LANGE BEINE - LANGE FINGER - Alfred Vohrer

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
Antworten
Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3768
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

LANGE BEINE - LANGE FINGER - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »




Bild

● LANGE BEINE - LANGE FINGER (D|1966)
mit Senta Berger, Joachim Fuchsberger, Martin Held, Irene von Meyendorff, James Robertson Justice, Helga Sommerfeld, Walter Wilz,
Cora Roberts, Hilde Sessak, Tilo von Berlepsch, Alexander Engel, Lia Eibenschütz, Rudolf Schündler, Heinz Spitzner und Hanns Lothar
eine Produktion der cCc Filmkunst | im Nora Verleih
ein Film von Alfred Vohrer

LangeBeine (1) .jpg
LangeBeine (2) .jpg
LangeBeine (3) .jpg
LangeBeine (5) .jpg
LangeBeine (4) .jpg
LangeBeine (6) .jpg
LangeBeine (7) .jpg
LangeBeine (8) .jpg
LangeBeine (9) .jpg

»Nicht echt!«


Baron Holberg (Martin Held) und seine Tochter Doris (Senta Berger) können als angesehenes Adelsgeschlecht auf eine lange Familientradition zurückblicken, doch hinter dieser Fassade verbirgt sich ein dunkles Geheimnis: Vater und Tochter sind begnadete Diebe von wertvollem Schmuck. Jeder Coup geht dank Doris' einzigartiger Technik, entsprechende Colliers unbemerkt vom Hals reicher Damen zu entwenden, ohne Aufsehen und Verdacht über die Bühne, und finanziert nebenbei das luxuriöse Leben der blaublütigen Gauner. An einem Ferienort lernt Doris den Londoner Anwalt Robert Hammond (Joachim Fuchsberger) kennen, verliebt sich in ihn und möchte ab sofort ein ehrliches Leben beginnen. Baron Holberg will mit dieser Schande allerdings nicht leben und versucht fortan alles, um diese Liaison zu verhindern...

Produzent Artur Brauner wollte das Projekt "Lange Beine - lange Finger" bereits Anfang der 60er Jahre realisieren, unter Anderem mit alternativem Stab und unterschiedlicher Besetzung, doch es sollte noch einige Zeit dauern, bis Alfred Vohrer mit dieser Aufgabe betraut wurde. Man mag sich vielleicht im ersten Moment wundern, dass sich der Stuttgarter Regisseur einer Gaunerkomödie angenommen hatte, schließlich war das letzte Dutzend Filme geprägt von Edgar-Wallace-Krimis und Karl-May-Abenteuern, außerdem vom Haupt-Arbeitgeber Rialto-Film. In einem Zeitraum von fünf Jahren, kam es lediglich zu zwei Verpflichtungen bei der Konkurrenz, einmal bei der österreischischen Sascha-Film und in diesem Fall bei der cCc Filmkunst. Nach so vielen eher ernst und teils brutal gefärbten Geschichten stellt sich die Frage, ob Vohrer sich überhaupt im Komödienfach profilieren kann, wenngleich viele seiner Filme eindeutige Hinweise auf einen teils schrägen Humor offenbaren, die der Regisseur immer wieder genüsslich unterbrachte. "Lange Beine - lange Finger" verfügt über einen exzellenten Stab und eine noch interessantere Besetzung, immerhin geben sich Teile des Who’s Who des deutschen Kinos die Klinke in die Hand. Der Film startet mit einer Leichtfüßigkeit, die offenlegt, dass der deutsche Film viel zu selten gute Gaunerkomödien zustande brachte, und man sich hier in einer Art Offenbarung wiederfindet, die in den Bereichen Situationskomik, Amüsement und Kurzweiligkeit ganz eigene, wenn nicht sogar neue Akzente setzt, wenngleich sich Anleihen aus Artgenossen ausfindig machen lassen. Dies ist allerdings nicht weiter tragisch, denn Vohrer zieht etwas ganz eigenes mit einem sehr klar definierten Aufbau auf, ohne sich beirren zu lassen. Die Szenerie glänzt förmlich durch eine optimale Schauspielführung und Darbietungen und Stars, die wohl nicht besser aufgelegt sein könnten.

Die Frau dieser anderthalb Stunden ist Senta Berger, die wie nur wenige Kolleginnen die Fähigkeiten besitzt, jedes Genre glaubhaft zu bedienen. Die erste Begegnung mit Baroness Holberg geschieht vor der einladenden Kulisse an beeindruckenden Originalschauplätzen in Israel, und nicht nur der Zuschauer bescheinigt ihr eine außergewöhnliche Schönheit, sondern auch Joachim Fuchsberger alias Robert Hammond, der die junge Dame mit kleinen Tricks der originelleren Sorte für sich zu interessieren versucht, wenn da nicht ihr Vater wäre, der jegliche Kontaktaufnahme umgehend unterbindet. Alfred Vohrers Geschichte lebt von den Säulen Senta Berger, Martin Held und Joachim Fuchsberger, die in erstklassiger Art und Weise in die Manege geschickt werden, da es sich um einen Juristen und Kriminelle handelt, die allerdings ihre sympathische Art gemeinsam haben. Baron Holberg will den für seine Begriffe aufdringlichen Anwalt so schnell wie möglich wieder abschütteln, da er nicht nur seiner Tochter, die es unbedingt an seiner Seite zu halten gilt, sondern auch seinen Fischzügen gefährlich werden könnte. Dennoch bahnt sich die Liaison ganz natürlich, besonders leichtfüßig ,aber vor allem schnell an, bis Doris beschließt, ein normales Leben führen zu wollen. Senta Berger, Joachim Fuchsberger und Martin Held liefern über die gesamte Spielzeit Spitzenleistungen ab und die besondere Finesse entsteht dieses Mal im wechselseitigen Zusammenspiel, das überaus erfrischend wirkt, vor allem aber mit geschliffenen Dialogen und Situationskomik auftrumpfen kann, was in Erinnerung bleibt. Regisseur Vohrer zeigt, wie hochwertige Gaunerkomödien geboren werden, indem gekonnt mit genretypischen Klischees und Eigenheiten jongliert wird, und hierbei leistet die erweiterte Entourage ganz besondere Schützenhilfe. In diesem Zusammenhang ist die bestechend-skurrile und bemerkenswert choreografierte Leistung von Hanns Lothar zu erwähnen.

Des Weiteren werden die beliebten Schauspieler in bemerkenswert episodenhafter Art vorgestellt, teils skizziert in klassischen Einsatzgebieten, aber auch eingesetzt in für sie vollkommen ungewöhnlichen Rollen gezeigt. Bemerkenswert sind die Verpflichtungen von Irene von Meyendorff und James Robertson Justice als Ehepaar Hammond und noch interessanter ist die Randnotiz, dass beide im Jahr 1975 tatsächlich heirateten. Irene von Meyendorff, die über Jahre in keinem Kinofilm mehr zu sehen gewesen war, überzeugt wie Robertson Justice mit präzisen und passgenauen Darbietungen, genau wie die aufregende Helga Sommerfeld und ein immer gerne gesehener Walter Wilz. Dann wird die Liste der kleinen Rollen lang, und man sieht gute, alte Bekannte wie Hilde Sessak, Tilo von Berlepsch, Friedrich Schoenfelder, Rudolf Schündler, Heinz Spitzner, Zeev Berlinsky, Cora Roberts oder Albert Bessler, also hauptsächlich Interpreten, die häufiger bei Alfred Vohrer zu sehen waren. Es spricht für sich selbst, dass der Film mit dem Prädikat "wertvoll", dem Ernst-Lubitsch-Preis für Martin Held und einer Drehbuchprämie des Bundesministeriums des Inneren in Höhe von 200.000 D-Mark ausgezeichnet wurde. Bei "Lange Beine - lange Finger" handelt es sich zweifellos um Alfred Vohrers beste Komödie, vielleicht sogar um eine der besten der 60er Jahre, da diese turbulente Angelegenheit keine Qualitätseinbrüche offenbart. Vor allem im Bereich des Humors und der Situationskomik ist es fast eher erstaunlich als zu erwarten gewesen, dass Alfred Vohrer hier nie über das anvisierte Ziel hinaus schießt. Unterlegt mit einer immer passenden Musik von Martin Böttcher und einem tollen Titeltrack von Tanja Berg, vergeht die Zeit wie im Flug und hält noch ein paar nette Überraschungen bereit. Unterm Strich bleibt ein durch und durch gelungener Film und der Verdacht, dass Vohrer den deutschen Film dieser Zeit breiter hätte aufstellen können, wenn dieser ihm ein breiteres Angebot gemacht hätte.

Italo
Beiträge: 249
Registriert: Fr., 30.10.2020 08:29

Re: LANGE BEINE - LANGE FINGER - Alfred Vohrer

Beitrag von Italo »

Wurde neu abgetastet und restauriert und kommt vermutlich in nächster Zeit als Blu-ray.

Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3768
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: LANGE BEINE - LANGE FINGER - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »



Falls er herausgebracht wird, kann ich ihn jedem, der sich für originelle Unterhaltung und insbesondere Deutschtümelei interessiert, nur empfehlen.
Es ist ohnehin mehr als erstaunlich, dass er so lange in der Versenkung verschwunden ist, beziehungsweise es bislang nur zu dürftigen Veröffentlichungen kam.

Antworten