JULIA, DU BIST ZAUBERHAFT - Alfred Weidenmann

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Prisma
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JULIA, DU BIST ZAUBERHAFT - Alfred Weidenmann

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Lilli Palmer

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● JULIA, DU BIST ZAUBERHAFT / ADORABLE JULIA (A|F|1962)
mit Charles Boyer, Jean Sorel, Ljuba Welitsch, Tilly Lauenstein, Charles Regnier, Thomas Fritsch, Herbert Fux und Jeanne Valérie
eine Produktion der Wiener Mundus-Film | Production de l'Etoile | im Constantin Filmverleih
ein Film von Alfred Weidenmann

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»Wollen wir leugnen oder wollen wir frech die Wahrheit gestehen?«


Julia Lambert (Lilli Palmer) ist der große Star eines Londoner Theaters, in dem sie seit zwanzig Jahren spielt und das ihrem eigenen Mann und Regisseur Michael (Charles Boyer) gehört. Julia ist glücklich verheiratet, bis der gut aussehende Steuerberater Tom Fennel (Jean Sorel), der für ihren Mann arbeitet, in ihr Leben tritt. Der agile junge Mann umwirbt die bekannte Schauspielerin und sie lässt sich schließlich auf das aufregende Spiel ein, bis mehr daraus wird. Julia beginnt eine Affäre, die sie förmlich aufblühen und bei dieser Gelegenheit bemerkt lässt, wie eintönig ihre eigene Ehe geworden ist. Doch es scheint, als suche Tom in Julia nur ein Sprungbrett, um in die gehobene Gesellschaft zu kommen. Julia steht zwischen beiden Männern, doch für welchen Weg wird sie sich entscheiden..?

Die Vorstellung ist so gut wie beendet und man sieht den gefeierten Star Julia Lambert bei dem, was sie am besten kann. Sie gibt den Leuten das, was sie lieben, folglich was sie sehen und hören wollen. Zwischen Tür und Angel bekommt sie von ihrem Mann einen jungen Herrn vorgestellt und ganz im Stile einer Schauspielerin von Welt betreibt sie kurze Konversation und greift zu obligatorischen Höflichkeiten und aufgesetzten Gesichtsausdrücken, allerdings kann der Zuschauer ihre inneren Gedanken hören, sodass man nach kürzester Spieldauer schon stockt: »Mir jetzt so ein Würstchen anzuschleppen. Manchmal benimmt sich Michael wie ein Trottel!« Die Idee, der Protagonistin hinter die schillernde Fassade blicken zu können, ist ein hervorragender Einfall, und zieht sich wie ein roter Faden durch die turbulente Geschichte, die aufgrund dieser inneren Monologe und teilweise spitzen Kommentare sehr erfrischend und geistreich wirkt. Das aktuelle Stück hat Julia bereits 247 mal gespielt, ihre Ehe ohne große Überraschungen geht auch schon in das achtzehnte Jahr. Es ist Zeit für Veränderungen - oder wenn man so möchte - eine Verjüngungskur. Jedoch braucht die attraktive Schauspielerin, die innerhalb der ganzen Oberflächlichkeit in der Glitzerwelt gedanklich immer mehr abschaltet und genau so wie in ihren Stücken einen passenden Text herunter betet, jemanden, der ihr einen frischen Impuls oder besser gesagt einen unkonventionellen Tritt in den Hintern gibt. So schafft es ihr junger Verehrer mit viel Charme und allerlei Tricks, sie zu verführen. Wenn sich ab sofort die schiefe Jalousie des kleinen Liebesnestes schließt, weiß der Zuschauer genau, was die Stunde geschlagen hat, Star-Allüren und Eitelkeiten werden nun an der Garderobe abgegeben, oder vielleicht sollte man sagen zunächst. Alfred Weidenmann inszeniert den Stoff sehr heiter und im Sinn einer unbeschwerten Komödie so gut wie ohne moralisch getränkte Untertöne. Die Situation, die immer mehr zu einem Tauziehen wird, könnte daher nicht unterhaltsamer sein. »Es wird über mich geklatscht, zum ersten Mal in 20 Jahren«, hört man Julia mit einem stolzen Tonfall sagen, und das dazu gehörende Versteckspiel scheint die aufregendste Situation seit Jahren zu sein. Gewiss ist nur, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt die Realität wieder einkehren wird, egal bei welchem der Beteiligten.

Die Titelrolle ist mit Lilli Palmer beeindruckend als dem Empfinden nach auch vollkommen logisch besetzt. Ob als Darstellerin oder als Frau; man bekommt erwartungsgemäß stets deutliche Konturen geboten, die gleichbedeutend mit Glaubwürdigkeit und Originalität sind. Freunde ihres Overacting werden auch hier eine gerne gesehene Performance zu sehen bekommen, die mit ihrer Leichtfüßigkeit, Eleganz und Leidenschaft in Perfektionismus gipfelt. Die immer wiederkehrenden Zwischenbemerkungen sind geprägt von Sarkasmus, Wortwitz, Schlagfertigkeit, und führen zu einer sehr schönen Situationskomik. In "Julia, Du bist zauberhaft" hat sie definitiv wieder eine Paraderolle gefunden. Ebenfalls hervorragende Leistungen präsentieren Charles Boyer, als umsichtiger Ehemann von Julia Lambert, den Erfahrung und Alter sichtlich milde gemacht haben, und der immer gerne gesehene Jean Sorel. Das geschickte an der Inszenierung ist, dass jede Person in dieser Dreieckskonstellation sympathisch ist und auch sympathisch bleibt, egal zu welchen Umständen es letztlich kommt. In weiteren guten oder zumindest angenehm gestalteten Nebenrollen sieht man beispielsweise Tilly Lauenstein, Charles Regnier sowie Ljuba Welitsch, deren Performances zu einem runden Gesamtergebnis beitragen können. Die interessante Frage für den Zuschauer stellt sich insgesamt insofern, wer letztlich mit einem Triumph aus dieser Situation hervorgehen kann, was sich zu einer recht spannenden Angelegenheit herauskristallisiert, da der Verlauf in dieser Beziehung alles offen hält. Erwähnenswert ist unbedingt noch die Beteiligung der immer großartigen Jeanne Valérie, die hier als Gegenspielerin von Julia, und gleichzeitig als Pendant von Tom aufgebaut wird. Die Inszenierung ist durchzogen mit feinster Ironie und gibt ein sehr hochwertiges Bild ab. Etliche Ortswechsel und charakteristische Schauplätze begünstigen zusätzlich die Aufmerksamkeit, und auch die flexiblen bis klassischen musikalischen Beiträge wissen zu überzeugen. Insgesamt präsentiert sich "Julia, Du bist zauberhaft" auf hohem Niveau, konzentriert sich gestochen scharf auf die Hauptpersonen und findet einen guten Mittelweg zwischen Unterhaltungskost und Komödie, außerdem lassen sich hin und wieder sogar Spuren von gesellschaftskritischen Ansätzen ausfindig machen. Amüsant und empfehlenswert in jeder Beziehung.

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