DIE TOTEN AUGEN VON LONDON - Alfred Vohrer

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DIE TOTEN AUGEN VON LONDON - Alfred Vohrer

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● DIE TOTEN AUGEN VON LONDON (D|1961)
mit Joachim Fuchsberger, Karin Baal, Eddi Arent, Dieter Borsche, Wolfgang Lukschy, Ann Savo, Ady Berber, Harry Wüstenhagen,
Rudolf Fenner, Bobby Todd, Franz Schafheitlin, Ida Ehre, Walter Ladengast, Fritz Schröder-Jahn, Hans Paetsch und Klaus Kinski
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Prisma Verleih
ein Film von Alfred Vohrer

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»Sie sind schlimmer als der blinde Jack!«


In London werden mehrere Millionäre tot aus der Themse geborgen. Die Toten scheinen außer ihrem Wohlstand und ausgewiesenen Sehbeeinträchtigungen keine weiteren Gemeinsamkeiten zu haben, doch es stellt sich heraus, dass sie alle in Londoner Nebelnächten umkamen und bei der gleichen Gesellschaft versichert waren. Inspektor Holt (Joachim Fuchsberger) untersucht den Fall gemeinsam mit seinem Assistenten Sergeant Harvey (Eddi Arent), und die Spur führt neben der Versicherungsgesellschaft noch in ein Blindenheim, in dem einst Jack (Ady Berber), ein blinder und gewaltbereiter Hausierer, gelebt haben soll, der mit den Todesfällen in Verbindung stehen könnte, aber als verschollen gilt. Da ab diesem Zeitpunkt mehrere Morde geschehen, scheint Long dennoch in ein Wespennest gestochen zu haben...

Wenn in der Wallace-Reihe von großen Klassikern die Rede ist, werden vor allem Filme Wie "Das Gasthaus an der Themse", "Der Hexer", "Der Frosch mit der Maske" oder eben "Die toten Augen von London" aus faktischer sowie persönlicher Sicht genannt. Alfred Vohrers erster Beitrag, und insgesamt erst sechster zur Serie, konnte die bis dato höchsten Zuschauerzahlen vorweisen und befindet sich im ewigen Ranking in der Top-3 aller Beiträge. Es gab bereits viele Modifikationen unter verschiedenen Regisseuren, doch Vohrer bietet eine nochmals vollkommen andere Stilrichtung innerhalb bestehender Gesetze an, die für Gänsehaut und Hochspannung sorgen können, da zum ersten Mal leichte Horror-Elemente zum Vorschein kommen. In diesem Zusammenhang ist natürlich kein anderer als der ehemalige österreichische Freistilringer Ady Berber zu nennen, dessen Aufmachung derart beunruhigend und abstoßend wirkt, dass gerade seine Szenen im Nebel als schleichender Tod am meisten in Erinnerung bleiben, sogar für Schockmomente sorgen können. Der blinde Jack wird als ultimatives Schreckensgespenst dieser Veranstaltung integriert, das im Dienste eines im Hintergrund befehlenden Phantoms agiert. Für Scotland Yard ist die Bande der blinden Hausierer überraschenderweise keine Neuigkeit, denn sie fielen bereits vor Jahren mit ihren kriminellen Machenschaften auf. Nur der blinde Jack ist einigen Köpfen als personifizierter Schrecken zurückgeblieben und lässt alte Ängste wieder aufleben. Alfred Vohrer spielt geschickt mit dieser Figur, die zum atmosphärischen Zugpferd wird, denn in Verbindung mit Heinz Funks aufwühlender Musik und dem gut simulierten Londoner Nebel sieht man den Tod, der plötzlich aus dem Nichts zuschlägt, obwohl der Killer nicht sehen kann. Diese Tatsache wirkt umso beängstigender, sodass sich das sicherlich längst von der Geschichte gefesselte Publikum rastlos und angespannt fühlen darf, ohne dass es zu einem signifikanten Abbruch dieser Stimmung käme. Innerhalb der Reihe ist diese gebündelte Stringenz sicherlich nur selten in dieser Reinform angeboten worden.

"Die toten Augen von London" wurde seinerzeit von der Constantin-Tochter Prisma in den Verleih gebracht, und das ausgesprochen gute Geschäft gab den Verantwortlichen Recht, auf der richtigen Welle zu produzieren, beziehungsweise den richtigen Zeitgeist getroffen zu haben. Wie erwähnt, kann dieser Film etliche Inhalte präsentieren, die für den damaligen bundesdeutschen Film eher als ungewöhnlich zu beschreiben sind. Neben Jacks Schock-Momenten ist hier unbedingt die auffällige Brutalität zu nennen, die bislang nur etwas unter Harald Reinl hervorblitzen konnte, hier in Verbindung mit Ady Berbers unheimlicher Aufmachung als eine Art Monster für die atemlosen Momente dieser Geschichte sorgt. Bereits die mit Nebel durchzogene Prätitel-Sequenz sorgt für Gänsehaut und Unbehagen, zeigt die Masche der Titelschurken dabei exemplarisch auf. Jack lauert seinem solventen Opfer auf, alles Weitere spielt sich zunächst im Off ab, bis man die Leiche schon in der Gerichtsmedizin sieht. "Die toten Augen von London" verfügt über ein überaus interessantes und charismatisches Ermittler-Duo, bestehend aus Joachim Fuchsberger und Eddi Arent, in ihren mitunter vielleicht besten Wallace-Auftritten. Fuchsberger kann selbst zu diesem frühen Serien-Zeitpunkt bereits als feste Größe und Inventar bezeichnet werden, wurde jedoch nicht müde, immer neue Nuancen anzubieten, obwohl ihm eigentlich immer der gleiche Grund-Charakter abverlangt wurde. Inspektor Holt wirkt unerschrocken, auch wenn er zu Beginn noch im Dunkeln tappt und dabei auf die Hilfe der attraktiven Nora Ward angewiesen ist. Karin Baals erster von drei Auftritten in der Reihe kann als besonderer Glücksgriff angesehen werden, wenn er auch überaus logisch wirkt, immerhin konnte die attraktive Blondine sich im deutschen Film einen Namen durch zahlreiche Charakterrollen in Problem- und Unterhaltungsfilmen machen. Sie und Joachim Fuchsberger bilden eine überaus angenehme Einheit, die auf beruflicher Basis durch Eddi Arent abgerundet wird, der erneut für humorige Einlagen zuständig ist.

Man kann von Glück reden, dass Arents Leistung ein Paradebeispiel für Situationskomik und gute Dosierung geworden ist, sodass er das ungemütliche Szenario immer wieder angemessen aufzulockern weiß, wenn es vielleicht gerade zu nervenaufreibend oder beängstigend für das Publikum geworden ist. Des Weiteren ist "Die toten Augen von London" sehr gut oder vielmehr interessant besetzt, was sich vor allem im Kreis der besonders zwielichtig wirkenden Verdächtigen zeigt. Bekannte Interpreten wie Dieter Borche, Wolfgang Lukschy, Klaus Kinksi, Rudolf Fenner oder Harry Wüstenhagen geben ich sichtlich Mühe, als Verdächtige respektive Unverdächtige wahrgenommen zu werden, allerdings bieten sich in diesem Zusammenhang noch viele weitere Rollen an, die näher zu betrachten sind. Lediglich auf Seiten der Obrigkeiten bei Scotland Yard kommt es zu keinen besonders nachhaltigen, geschweige denn mitreißenden Eindrücken, denn Franz Schafheitlin und Fritz Schröder-Jahn bleiben vor allem vergleichsweise weit hinter den Erwartungen zurück. Bei den Damen versetzt die aparte Finnin Ann Savo in Wallung und Begeisterung, deren leichtlebige Schlüsselfigur mit am meisten in Erinnerung bleiben wird, zumal sie in ihren wenigen Szenen äußerst stark inszeniert ist. Wie bei Edgar Wallace üblich, muss man sich auf zahlreiche Tote und Überraschungen gefasst machen, was sich auch über den clever angebahnten Whodunit sagen lässt. Alfred Vohrer ist buchstäblich dabei zuzusehen, wie er sein Publikum genüsslich aufs Glatteis, beziehungsweise in den dichten Nebel führt, nicht ohne die Realität wie ein Trugbild aussehen zu lassen oder umgekehrt. In diesem Beitrag ist wirklich so gut wie alles sehr gelungen und qualitativ hoch ausgefallen, sodass der Film seinen Klassiker-Status vollkommen zurecht genießt. Insbesondere im Bereich der atmosphärischen Dichte kommt es in Verbindung mit dem Titelthema zu besonders spannenden Momenten, die innerhalb der flüssig erzählten Geschichte ihre volle Durchschlagskraft entfalten können, bis sich neue Richtungen ergeben.

Betrachtet man das Geschehen gezielt, so ergeben sich für lange Zeit kaum sichtbare Lichtblicke, da das blinde Ungeheuer resolut, unbarmherzig und vor allem unbehelligt morden kann. Scotland Yard scheint immer ein Schritt langsamer als Jack und sein Auftraggeber zu sein, sodass sich die Zusammenhänge nur ziemlich schleppend ergeben, die sich dem Empfinden nach in cleverer inszenatorischer Art und Weise manchmal sogar schneller für den Zuschauer herauskristallisieren, als für die Ermittler, damit es zu munteren Co-Ermittlungen kommen kann. Die Masche der blinden Hausierer liegt auf der Hand, schließlich zeigt sich ein Vorgehen, das der Polizei hinlänglich bekannt war, bis es ruhig um die Bande geworden ist. Geblieben ist die vermutlich berechtigte Angst, wie man an den beinahe panischen Reaktionen gewisser Personen erkennen kann. Die Dreh- und Angelpunkte der Kriminalität und des Verbrechens fallen durch sorgfältiges Inszenieren auf, um dem erforderlichen Grusel, dem Geheimnis und der Spannung einen roten Teppich auszurollen. Erstaunlich ist die immer wieder geschilderte brutale Härte, die sich unter Alfred Vohrer weniger im Off abspielt, sondern genüsslich visualisiert wird. In diesem Zusammenhang ist die Dynamik der Bilder und der Kamera-Einstellungen zu erwähnen, die mit dazu beitragen wird, einen hochqualifizierten Kriminalfilm zu erlangen, der in dieser Form vielleicht noch nicht da gewesen ist, vielleicht nicht nur auf die Wallace-Reihe bezogen. Atempausen, in Form des erwähnten Arent'schen Humors, und der sich anbahnenden und aufgeweckten Liebesgeschichte zwischen den Hauptdarstellern Karin Baal und Joachim Fuchsberger, wirken gut platziert und irgendwann als entgegengesetzte Verstärker. Unterstrichen mit einer effektiven und kraftvollen Musik und Klanggestaltung von Heinz Funk, kann das Geschehen zum Überholmanöver ansetzen, um erwartungsgemäß das Unerwartete hervorzubringen. So genießen "Die toten Augen von London" zurecht einen Status als Klassiker, der nur gewisse Abstufungen durch persönliche Präferenzen innerhalb der eigentlichen Konkurrenz erfahren kann.

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Count Yorga
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Re: DIE TOTEN AUGEN VON LONDON - Alfred Vohrer

Beitrag von Count Yorga »

NFP Filmprogramm
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:hut:

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Prisma
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Re: DIE TOTEN AUGEN VON LONDON - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »

Count Yorga hat geschrieben:
Sa., 15.01.2022 17:26
NFP Filmprogramm
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Das Motiv finde ich auch sehr ansprechend, zumal es sich um kein Szenenfoto aus dem Film, sondern wohl um irgend einen Schnappschuss neben dem Dreh oder ein Promotion-Foto handelt. Wenn ich mich richtig erinnere, gibt es auch ein Pendant dazu, auf dem man Karin Baal sehen kann, wie sie Ady Berber würgt. Ganz witzig. Interessant auch, dass man hier wesentlich genauer erkennen kann, wie abstoßend sie den Österreicher zurecht gemacht hatten. Unterm Strich sind mir Szenenfotos aber schon lieber, weil sie aussagekräftiger sind.

Percy Lister
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Re: DIE TOTEN AUGEN VON LONDON - Alfred Vohrer

Beitrag von Percy Lister »

Im Buch von Christos Tses ("Der Hexer, der Zinker und andere Mörder", Klartext Verlag 2002) gibt es das Gegenbild mit der rauchenden Karin Baal und dem erschrockenen Ady Berber. Ganz offensichtlich ein Gag in einer Drehpause. Im Buch gibt es mehrere solcher originellen Schwarzweiß-Aufnahmen.

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Prisma
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Re: DIE TOTEN AUGEN VON LONDON - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »



Genau das Motiv habe ich gemeint, hätte jetzt aber spontan auf Joachim Kramps "Hallo - Hier spricht Edgar Wallace!" getippt, das ich Tses' Veröffentlichung doch deutlich vorziehe. Aber es ist tatsächlich immer ganz nett, solche Schnappschüsse zu sehen.

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Prisma
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Re: DIE TOTEN AUGEN VON LONDON - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »



Alfred Vohrers erster Wallace-Beitrag gilt sicherlich als einer der größten Klassiker der gesamten Reihe. Hier der Trailer:


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