NEUES VOM HEXER - Alfred Vohrer

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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NEUES VOM HEXER - Alfred Vohrer

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● NEUES VOM HEXER (D|1965)
mit Heinz Drache, Barbara Rütting, Brigitte Horney, Margot Trooger, Eddi Arent, Siegfried Schürenberg, Klaus Kinski,
Hubert von Meyerinck, Karl John, Robert Hoffmann, Heinz Spitzner, Kurt Waitzmann, Gisela Hahn und René Deltgen
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Constantin Filmverleih
ein Film von Alfred Vohrer

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»Wie zerbricht man, wie zerstört man, wie tötet man?«


In London sorgt die Ermordung des vermögenden Lord Curtain (Wilhelm Vorwerg) für Schlagzeilen, vor allem, da der mutmaßliche Täter seine Visitenkarte am Ort des Geschehens platziert haben soll. Darauf zu sehen ist lediglich ein unscheinbares "H.", bei dem jedoch schnell Assoziationen geweckt werden. Man vermutet den wenige Monate zuvor entkommenen "Hexer" alias Arthur Milton (René Deltgen) hinter der Tat, doch Inspektor Wesby (Heinz Drache) vermisst ein Motiv. Bei der Gerichtsverhandlung soll Milton in Abwesenheit verurteilt werden, doch es kommt zur Überraschung aller völlig anders. Als weitere Familienmitglieder der Familie Curtain ins Jenseits befördert werden, muss Wesby andere Überlegungen anstrengen, die tiefer in die Vergangenheit der Betroffenen führen...

Nach dem großen Publikumserfolg von Alfred Vohrers "Der Hexer" ließ eine Fortsetzung auf der Welle der Euphorie nicht lange auf sich warten, zumal das Konzept der Geschichte einen zweiten oder sogar dritten Teil ermöglichte, welcher allerdings verworfen wurde. Um ein gewisses Selbstläufertum zu gewährleisten, sind wichtige Hauptpersonen des ersten Abenteuers übernommen und durch bestenfalls interessante, ansonsten sachdienliche Charaktere erweitert worden. Insgesamt gesehen genießt "Neues vom Hexer" vielleicht einen besseren Ruf, als er tatsächlich verdient, denn immerhin hat man es bei genauer Betrachtung mit einem vergleichsweise weniger aufwändigen und teils schludrig inszenierten Vertreter zu tun, dessen launische Tendenzen oft zum Überholmanöver ansetzen. Hinzu kommt, dass es gerade hier zu einem methodischen Recycling von Inhalten aus bereits dagewesenen Filmen kommt, was sich insbesondere von Peter Thomas' Musik sagen lässt. Hier handelt es sich größtenteils leider nur um ein Echo aus dem ersten Teil oder bereits dagewesenen Wallace-Filmen, und für den Fall, dass einem das "Hexer"-Thema nicht besonders gut im Ohr liegt, ist die Enttäuschung umso größer, da man gleichzeitig noch die selbe Vorspannkulisse zu sehen bekommt, wenn auch dieses Mal in Farbe. Es ist ganz normal, dass Das Anpeilen eines Maximalerfolgs mit niedrigstem Aufwand für jede Produktion erstrebenswert ist. Diese Strategie wird hier an vielen Stellen sichtbar, doch bedauerlicherweise driftet das Geschehen nicht selten in eine Art Einheitsgebilde ab, wofür vor allem die unambitionierte Geschichte verantwortlich ist, weil sie sich selbst rückabwickelt. Was anfangs spannend und originell aussieht, wird spätestens zum Finale hin die bis dato schwächste und unbefriedigendste Auflösung im gesamten Wallace-Orbit, da man ein Phantom serviert bekommt, das besser hätte eines bleiben sollen, gerne auch für einen dritten Teil.

Schwerwiegend ins Gewicht fällt auch die Tatsache, dass die Titelfigur quasi Gefahr läuft, sich selbst ein wenig abzuschaffen, da von ihr keinerlei Bedrohung mehr ausgeht. Verurteilt zu einer ungleichen Zusammenarbeit mit der Polizei, die vordergründig die Erheiterung des Publikums erfüllt, wirkt die Führung unter Heinz Drache zumindest auf den zweiten Blick recht schwach, was allerdings an den dramaturgischen Voraussetzungen und nicht an der Zeichnung der Rolle und entsprechender Interpretation liegt, die eigentlich nahtlos aus dem ersten Teil fortgeführt wurde. Da Inspektor Higgins und seine reizende Gefährtin sicher in den Hafen der Ehe eingelaufen sind, liegen die Kompetenzen nun ausschließlich bei Wesby, der im Vorgänger noch Verwirrung stiften konnte. Im ersten Teil musste sich Joachim Fuchsberger nicht selten den Vorwurf gefallen lassen, dass er nicht maßgeblich zur Lösung des Falls beitragen konnte, da er sich lieber von Sophie Hardy den Kopf verdrehen ließ, und somit Heinz Drache für die nötige Verlässlichkeit bei den Erhebungen zu sorgen hatte. In dieser Fortsetzung wiederum bekommt Drache den Rang von René Deltgen und Eddi Arent abgelaufen, auch wenn die Geschichte es versöhnlich mit dem Hauptermittler meint. Drache bleibt somit als überaus routiniert, teils vehement, wenn auch nicht sonderlich ambitioniert in Erinnerung, wohl wissend, dass er es trotz Kollaboration mit einem Verbrecher zu tun hat. Aus einem Titelschurken wird also ein temporärer Titelheld, was der Geschichte angesichts der unbefriedigenden Auflösung überhaupt nicht zu Gute kommt. Vielmehr wird das Publikum mit einer irritierenden Transparenz bei den Verbrecherfiguren konfrontiert, und auch wenn ein großer Unbekannter im Hintergrund agiert, bleiben große Wallace-Momente aus. Es wirkt, als habe Vohrer das sogenannte Momentum verloren, da er sich augenscheinlich nur noch auf günstige Voraussetzungen ohne Dynamik und Neuerungen verlässt.

Für die überaus positiven eindrücke sorgt die "Hexer"-Stammbesetzung. Neben Heinz Drache ermittelt Siegfried Schürenberg als Sir John auf seine ganz spezielle Art und Weise, sorgt damit für zahlreiche Lacher und kann das Geschehen produktiv auflockern. Er choreografiert herrliche Szenen und Dialoge mit seinen Mitstreitern und sorgt somit für denkwürdige Momente in diesem weniger undurchsichtigen als in eine bestimmte Richtung gedrängten Szenario. Mit Eddi Arent und René Deltgen entsteht ein angenehmes Zusammenspiel unter Gegenspielern, wenngleich alle ab einem gewissen Zeitpunkt Team Arthur Milton darstellen. Als elegante und gleichsam geheimnisvolle Frau der Titelfigur ist erneut Margot Trooger zu sehen, die leider mit viel zu wenig Screentime bedacht wurde, was möglicherweise an der ungewöhnlich starken Front der hier engagierten Darstellerinnen liegen mag. Wenn Trooger als Cora Ann Milton allerdings die Möglichkeit geboten bekommt, lenkt sie die entsprechenden Szenen unausweichlich in die von ihr bevorzugte Richtung, was verschiedene Figuren fast neben ihr verblassen lässt. Ein besonderer Coup der Veranstaltung ist sicherlich die Erst-Verpflichtung des Ufa-Stars Brigitte Horney, deren hoheitsvolle Art Sympathien nicht ausschließt. Man ahnt, dass sie eine Schlüsselfigur innerhalb dieser eigentlich klar aufgebauten Geschichte darstellt. Ihre besten Szenen kommen vielleicht mit Kollegin Barbara Rütting zustande, deren völlig unkonventionelles Schauspiel ebenso produktiv auffällt, wie ihre beinahe oppositionelle Art und Weise. Margies Auflehnen gegen das Familien-Establishment treibt dabei interessante Blüten und es ist wie üblich ein Genuss, der Berlinerin bei ihrem hyper-pointierten Schauspiel zuzusehen. Die Charaktere bilden schnell Fraktionen, diejenigen, die alleine zurückbleiben oder ihre Basis verlieren, rücken näher an Personen heran, die sie längst vergessen hatten. So entsteht ein interessantes Wechselspiel, das den Verlauf vorantreibt.

Die Kompetenzen der Charaktere, die durch viele andere beliebte Schauspieler abgerundet werden, wirken in "Neues vom Hexer" wesentlicher als die leidlich aufkommende Spannung, die immer wieder durch slapstickartige Relativierungen verschleppt wird. Der betriebene Aufwand einer mörderischen Bande wird als logische Konsequenz eines sich geprellt fühlenden Hintermannes aufgetischt und wirkt hin und wieder etwas fadenscheinig, da das Erreichen der Ziele mit all den Umwegen auch ohne Intervention Scotland Yards oder Arthur Miltons ausgeschlossen wäre. Alfred Vohrer, beziehungsweise Drehbuchautor Herbert Reinecker, tat nicht gut daran, den Haupttäter über den kompletten Verlauf in den Mantel des Schweigens zu hüllen. Obwohl man am Ende einen Whodunit-Effekt geboten bekommt, ist es keiner, den man einfach so akzeptieren möchte, aber offenkundig lagen alle Hoffnungen auf dem für eine Erstsichtung zugegebenermaßen originellen Post-Finale, welches aber nicht für die kurz zuvor erlebte Enttäuschung entschädigen will, sondern eventuell primär auf einen dritten Teil hinweisen wollte. So bleibt diese 65er Produktion weit hinter den Erwartungen zurück und kann sich schlussendlich nicht auf seinem Unterhaltungswert und vielen anderen Goodies ausruhen, da man einfach so viel Erfolg wie möglich für so wenig Investition wie nötig haben wollte. Es ist schade, dass ein paar kleinere Stellschrauben nicht gedreht wurden und von daher rangiert Vohrers zweites "Hexer"-Abenteuer auf den hinteren Rängen in der Wallace-Hall-of-Fame. So bleibt ein von der Regie schwach antizipierter Film und das Gleiche gilt für den präsentierten Verlauf, der im Endeffekt viel zu viele unterschiedliche Qualitätsebenen offeriert. Aus "Neues vom Hexer" ist vielleicht kein schlechter Film geworden, aber bestimmt auch kein Wallace, der nach 20 vorhergegangenen Beiträgen in einer Art und Weise überzeugen kann, die bahnbrechend wirkt. Durchwachsen.

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