DIE SELTSAME GRÄFIN - Josef von Báky

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DIE SELTSAME GRÄFIN - Josef von Báky

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● DIE SELTSAME GRÄFIN (D|1961)
mit Joachim Fuchsberger, Brigitte Grothum, Marianne Hoppe, Rudolf Fernau, Richard Häussler, Eddi Arent, Edith Hancke, Fritz Rasp,
Reinhard Kolldehoff, Werner Buttler, Alexander Engel, Albert Bessler, Kurt Jaggberg, Eva Brumby sowie Klaus Kinski und Lil Dagover
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Constantin Filmverleih
ein Film von Josef von Báky

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»Ich bin es wieder, die Stimme!«


Margaret Reddle (Brigitte Grothum), die Sekretärin des Rechtsanwalts Sheddle (Fritz Rasp), wird seit einiger Zeit durch bizarre Drohanrufe belästigt, für die offenbar immer ein und derselbe Mann verantwortlich ist. Noch bevor sie ihre neue Stelle bei Gräfin Eleonora Moron (Lil Dagover) antreten kann, werden Mordanschläge auf die junge Frau verübt, die sich die Vorkommnisse einfach nicht erklären kann. Ihr letzter Auftrag durch die Kanzlei Sheddle bringt etwas Licht in die dunkle aber ebenso gefährliche Angelegenheit, denn sie erfährt, dass sie die Tochter einer verurteilten Mörderin sein soll. Stehen die Anschläge mit dieser unglaublichen Entdeckung in Zusammenhang..?

In der langjährigen Edgar-Wallace-Reihe findet sich vielleicht kein zweiter Wallace-Film, der sich wie Josef von Bákys "Die seltsame Gräfin" so offenkundig an der glorreichen, alten Ufa-Zeit orientiert, intervallweise sogar bedient, um sozusagen mit rückwärtsgewandt wirkenden Innovationen aufzufallen. Diese achte Produktion aus dem Hause Rialto Film entfernt sich thematisch gesehen ein wenig von seinen Artgenossen, ohne dabei jedoch das Gesetz der Serie zu unterbrechen. Das Allerweltsthema der jungen bedrohten Schönheit stellt keine neue Erfindung dar, wird hier allerdings durch die Vergangenheit und die Gegenwart sachdienlich erweitert, die beide von mysteriöser Natur zu sein scheinen. Zwar findet sich auch hier eine Titelrolle, die erst in Verbindung mit ihrer Hauptdarstellerin an Brisanz gewinnt. »Lil Dagover, endlich wieder in einer überragenden Rolle!«, kündigt der deutsche Kinotrailer vollmundig und überaus selbstbewusst an, und rückt die Ufa-Legende in den vollkommen verdienten Fokus und noch mehr: Da Dagover in jenen Jahren zwar nicht vollkommen untätig war, aber als eine der berühmtesten Schauspielerinnen Deutschlands nur vergleichsweise selten im Kino und Fernsehen in meist untergeordneten Rollen zu sehen war, ist es schon eine ordentliche Schlagzeile wert, dass dieser Film am Ende Lil Dagover gehören wird; ein Privileg, das weniger vom Innehaben der bloßen Titelrolle ausgeht, sondern der Strahlkraft und Aura eines ehemaligen Stummfilmstars, dessen Karriere sich bereits über Jahrzehnte erstreckte. Obwohl die Szenen der geheimnisvoll wirkenden Interpretin zunächst nur übersichtlich erscheinen, kommt es plötzlich zu einer logischen Vereinnahmung des Szenarios, nicht zuletzt wegen des kryptisch klingenden Filmtitels, der wie eine verheißungsvolle Ankündigung klingt und durch Josef von Bákys klassischen Regiestil angeheizt wird.

Seine eigene Vorstellung und Kreation mit der der seltsamen Gräfin scheint sich komplett mit jener von Lil Dagover zu decken, denn Set, Optik und In Szene Setzen gehen eine interessante Symbiose mit Wort, Tat und Körpersprache ein, die bis dato beispiellos geblieben ist. Diesem Beitrag liegt abwechslungsweise eine alte Geschichte zugrunde, sodass die Vergangenheit zum dominierenden Element werden kann, welche die Gegenwart immer mehr zu verschlucken scheint, beziehungsweise die Zukunft beeinflussen will. Ein angestaubter Fall mit der reißerischen Schlagzeile Giftmord bedroht die junge Protagonistin in zunächst nicht zu entschlüsselnder Art und Weise, bis sich erschließt, dass Josef von Báky zwei unterschiedliche Handlungsstränge zusammen zu führen versucht. Hin und wieder wirkt dieses Verweben dieser Elemente etwas ungeschickt zu sein, aber man verfolgt die Story mit Spannung, da es genügend Personen von Sympathieträgern bis mysteriösen Zeitgenossen zu finden gibt, die sich jeweils profilieren können. Ein Privatdetektiv hat die ganze Last eines Falles zu tragen, der offensiv ins Nebulöse verfrachtet wird. Die Brisanz ist an den schnell aufeinander folgenden Mordanschlägen zu erkennen, die wenig linear vonstatten gehen, sondern eher impulsiv. Mit einem beunruhigenden Klaus Kinski, mit dessen Geisteszustand es offensichtlich nicht zum Besten steht, ist der ausführende Arm der geheimnisvollen Aggression schnell ausgemacht, doch der Drahtzieher bleibt geduldig im Off. Bevor allzu viel Verwirrung beim Publikum einsetzen kann, werden entscheidende Hinweise geliefert, die in ein Zuchthaus, eine Irrenanstalt und das Schloss der seltsamen Gräfin führen. Regisseur von Báky versteht es, für Atmosphäre in den Kulissen zu sorgen, wenngleich so manche Szene etwas antiquiert anmuten will, wenn auch in völlig charmanter Art und Weise.

So inszeniert er seine Titelrolle manchmal wie in einem Stummfilm, sodass Lil Dagover nur ihr Übriges dazu tun muss, sprich: Routine und Aura abrufen. Diese entrückt wirkenden Blideindrücke entfalten sich erstaunlich gut und drücken der Produktion, die oft über eine spürbare Destruktivität verfügt, die sich aus der Umgebung und einigen Charakteren ergibt, ihren unverkennbaren Stempel auf, genau wie es Dagover tut, die sich als Star der Produktion versteht und eine vergleichsweise völlig andere Auffassung von der Präsentation einer Rolle hat. Große Gesten, auffallende Gebärden, prononcierte Dialoge und Wortspitzen und pointierte Abgänge zählen zum Repertoire der Schauspielerin, die ihre Karriere bereits im Jahr 1913 begann. Neben Kollegen der älteren Garde, wie Fritz Rasp, Rudolf Fernau oder Marianne Hoppe, etabliert sich deswegen eine wesentlich frischer wirkende junge Generation, die zwar nicht über die selbe Erfahrung verfügt, aber dennoch ihre eigene und ganz spezielle hat, und sei es aus Wallace-Filmen. Joachim Fuchsberger als Mann der ersten Wallace-Stunde stellt hier in seinem fünften Auftritt in der Serie bereits eine der besonderen Größen dar, sodass erst kein Zweifel aufkommen will, dass er diesen verschachtelten Fall nicht entschlüsseln kann. In seinen Fokus rückt Brigitte Grothum als Sekretärin Margaret Reedle, um die sich ein immer größer und unüberschaubarer werdender Radius der Gefahr bildet. Der Zuschauer kennt diese personifizierte Bedrohung namens Klaus Kinski sehr gut, da er gleich zu Beginn durch einen Nerven aufreibend inszenierten Telefon-Terror auffällt. Sehr bald häufen sich die Mordanschläge auf die dynamisch und glaubhaft aufspielende Brigitte Grothum, die wie einer der Prototypen der bedrohten Schönheit wirkt. Sie und Joachim Fuchsberger passen dem Empfinden nach besonders gut für das entstehende "L'amour toujours" zusammen.

Doch die natürliche Findung wird durch etliche Personen gestört und unterwandert. Renommierte Stars der alten Schule statten das Geschehen mit Klassik aus. So sieht man Marianne Hoppe in einer stilsicheren, wenn vielleicht auch eher ungewohnten Rolle als Spielball, der sich der schraubzwingenartigen Situation entledigen muss. Richard Häussler, Fritz Rasp und Rudolf Fernau überzeugen in maßgeschneiderten Rollen; vor allem im Rahmen der Dialoge bekommt das Publikum besondere Leckerbissen geboten. Edith Hancke und Eddi Arent stehen ein wenig für die traditionelle Auflockerung zwischen so viel Kinski, so wenig Mord und so viel Geheimnis, doch über allem thront Lil Dagover in einer ihrer hoheitsvollsten Rollen der 60er Jahre. In feinsten Roben und im Stil einer Dame von Welt, dominiert sie ihre Szenen, falls es die Dramaturgie zulässt, sodass man von nichts anderem als einem besonderen Coup für den Film und die gesamte Reihe sprechen kann. Trotz Psycho-Terror, Geheimnissen und ein paar wenigen Toten, erlaubt sich das Geschehen den Luxus entschleunigter Phasen und aristokratischer Gemächlichkeit, aber es kommt nie wirklicher Leerlauf auf, sodass das treue Walalce-Herz auch hier höher schlagen darf. Für die musikalische Komposition zeigt sich erstmals Peter Thomas verantwortlich, der zum prägenden Komponisten der Serie avancieren sollte. Für Josef von Báky war "Die seltsame Gräfin" übrigens sein letzter Film überhaupt und der Überlieferung nach kam es während der Dreharbeiten zu einer Erkrankung des Regisseurs, sodass sein damaliger Assistent Ottokar Runze und Jürgen Roland, der bereits zwei Wallace-Filme inszenierte, zeitweise die Spielleitung übernahmen. Innerhalb der hausinternen Konkurrenz kann diese Produktion je nach Gusto zu den Top-Beiträgen der Reihe gezählt werden und verfügt über eine ganz spezielle Aura, die sich in den wichtigen Momenten etablieren kann.

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