DER GEISTERZUG - Rainer Wolffhardt

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
Antworten
Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3768
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

DER GEISTERZUG - Rainer Wolffhardt

Beitrag von Prisma »



DER GEISTERZUG


● DER GEISTERZUG (D|1957) [TV]
mit Karl Georg Saebisch, Kurt Haars, Otto Stern, Sonja Sutter, Günther Neutze, Käthe Lindenberg, Manfred Böhm, u.a.
eine Produktion des Süddeutschen Rundfunks
ein Film von Rainer Wolffhardt

Der Geisterzug (1).jpg
Der Geisterzug (2).jpg
Der Geisterzug (3).jpg
Der Geisterzug (4).jpg
Der Geisterzug (5).jpg
Der Geisterzug (6).jpg
Der Geisterzug (7).jpg
Der Geisterzug (8).jpg
Der Geisterzug (9).jpg

»Platzkarten für den Geisterzug leider ausverkauft!«


Sechs Reisende kommen als Endstation an einem verlassenen und unheimlichen Bahnhof, an den in absehbarer Zeit kein Anschlusszug mehr kommen soll. In einem ungemütlichen Wartesaal versuchen sie das Beste aus der unangenehmen Situation zu machen, doch es liegen Spannungen zwischen den Passagieren in der Luft. Der Bahnhofsvorsteher (Karl Georg Saebisch) heizt die ohnehin gereizte Stimmung mit seiner Erzählung von einem Geisterzug an, der in jeder Nacht mit vorbeifahren soll, seitdem sich vor etlichen Jahren ein ungeklärter Mordfall ereignete. Was die meisten der unfreiwilligen Gäste als Räuberpistole abtun, soll schon bald Realität werden...

In einer schier unendlich wirkenden Riege deutscher TV-Produktionen lassen sich immer wieder Überraschungen, beziehungsweise Underdogs finden, die am Ende mehr offenbaren, als zunächst angenommen. Rainer Wolffhardts Gruselkrimi "Der Geisterzug" gehört sicherlich zu den gelungeneren Überraschungen, zumal sich im Vorfeld ein eher unscheinbares Profil aufdrängen wollte, was vielleicht am Stab gelegen haben mag. Der in Schwarzweiß gedrehte Fernsehfilm überzeugt vor allem in den Bereichen der atmosphärischen Dichte und einiger Twists, sodass es zu zahlreichen Momenten der Aha-Effekte kommt, die in Erinnerung bleiben und die Geschichte letztlich originell erscheinen lassen. Eine bunt zusammengewürfelte Reisegesellschaft ist gezwungen, eine Nacht in einem ungemülichen Bahnhof zu verbringen, in welchem nichts von dem Komfort zu finden ist, den die meisten von ihnen offenbar gewöhnt sind. Die charakterlichen Unterschiede werden von den Interpreten sicher und oft überspitzt herausgearbeitet, auch für humorige Untertöne bleibt Zeit, um die womöglich nervenzerreißenden Intervalle etwas zu entschärfen. Es ist erstaunlich, dass die gerade einmal einstündige Produktion es spielend schafft, eine unheimliche Atmosphäre zu kreieren, die obendrein in den richtigen Momenten greift und für atemlose Szenen sorgt, beispielsweise als der vermeintliche Geisterzug einfährt, oder als totgeglaubte ihr Unwesen am Bahnsteig treiben. Um die nervöse Stimmung anzulegen, fungiert Karl Georg Saebisch als Geschichten-Erzähler, der en detail berichtet, was sich seinerzeit aber vor allem Nacht für Nacht zugetragen hat.

Projektionsflächen für Hysterie und Angstzustände sind hier ausschließlich die beteiligten Damen, die ihren blasierten Ehemännern oder Bystanders auf die Nerven gehen, bis sich die Situation zuspitzt, als eine Leiche gefunden wird. Die Frage, mit der sich das Publikum fortwährend beschäftigen wird, ist natürlich, ob sich hier tatsächlich übernatürliche Dinge abspielen, oder ob man es mit ganz profanen Gründen aus der Krimiwelt zu tun hat. Regisseur Rainer Wolffhardt spielt geschickt mit dieser allgegenwärtigen Fragestellung und positioniert etliche Personen nur zum Schein völlig klar, um für Twists in der unbeheizten Einöde zu sorgen. Bei den Interpreten stechen insbesondere Günther Neutze, Sonja Sutter, Käthe Lindenberg, Hans-Walter Clasen oder Karl Georg Saebisch hervor, da sie alle auf eine spezielle Art und Weise auffallen oder strapazieren. Das Setting wird im Verlauf noch durch drei weitere Personen erweitert, die vielleicht weniger für Verwirrung als Hysterie sorgen. "Der Geisterzug" funktioniert schlussendlich mit den einfachen und sicherlich eingeschränkten Mitteln, die eine TV-Produktion herzugeben weiß. Dabei ist die Simulation einer spürbaren Aura mehr als erstaunlich, sodass sich leichte Schauer anbahnen können. Unterstützt mit hilfreichen musikalischen oder akustischen Impulsen und sachdienlichen Dialogen, entfaltet sich ein passabler Eindruck, der bis zum effektvollen Finale aufrecht erhalten werden kann. Sicherlich wirken hier viele Inhalte mittlerweile ziemlich überholt oder vielmehr angestaubt, überzeugen kann diese Grusel-Geschichte aber dennoch, zumal Überraschungseffekte geboten werden, die kaum zu erwarten waren.

Benutzeravatar
Sid Vicious
Beiträge: 1931
Registriert: So., 01.11.2020 12:30
Wohnort: King´s Road 430

Re: DER GEISTERZUG - Rainer Wolffhardt

Beitrag von Sid Vicious »

Das war nach SCHACH DEM ROBOTER (November 2011) und SPUK IM MORGENGRAUEN (Februar 2012) meine dritte Pidax DVD.

Auch wenn bei DER GEISTERZUG vieles angestaubt wirkt, ist es genau das, was mir gefällt. Sollte ich die Gelegenheit erhalten, umwiderruflich die jetzige Zeit zu verlassen und ins Jahr 1957 zurückreisen dürfen, um fortan dort zu leben, dann würde ich gar eine vierstellige Summe für diese Fluchtoption springen lassen.

Was den Film angelangt: Ich habe Notizen entdeckt, die ich vor 10 Jahren zu Word-Papier brachte. Die gröbsten 3 oder 4 Fehler habe ich eben korrigiert.
► Text zeigen
BildBildBildBildBild

Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3768
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: DER GEISTERZUG - Rainer Wolffhardt

Beitrag von Prisma »

Sid Vicious hat geschrieben:
Di., 09.08.2022 11:10
Das war nach SCHACH DEM ROBOTER (November 2011) und SPUK IM MORGENGRAUEN (Februar 2012) meine dritte Pidax DVD.

Beim Herauskramen der DVD habe ich mich auch gefragt, die wievielte DVD von Pidax es für mich war. Ich kann es nicht mehr genau sagen, schon gar nicht, wie viele es heute sind, muss aber auch eine der ersten gewesen sein. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich wegen der Besetzung zunächst etwas gezögert hatte, denn die 50er Jahre sind nicht mein ausgesprochenes Steckenpferd, aber der schmackhafte Titel dürfte mich dann letztlich überzeugt haben. Überrascht war ich vor allem wegen der Atmosphäre und dass man diesen TV-Film überhaupt herausgebracht hatte. Dass es gewisse Ungereimtheiten gibt, liegt vielleicht daran, dass Übernatürliches mit Weltlichem verknüpft werden muss, da kommt es oftmals zum Stottern. Aber wie gesagt, die überraschenden Momente sind letztlich anzuerkennen.

Benutzeravatar
Sid Vicious
Beiträge: 1931
Registriert: So., 01.11.2020 12:30
Wohnort: King´s Road 430

Re: DER GEISTERZUG - Rainer Wolffhardt

Beitrag von Sid Vicious »

Gestern geschaut und ... DER GEISTERZUG hat gezündet.

Günther Neutze ist stets für einen Brüller gut und provoziert mit Wonne. Die Dispute zwischen ihm und dem Knickerbockerträger sind köstlich. Die füllige Dame und ihr Papagei konnten mir auch einige Schmunzler abgewinnen. Im letzten Drittel wird es mir allerdings ein wenig zu hektisch, etwas weniger Tempo und etwas mehr Tiefe, bei der Vorstellung der finalen Figuren, hätten nicht schaden können. Egal - Flair, Pfiff und Biss hat DER GEISTERZUG allemal und die 60 Minuten Spielzeit waren im Nu verstrichen. S/W Filme mit Zügen und einem Hauch Grusel haben was. DER SCHLAFWAGENMÖRDER hat mir dito gut gefallen.
BildBildBildBildBild

Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3768
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: DER GEISTERZUG - Rainer Wolffhardt

Beitrag von Prisma »



Als ich den Film das erste Mal zwischen den Fingern hatte, dachte ich mir beim Blick auf die geringe Spielzeit, dass es bestimmt nicht viel werden kann, weil es zu wenig Raum gibt. Aber die knappe Stunde passt hier erstaunlich gut, andernfalls hätten sich bestimmt mehrere Längen eingeschlichen. So fand ich auch die überspitzt wirkende Hektik nicht so tragisch. Filme dieser Art, also bevorzugt mit dem nützlichen Vakuum Zug, mach ich auch sehr gerne. "Der Schlafwagenmörder" war seinerzeit ein richtiger Überraschungs-Coup für mich.

Antworten