● DAS INDISCHE TUCH (D|1963)
mit Heinz Drache, Corny Collins, Klaus Kinski, Gisela Uhlen, Hans Nielsen, Siegfried Schürenberg, Hans Clarin,
Richard Häussler, Ady Berber, Alexander Engel, Wilhelm Vorwerg sowie Eddi Arent und Elisabeth Flickenschildt
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Constantin Filmverleih
ein Film von Alfred Vohrer
»Bitte bleiben Sie am Apparat, ich verbinde!« Mit dieser Ankündigung wird das soeben beim Telefonieren ermordete Opfer mit Edgar Wallace höchstpersönlich verbunden, und es dauert in diesem 14. Wallace aus dem Hause Rialto bestimmt keine Ewigkeit, bis sich herauskristallisiert, dass derartiger Humor das Α und Ω dieser Geschichte sein wird. Zuschauertechnisch blieb "Das indische Tuch" seinerzeit deutlich hinter den Erwartungen zurück, immerhin konnte er mit unter 2 Millionen Kinogängern nicht an die prallen Besucherzahlen etlicher Vorgänger anknüpfen. Bei dieser fünften Regie-Arbeit von Alfred Vohrer handelt es sich beinahe ausschließlich um einen Studiofilm, der kaum über eine Außenaufnahme verfügt, was das thematisch aufgegriffene Vakuum jedoch recht gut charakterisiert, wenngleich es sich in diesem Zusammenhang wohl eher um die Absolution zum Ergreifen von Sparmaßnahmen handelt. Wie dem auch sei, der Film funktioniert erstaunlich gut innerhalb des limitierten Settings Marks Priory, wo sich die eingepferchte Gesellschaft immer weiter durch Mörderhand dezimiert. Wie erwähnt, baut die Regie vornehmlich auf einen mit Humor erfüllten Verlauf, sodass Spannung, Schock und Grusel hin und wieder in die zweite Reihe rücken müssen, was allerdings nicht weiter stört, da eine gute Balance zwischen Kriminal- und Unterhaltungsfilm besteht. Im Schloss scheint die Zeit irgendwann stehen geblieben zu sein, sodass die Erbschaftsgesellschaft nur noch mehr wie ein unbequemer Fremdkörper wirken will, immerhin hat man es mit Herrschaften unterschiedlichster Herkünfte und Kinderstuben zu tun, obwohl man in einem Boot sitzt und irgendwie miteinander verwandt ist. Im Rahmen von Verachtung bis Hass sind schließlich alle möglichen negativen Schwingungen auszumachen, und es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis der Mörder mit der extravaganten Waffe, dem indischen Tuch, erneut zuschlägt.
»Mein vorletzter Wille.« Als Rechtsanwalt Tanner die Testamentseröffnung mit diesem eigenartigen Satz beginnt, erhitzen sich die Gemüter in kürzester Zeit, immerhin stellt der Verblichene die empfindliche Bedingung, dass die Gäste sechs Tage und sechs Nächte im Schloss bleiben müssen, um erbberechtigt zu sein. Falls sich jemand der Situation vorzeitig entziehen würde, geht derjenige leer aus. Diese durchaus wahrscheinliche Variante wird durch ein Unwetter und das damit verbundene Abschneiden vom Festland allerdings ausgeschlossen, sodass man absitzen und darauf warten muss, wen es als nächsten erwischt. Die Handlung wirkt vielleicht ein wenig zu konstruiert, überzeugt aber mit einer in weiten Teilen originellen Inszenierung, die sogar auf eine Kammerspiel-Atmosphäre setzt; ein Eindruck, der sich durch ein paar anerkannte Bühnenstars verdichtet. Der Kreis der Verdächtigen ist wegen des Vakuums also von vorne herein limitiert, wirkt aber nicht mehr oder weniger vorhersehbar, wie andere Wallace-Geschichten. Leider muss man sagen, dass sich Alfred Vohrer insbesondere gegen Ende seiner Verfilmung richtiggehend vergaloppiert, als wolle er dem mittlerweile vielleicht zu bequem, müde oder gar fordernd gewordenen Publikum demonstrieren, dass er für herkömmliche und uniform wirkende Storys nicht mehr in der althergebrachten Form zu haben ist, dementsprechend nicht mehr das lieferte, was zu erwarten gewesen wäre. Anders sind gewisse Kapriolen, wie insbesondere das unwirsche Ende dieser Produktion, kaum zu erklären. Das Finale ist des Films nicht würdig, trübt den Gesamteindruck allerdings nicht entscheidend, da der Verlauf viel zu viele gute Momente aufbaut, für die hauptsächlich die darstellende Entourage verantwortlich ist. Heinz Drache ist in seinem bereits vierten Auftritt bei Wallace zu sehen, dieses Mal allerdings nicht auf Seiten der Polizei, die in "Das indische Tuch" nämlich erstmals so gut wie gar keine Rolle spielt.
Dieser nicht uninteressante Umstand fällt nicht weiter ins Gewicht, da Heinz Drache als Rechtsanwalt Tanner die ermittelnde Figur übernimmt, wohlgemerkt mit Absolution der Hausherrin Lady Lebanon. Obwohl Drache die meiste Zeit falschen Fährten hinterherläuft, kann er den Fall lösen, da sich der Mörder selbst immer weiter unter Druck setzt. So droht die Zeit im Gefängnis namens Marks Priory abzulaufen, da sich die Anzahl der ungebetenen Gäste immer weiter dezimiert. In einem Gastspiel sieht man die bereits seit den 50er Jahren sehr gefragte und dementsprechend bekannte Corny Collins, deren weibliche Hauptrolle etwas stiefmütterlich neben den Aufsehen erregenden Leistungen von Gisela Uhlen und Elisabeth Flickenschildt platziert wirkt. Auch Heinz Drache arbeitet aktiv an diesem Eindruck mit, da er die eigentlich selbstständige junge Frau im übertragenen Sinn rückschrittig behandelt. Die Besetzung dieses Films ist insgesamt nicht nur als ausgewogen, sondern in Teilen wirklich exzellent zu bezeichnen. Vor allem Elisabeth Flickenschildt dominiert ihre Szenen, verweist dabei in die Schranken, was sich auch thematisch gesehen zeigt. Die dünne Luft im Schloss ist bei ihrem Erscheinen geprägt von einer teilweise frechen Nonchalance, außerdem zeigt sich unmissverständlich, dass sie es gewöhnt ist, ihre Wünsche und Befehle als erledigt zu sehen. Die Schlossherrin, die das Einsiedler-Leben offensichtlich schätzt, weil sie schlicht und einfach nichts anderes gewöhnt ist, scheut sich nicht vor Konfrontationskursen und Offenheit gegenüber ihrer verhassten Verwandtschaft, die sie selbst als Hyänen bezeichnet. Ihr Zusammenspiel mit den jeweiligen Partnern sorgt für die großen Momente des Films, der in erster Linie ein klassischer Schauspieler-Film geworden ist. Erprobte Gesichter des deutschen Kriminalfilms bereichern das über weite Strecken doch zu heiter angelegte Schreckensstückchen nach Kräften, und sorgen für individuelle Noten in dieser nebulösen Geschichte.
So spielen Siegfried Schürenberg, Hans Nielsen, Klaus Kinski oder Richard Häussler bemerkenswert auf, Gisela Uhlen definiert den Begriff der Boshaftigkeit nahezu neu, und Eddi Arent beansprucht ein Patent auf den Humor, der allerdings voll in Alfred Vohrers Sinn gewesen, beziehungsweise von ihm erfunden worden sein dürfte. Besondere Erwähnung sollte unbedingt noch das musikalische Konzept der Produktion finden. Immer wenn Frédéric Chopins Fantaisie-Impromptu ankündigt, dass gleich der nächste Mord geschehen wird, staunt man über die Variationen von Komponist Peter Thomas, der hier seine fünfte Wallace-Musik beisteuert. Das Titelthema verwandelt sich so in einen Easy-Listening-Track, welcher Chopins Klassiker so abwandelt, dass er einem Wallace-Vorspann alle Ehre macht. Kommt man zum Sinn und Zweck der Veranstaltung, bleiben einige Fragen offen, immerhin wirkt es so, als ließen sich die Herrschaften nach der Reihe seelenruhig und ohne Widerstand ermorden, auch die Anstriche scheinen hier und da etwas zu bizarr zu sein. Dieser kleine Selbstzweck sei der Produktion aber gegönnt, handelt es sich doch um eines der beliebtesten Dezimierungs-Kriminalthemen überhaupt. Außerdem verfügt das alte Schloss über zahlreiche Geheimgänge, die der Mörder wie seine Westentasche zu kennen scheint und die für eine leichte Grusel-Atmosphäre sorgen. Im Serien-Kontext gehört "Das indische Tuch" sicherlich zu den bekanntesten, vielleicht auch beliebtesten Filmen der Reihe, und kann immer wieder mit einer Leichtigkeit überzeugen, die sich in vielen Bereichen durchschlägt. Vohrer konzipiert seine Geschichte so, als wolle er erst gar nicht in die Versuchung kommen, sich allzu ernst zu nehmen. Größter Schwachpunkt ist und bleibt das misslungene Finale, ansonsten lässt sich hier alles annehmen, zumal man in den Genuss einer besonders gut aufgelegten Schauspiel-Riege kommt. Am Ende bleibt schließlich ein Dauerbrenner unter dem Walace-Banner zurück, den man sich immer wieder anschauen kann.