches gilt für seinen Partner Adrian Hoven, dessen spröder Stil gestelzt wirkt, außerdem kann er im direkten Vergleich zu bisherigen Ermittler-Entwürfen keinen wirklichen Mehrwert bieten. Einzig die Wahl von Marisa Mell für die weibliche Hauptrolle erweist sich als Teil-Erfolg und Premieren-Glücksgriff für die Produktion, deren Nimbus von vorne herein reichlich schief zu hängen scheint. Die junge Österreicherin - Coup und Wagnis zugleich - bietet eine neue Variation der bedrohten Schönheit an, deren Modifikationen weniger aus der Anlegung resultieren, sondern ihrem eigenen Wesen zugrunde liegen. Selbstbewusstsein, ein offensiver Umgang mit dem anderen Geschlecht, Besonnenheit, sowie ein spitzer sarkastischer Humor, und fertig ist die neue Wallace-Hauptrolle, die sich in dieser Produktion leider nicht im erhofften Ausmaß bewähren kann, das so gut wie alle Anlagen der Charaktere mit einer eigenartigen Gefälligkeit oder unernsten Note behaftet sind. Eddi Arents britische Humor-Offensive - die allzu deutsch ausgefallen ist - scheitert mit dem Versuch, den Film maßgeblich zu beherrschen. Drückt man sämtliche Augen zu, fallen einem gewiss schlimmere Auftritte von seiner Seite auf. In die Riege der Humoristen reihen sich Eric Pohlmann und Christiane Nielsen als Ehepaar Minelli ein, bei denen die Trefferquote etwas höher ausgefallen ist, da ihre Pointen häufiger sitzen.Von Pohlmann selbst geht leider nicht die zu erwartende Brutalität aus, auch wenn er mit seinen Kontrahenten keine Gefangenen macht. Wiedersehensfreude gibt es mit Pinkas Braun, Sigrid von Richthofen oder einem exzellent aufspielenden Fritz Rasp, und auch Klaus Kinski überrascht mit einer nahezu dandyhaften Darbietung.

Das Ensemble funktioniert unterm Strich recht gut zusammen, obwohl man sich bei den Rollen der hinteren Kategorien vielleicht den ein oder anderen bekannteren Namen gewünscht hätte. Im Endeffekt kann man den Schauspielern nur des persönlichen Gustos wegen Vorwürfe oder Komplimente machen, denn alle beugen sich minutiös einer dramaturgischen Wunschvorstellung, die seinerzeit vielleicht als potenzieller Überraschungs-Coup angesehen wurde, doch unter Helmuth Ashleys spröder und wenig auf Atmosphäre bedachter Regie keine Chance auf ein Überfliegertum hatte. "Das Rätsel der roten Orchidee" ist in Windeseile dechiffriert, zumal es viel zu eindeutige Hinweise im Sinne von eklatanten Patzern bezüglich des großen Unbekannten zu finden gibt, was den obligatorischen Whodunit-Effekt unnötig verwässert. Da es von Gangstern nur so wimmelt, hätte es gerne zu einem wesentlich höheren Realitätstransfer kommen dürfen, auch zu brutalen Spitzen, doch hier wird der aufdringliche Humor zum Killer, dessen unnatürliche Betonung mehr als auffällig ist und die eigentliche zugunsten einer künstlich aufgeblasenen Atmosphäre unterwandert. Die Schwarzweiß-Fotografie setzt überwiegend spürbare Akzente, doch das Set ist im Allgemeinen unspektakulär, auch wenn viele Ortswechsel für Abwechslung sorgen. Glücklicherweise versehen mit einer Musik im Easy-Listening-Stil von Peter Thomas - der zum Virtuosen der Reihe avancieren sollte - entstehen gut begleitete und blendend unterstützte Phasen, vor allem, wenn es einmal actionreicher zugeht, da das Titelthema doch eine überaus heitere Note zu vermitteln versucht. Insgesamt gesehen bleibt "Das Rätsel der roten Orchidee" ein Friedhof der Gäste, da man vermutlich aufgrund des mangelnden Erfolgs von weiteren Verpflichtungen abgesehen hat, und so charakterisiert dieser neunte Rialto Film das Scheitern einer Idee wie kein anderer, wenngleich noch ähnliche Exemplare dieser Kategorie folgen sollten.

Auch die internationale Note will keinen entscheidenden Bonus verschaffen, aber Christopher Lees bester Wallace-Einsatz ist auch andernorts - wie etwa in "Das Geheimnis der gelben Narzissen" - zu finden. Am Ende bleibt ein kurzweiliges Krimi-Vergnügen, das eben eher auf das Vergnügen als auf nüchterne Kriminal-Inhalte zu setzen scheint, was sich in diesem speziellen Fall als halbwegs fatal herausstellen wird. Bei Wallace kommt es stets darauf an, was man vordergründig sehen möchte - wobei das sicherlich für die meisten Filme und Genres gilt - aber von daher besitzt eben jeder einzelne Vertreter auch das Potenzial, ein Top-Beitrag im persönlichen Wallace-Orbit werden zu können. "Das Rätsel der roten Orchidee" kann sich auf eine treue Anhängerschar verlassen, da die erkennbaren Ausreißmanöver als unkonventionell angesehen werden und eine humorige Note als geistreich eingestuft wird. Der Vergleich zu unmittelbaren Vorgängern führt zwar eine deutliche Abwechslung vor Augen, aber ebenso eine weich persiflierte Geschichte ohne besondere Finessen im Narrativ, was letztlich die nötige Ernsthaftigkeit vermissen lässt. In Teilen zeigt sich außerdem überdeutlich, dass Regisseur Ashley das Unternehmen rote Orchidee nicht immer fest im Griff hat, ansonsten wäre es nicht zu derartig eklatanten Patzern und unvorbereiteten Stilbrüchen gekommen. Vielleicht kann der Film die Kritik besser verschmerzen, als man denkt, und es bleibt eine Variation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, irgendwie gegen den Strom schwimmen zu wollen - wenn auch nur im vorhandenen Fahrwasser. Am Ende bleiben vor allem einige sehr ansprechende Interpreten in Erinnerung, die zwischen Gastspiel, Ausstand und Stammbesetzung agieren, und dem Verlauf die Nuancen und Impulse verleihen, die von der Regie nicht etabliert werden konnten. Was bleibt ist ein durchschnittlicher Kriminalfilm, der allerdings eine wesentlich längere Halbwertzeit besitzt, als zunächst angenommen.

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