HERRENPARTIE - Wolfgang Staudte

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
Antworten
Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3733
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

HERRENPARTIE - Wolfgang Staudte

Beitrag von Prisma »



HERRENPARTIE


● HERRENPARTIE / MUSKI IZLET (D|JUG|1964)
mit Götz George, Hans Nielsen, Rudolf Platte, Gerhard Hartig, Herbert Tiede, Gerlach Fiedler, Friedrich Maurer, Reinhold Bernt,
Olivera Markovic, Milena Dravic, Ljubica Janicijevic, Ivo Martinovic, Pavle Vuisic, Petar Matic, Dragomir Felba sowie Mira Stupica
eine Produktion der Neue Emelka | Avala Film | im Schorcht Filmverleih
ein Film von Wolfgang Staudte

Herrenpartie (1).jpg
Herrenpartie (2).jpg
Herrenpartie (3).jpg
Herrenpartie (4).jpg
Herrenpartie (5).jpg
Herrenpartie (6).jpg
Herrenpartie (7).jpg
Herrenpartie (8).jpg
Herrenpartie (9).jpg

»Der Führer bin ich!«


Ein deutscher Männergesangverein macht Urlaub in Jugoslawien. Die acht Männer sind mit einem Kleinbus unterwegs, dem in einem abgelegenen Dorf plötzlich das Benzin ausgeht. Dort leben zu ihrer Verwunderung nur in Schwarz gekleidete Frauen, die ihnen weder mit Treibstoff noch Verpflegung weiterhelfen wollen. Die Urlauber quartieren sich in einer verlassenen Pension ein, doch die Bewohnerinnen fühlen sich durch ihre bloße Anwesenheit und den Klang deutscher Volkslieder bis aufs Blut provoziert. Die Gruppe rund um den Major a.d. Friedrich Hackländer (Hans Nielsen) wartet auf Hilfe aus der nahe gelegenen Stadt, doch einige Fehlentscheidungen der Herren lösen eine Kettenreaktion aus reaktionärem Verhalten und Hass aus, bis die Situation endgültig eskaliert...

Der unscheinbar und sich beinahe nach einem Lustspiel dieser Zeit anhörende Titel "Herrenpartie" konfrontiert das interessierte Publikum mit einem dynamischen Verlauf, der zwar letztlich in die Sparte der schwarzen Satire mit allerlei diskreten Brauntönen fällt, allerdings auch empfindliche Anleihen der klassischen Tragödie bereit hält. Inszeniert von Regisseur Wolfgang Staudte, bekommt man eine gestochen scharfe Sektion von Ressentiments, Emotionen und eklatanten Fehlentscheidungen geboten, die in landläufige Klischees getränkt werden, um einen überzeugenden Transfer in die Realität anzubieten. Ein deutscher Männerchor bricht in die Ferne des populären Auslands auf, möchte einige schöne und unbeschwerte Tage verbringen, allerdings nicht, ohne sich ein kollektives Schulterklopfen abzuholen. Dem Vernehmen nach wäre der Tourismus wesentlich besser bedient, wenn alle so ehrenvoll und aufmerksam wären, wie diese ungleiche Truppe, die zwar viel Zeit miteinander zu verbringen scheint, aber zum größten Teil noch per Sie untereinander ist. Als der geplante Weg nicht wie gewünscht weiter führt, wird kurzerhand pausiert und die kultivierten Herren pissen erst einmal in die Prärie, vermutlich um zu markieren und ohne sich dabei zu genieren, schließlich ist man im sogenannten Hinterland. Es ist erstaunlich und völlig peinlich zugleich, dass sich Wolfgang Staudte nicht scheut, den deutschen Touristen so darzustellen, wie er wirklich ist. Man erkennt ihn in der Regel auf einen Kilometer Entfernung, alleine schon wegen des bürokratisierten Auftretens und des uniformen Aussehens. Der Vorspann teilt die deutschen Schauspieler und jugoslawischen Schauspielerinnen in Fraktionen der beiden Produktionsländer ein, was bereits zu Beginn einen bedeutenden Clash andeuten will. Die Leistungen der Interpreten sind außergewöhnlich, überzeugend und mitreißend. Während sich die unfreiwillig gestrandeten Herren immer mehr in die Bredouille bringen, kann man dabei zusehen, wie die Frauen langsam aber sicher die Nerven in aller Stille verlieren, weil der Hass alleine aufgrund der deutschen Sprache wieder hochkocht und niemals verheilte Wunden wieder aufreißt.

Das Problem bei der Konfrontation ist letztlich nicht einmal vordergründig die Sprachbarriere, sondern die Borniertheit, eine unerträgliche Überheblichkeit und der blinde Hass. Es scheint keine Kompromissmöglichkeiten zu geben. Die Deutschen sind der Meinung, dass sie alles bekommen können, solange sie ausgiebig dafür bezahlen, was auch bei jeder Gelegenheit betont wird, doch sie begreifen nicht, dass sie schlicht und einfach unerwünscht sind. Dies führt zu einer eigenartigen kollektiven Übereinstimmung, dass man die militant wirkenden Frauen vom Gegenteil und der persönlichen Ansicht überzeugen müsste. Der Gipfel bei dieser Wiedergutmachungstournee ist allerdings die Tatsache, dass man mit durch und durch deutschen Methoden vorzugehen pflegt, die die Gegenseite selbst bei Wohlgesonnenheit nicht verstehen könnte. "Herrenpartie" wurde seinerzeit mit sehr guten Kritiken bedacht und der Film wurde im Jahr 1964 zu den offiziellen Filmfestspielen in Cannes eingeladen, was die Regierung der Bundesrepublik jedoch nachdrücklich ablehnte. Dennoch erhielt die Produktion etliche Auszeichnungen, nicht zuletzt, weil es sich um eine bemerkenswerte Aufarbeitung deutscher, beziehungsweise allgemeiner Kriegsschuld handelt, die allerdings fast geistreich und versöhnlich dechiffriert und zu einem überraschenden Ergebnis gebracht wird. Die Frauen des Dorfes debattieren permanent über das weitere Vorgehen und mögliche drastische Methoden, orientieren sich dabei allerdings an der Gegenwart. Die Herren der Schöpfung werden aufgrund des aktuellen Zwangs zum Nichtstun dazu genötigt, ihre Vergangenheit widerwillig aufzuarbeiten und es kommt kaum einer von ihnen als strahlender Held davon. Wolfgang Staudte legt in Salz getränkte Finger in klaffende Wunden, die durch Stillschweigen und Ignoranz geheilt werden sollten. Als die Einigkeit unter den Männern zu bröckeln beginnt, könnte man meinen, dass es zu einer Kehrtwendung kommt, aber das Gegenteil ist der Fall und alles schlägt in eine reaktionäre Jetzt-erst-recht-Attitüde um.

Die Schauspieler der deutschen Seite spielen beherzt und ungeniert auf, sodass man zu hervorragenden Ergebnissen kommt. Hans Nielsen als Wortführer und ehemaliger Major verhält sich wohl wie er es immer gewöhnt war, verlangt sich dabei einen verkappten Respekt von seinen Sangeskollegen ab. Lediglich sein Sohn Herbert alias Götz George stellt sich mit feiner Ironie aber auch deutlicher Provokation gegen jegliches Tun und konservative Ansichten, kommt einem dabei wie ein Fremdkörper oder im Mindesten wie ein Außenseiter vor; eine Rolle die man George gerne abnimmt und die überzeugend vorgetragen wird. Nicht zuletzt seine Kompromissbereitschaft und authentische Art wird der Truppe noch entscheidend weiterhelfen. Des Weiteren agieren Gerhard Hartig, Herbert Tiede und Gerlach Fiedler hervorragend und nehmen die überspitzende Herausforderung ebenso wie Rudolf Platte, Friedrich Maurer und Reinhold Bernt an. Es ist sagenhaft, wie die Männer sich gegenseitig hochschaukeln und sich von Grund auf nicht respektieren. Das weibliche Pendant kommt in Form einer geballten Ladung einheimischer Interpretinnen und als kollektiver Vorwurf in das herrlich fotografierte Szenario. Mira Stupica und Nevenka Benković wurden für ihre Interpretationen mit dem Deutschen Filmpreis in Gold ausgezeichnet und insbesondere Stupica hinterlässt einen bleibenden Eindruck als personifizierte Schwerst-Anklage. Die Frauen sprechen in ihrer Landessprache, was in Deutsch untertitelt wird. Wenn sich die Situation genügend hochgekocht hat und Wolfgang Staudte droht, das Geschehen genüsslich in eine Katastrophe münden zus lassen, ist man als Zuschauer auf alles und vor allem das Schlimmste gefasst. "Herrenpartie" ist ein leider in Vergessenheit geratener Film von ungewöhnlichem Karat, der sowohl inszenatorisch als ach darstellerisch absolut hervorragend gelöst ist und zum Nachdenken animiert, ohne den Zuschauer mit einer quälenden und nicht zu lösenden Absolution zu konfrontieren. Die schwere der Thematik, gekoppelt mit der Leichtigkeit der Inszenierung, ist am Ende nur als Meisterleitung zu bezeichnen.

Antworten