ZIMMER 13 - Harald Reinl

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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ZIMMER 13 - Harald Reinl

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● ZIMMER 13 / L'ATTAQUE DU FOURGON POSTAL (D|F|1963/64)
mit Joachim Fuchsberger, Karin Dor, Richard Häussler, Walter Rilla, Siegfried Schürenberg, Kai Fischer,
Erik Radolf, Kurd Pieritz, Benno Hoffmann, Bruno W. Pantel, Rena Horten, Hans Clarin und Eddi Arent
ein Rialto Film Preben Philipsen | Societé Nouvelle de Cinématographie | im Constantin Filmverleih
ein Film von Harald Reinl

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»Macht die Ratte fix und fertig!«


Der soeben aus dem Gefängnis entlassene Gangster Joe Legge (Richard Häussler) sucht den Unterhausabgeordneten Sir Robert Marney (Walter Rilla) auf, um ihn mit einem dunklen Punkt aus dessen Vergangenheit zu erpressen. Mit seinen Komplizen plant Legge einen großen Coup und verlangt die Beute in Millionenhöhe bei Marney zu deponieren, bis sich die allgemeine Aufregung wieder gelegt hat. Sollte er sich weigern, würde seiner Tochter Denise (Karin Dor) etwas zustoßen. Marney beauftragt den Privatdetektiv Johnny Gray (Joachim Fuchsberger), seine Tochter zu schützen, doch parallel geraten alle Beteiligten in eine Serie von Frauenmorden, die mit einem Rasiermesser getätigt werden...

Für Regisseur Harald Reinl stellte dieser 18. Wallace-Krimi seine vierte von insgesamt fünf Regie-Arbeiten für die Reihe dar, die er im Jahr 1959 mit dem Debüt- und Erfolgsfilm "Der Frosch mit der Maske" begonnen hatte. Rein inszenatorisch und formell gesehen, hat man es zweifellos mit seiner schwächsten Wallace-Regie zu tun, wenngleich es auch an den Grundvoraussetzungen des Ausgangsmaterials liegen mag, dass der Film sich dem Empfinden nach weit weg bewegt von der Kontinuität und hauseigenen Konkurrenz. Die Geschichte orientiert sich trotz gleichnamiger Romanvorlage an aktuellen Geschehnissen, wie hauptsächlich dem großen Raub des Postzuges London-Glasgow aus dem Jahr 1963, stellt daher einen größeren Transfer zur Realität her, als Reinls übrige Filme. Gleichzeitig und aus diesem Grund fallen aber auch etliche Stilmittel, wie groß angelegter Grusel oder Horror-Elemente weg, die stets eine Mystik nach Art des Hauses Reinl dargestellt haben. Die Story gibt derartiges in diesem Fall einfach nicht her, und man muss versuchen, sich mit dem Ergebnis von anderer Seite und mit unterschiedlicher Herangehensweise anzufreunden, was aus zahlreichen Gründen nicht besonders schwer ist, da wichtige Elemente der Reihe ausfindig zu machen sind, die den Zuschauer aus der Reserve locken können. Neben dem thematisch vereinnahmenden Postraub und der Veranschaulichung dessen minutiöser Planung, treibt ein brutaler Frauenmörder sein Unwesen, was die nötige Prosa mit sich bringt. In dieser Produktion ist es mehr als ersichtlich, dass man eine beton andere Marschrichtung einschlagen wollte, was sich vom Anfang bis zum Finale zeigt. Neuerungen müssen naturgemäß nicht immer die schlechteste Wahl sein, können sich aber wie in diesem Fall mit dem gemeinen Publikumsinteresse beißen, was sich hier allerdings nicht unbedingt in den Besucherzahlen abbilden wollte.

Fakt ist, dass Regisseur Reinl erneut seine Felxibilität unter Beweis stellt, indem er sich oft unvorhersehbar auf neue Gegebenheiten einstellt. Gerade bei "Zimmer 13" ist dies anerkennungswürdig, egal wo der Film im persönlichen Ranking rangieren mag. Die Gesamtwirkung des Films ist in vielerlei Hinsicht etwas steril und vergleichsweise weniger aufwändig, was auch an den Sets liegt, sodass unterm Strich eine teilweise Vernachlässigung wichtiger Details zurück bleibt. Gleich die anfängliche Mordszene am Bahndamm hätte wesentlich eindringlicher und somit effektiver gestaltet werden können. Dennoch entfaltet sich quasi eine Art Kopfkino, denn der Tod durch das Rasiermesser wirkt grausam. Der in Schwarzweiß gedrehte Film verfügt über einen schönen Farbvorspann, wie es seit "Das indische Tuch" Mode geworden war. Im frühen Verlauf steht das Kennenlernen auf dem Tableau, auch wird ausbuchstabiert, wer auf wessen Seite steht. Es ist allerdings so, dass sich in dieser Frühphase beinahe ein wenig Langeweile einschleicht, da Harald Reinl es sozusagen mit einem für den Film nicht gerade unwichtigen Leerlauf versucht, da die Karten gemischt werden. Spätestens wenn die Maschinerie um die Gangsterbande in Gang gekommen ist und der nächste Frauenmord geschieht, verläuft das Ganze wesentlich flüssiger, oder eben so, wie im Vorfeld angenommen, sodass sich "Zimmer 13" zu einem mit spannenden Phasen gespickten Wallace entwickeln kann, der noch so manche Überraschung über Niveau bereit halten wird. Als Gegenpol für so viel kriminelle Energie von gleich mehreren Seiten, kommt es zu einem übermäßig prominenten Etablieren einer Art Humor, der dem doch ernsthaft angelegten Verlauf eher schadet, als dass er ihm förderlich wäre. Für diese oft vollkommen überdrehten Expertisen ist erneut Eddi Arent zuständig, der zwar stets unterschiedliche Rollen innerhalb der Reihe übernahm, aber dennoch oft Identisches lieferte.

In anderen Beiträgen wirkt seine Interpretation von Klamauk verschmerzbarer als hier, doch glücklicherweise entwickelt sich noch eine angenehme und der Geschichte förderliche Dynamik, die ihre Erfüllung während der gesamten Ermittlungen findet. Diese Riege wird durch Siegfried Schürenberg erweitert und abgerundet, der als Sir John bereits eine Marke darstellt. Schürenbergs Pointen sind dezenter, aber von ihrer Qualität auch gleichzeitig bissiger, sodass er die Lacher mehr auf seiner Seite haben wird als Kollege Arent. Überhaupt ist diese in deutsch-französischer Kollaboration entstandene Produktion ansehnlich besetzt, zumal mit Joachim Fuchsberger und Karin Dor eines der beliebtesten Krimi-Paare auftritt und man neben aller Routine und Sicherheit eine spürbar simulierte Zuneigung erkennen kann. Wer könnte eine derartig determiniert wirkende Romanze schon in Zweifel ziehen? Ungewöhnlicherweise tut es die Regie immer wieder in Etappen und auf eine sehr aufs Spiel setzende Art und Weise; eine Art des Nervenkitzels, den man zwischen beiden Interpreten noch nicht zu sehen bekam, wenngleich sich eine ähnlich ambivalente Geschichte bereits unter Reinl in "Der Fälscher von London" abspielen konnte, wo das Augenmerk, beziehungsweise die eklatante Schwachstelle nicht wie hier beim weiblichen Part auszumachen war. Weitere gute Auftritte liefern Richard Häussler, Walter Rilla, Kai Fischer oder Hans Clarin. Als gerade auf freien Fuß gesetzten Gangster Joe Legge sieht man den Münchner Interpreten Richard Häussler leider in einem seiner letzten Filme. Seine Vehemenz und Kaltschnäuzigkeit ergeben ein angemessenes Profil für den eigentlichen Drahtzieher der Kriminalität. Sein unfreiwilliger Kontrahent - der Unterhausabgeordnete Sir Robert Marney - blendend dargestellt von Walter Rilla, erstarrt wie das Kaninchen vor der Schlange. Seine Verzweiflung nimmt häufig gegensätzliche Züge an, indem sie in einen Befehlston umschlägt.

Bei den relevanten Damen ist die attraktive Kai Fischer zu sehen, die vor allem im Zusammenspiel mit Hans Clarin glänzen kann. Die beiden hassen sich offensichtlich wie die Pest und es kommt zu netten Wortgefechten, die die ohnehin aufgeheizte Atmosphäre zusätzlich begünstigt. Hinten heraus hätte man sich vielleicht noch ein paar mehr prominente Namen gewünscht, doch unterm Strich überzeugt die Besetzung bis auf wenige Abstriche. Der Titel "Zimmer 13" - der einer Romanvorlage von Edgar Wallace zugrunde liegt - entpuppt sich übrigens als wenig aussagekräftig, sodass man einräumen muss, dass ein eventueller Bezug auf die Frauenmordserie vielleicht besser gezogen hätte. Das besagte Zimmer, dem Anschein nach nicht mehr oder weniger als eine Art Konferenzraum, Hotelzimmer oder gemacht fürs Séparée, bleibt ohne jegliche Atmosphäre zurück. Dorthin werden zwar die Personen einbestellt, die gefügig gemacht werden sollen, doch außer Säbelrasseln oder Drohgebärden passiert nicht wirklich viel in diesen vier Wänden, die über einen dicken Tresorraum verfügen, wo sich die tatsächlichen konspirativen Machenschaften abspielen. Es wirkt schließlich so, als habe Rgisseur Harald Reinl nicht intensiv genug über das Potenzial seines Filmtitels nachgedacht, sodass etwas Unspezifisches und Banales zurückbleibt. Ausgestattet mit einer wieder einmal blendenden Musik von Peter Thomas, kommt Fahrt an den richtigen Stellen auf, wobei es einfach grundlegend an Action fehlt. Zu zähe Intervalle und nervenaufreibende humorige Phasen verwässern den sonst gut aufgebauten Verlauf, doch wie so oft werden es die Wallace-Veteranen mit ihren routinierten Darstellungen schon richten. "Zimmer 13" ist und bleibt ein Prototyp der vertanen Chancen unter zahlreichen Neuerungen, die grundlegend interessant wirken. Am Ende bleibt die Frage bestehen, ob ein durchschnittlicher Reinl überhaupt ein guter Wallace sein kann, aber das kann jeder Fan der Filme nur für sich selbst beantworten.

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