ZWEI HERREN IM ANZUG - Josef Bierbichler

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Maulwurf
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ZWEI HERREN IM ANZUG - Josef Bierbichler

Beitrag von Maulwurf »

Zwei Herren im Anzug
Deutschland 2018
Regie: Josef Bierbichler
Josef Bierbichler, Martina Gedeck, Simon Donatz, Irm Hermann, Sarah Camp, Johan Simons, Peter Brombacher, Josef Staber, Stefan Hofinger, Benjamin Cabuk, Lisa Dreer, Miriam Smolka


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OFDB

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts aus Sicht eines Menschen, der auf einem bayerischen Bauernhof aufwächst. Die Kindheit auf dem Hof im Chiemgau, der ältere Bruder, der geistig derangiert aus dem ersten Weltkrieg zurückkehrt, die Karriere als Opernsänger, welche für den heimatlichen Hof aufgegeben wurde, Russland, die Nachkriegszeit …

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Alles sehr schön und gut, und es hat einige wirklich starke Momente. Der Höhepunkt ist eindeutig der Striptease des weiblichen Adolf Hitler im Nachkriegsfasching, aber auch und gerade die Zeit bis zum Ende des zweiten Weltkrieges ist interessant und überzeugend, wenngleich auch in einem furchtbaren Schweinsgalopp abgehandelt. Da hätte ich gerne noch mehr gesehen, Details erfahren, die Geschichte des patriarchalischen Vaters miterlebt, mehr von den frömmelnden Schwestern gehört.
Stattdessen konzentriert sich der Film aber zunehmend auf die Jahre nach dem Krieg und das Ende der Familie, doch ohne dass dabei ein wirklich interessanter Aspekt herausgearbeitet wird. Die Geschichte kreist zunehmend um das Nebeneinanderherleben der alternden Eheleute, genauso wie um die Schwierigkeiten des schüchternen Jungen im Klosterinternat Ettal. Wirklich spannend ist das nicht mehr, vor allem, weil mit Ausnahme des Missbrauchsskandals jegliche Zeitbezüge ausgeklammert werden. Das Ende des Wirtschaftswunders, dargestellt durch die Pfändung nicht abbezahlter Luxusartikel, ist das Letzte, was man von der Welt da draußen noch sieht, anschließend wird die Story immer düsterer und privater. Aber eben auch uninteressanter.

Als Schauspieler ist Josef Bierbichler erstklassig, genauso wie viele andere im Film. Aber als Regisseur zeigt er uns, warum so viele Menschen abwinken wenn es um den deutschen Film geht. Anspruchsvoll, durchgeistigt, mühsam, artifiziell – Das Zauberwort heißt verschwurbelt, und das trifft leider auf viele Episoden hier zu. Der Geist des deutschen Kunstfilms aus den kopflastigen70er-Jahren schwebt mehr als einmal durch die Szenerie und tötet jeden Bezug zur Realität, oder zu Dingen, die man letzten Endes erleben möchte wenn man sich einen Film anschaut: Spaß, Abwechslung, Spannung. Eine anspruchsvolle Geschichte zu erzählen bedeutet ja nicht, dass man alle packenden Elemente über Bord werfen müsste, oder etwa doch? Das ist nämlich genau das was hier fehlt: Das Packende, das als Klammer die kleinen und großen Dramen zusammenhält. Der (bayerische) Mutterwitz, der sich eben nicht nur im Dialekt darstellt, sondern auch und gerade in einer derben und volkstümlichen Urwüchsigkeit. Wenn selbst ein Vollblutkomödiant wie Andreas Geibel in einer prinzipiell relativ recht leichten Szene wie einer Schlachtung mit Hindernissen nicht sprühen kann, sondern seinen Text abspult wie bestellt und nicht abgeholt, dann stimmt da etwas nicht. Dann fällt nämlich auf, was diesem ambitionierten und sehr wohl intelligenten Film grundsätzlich fehlt: Der Charme. Schade drum, denn die Idee ist hervorragend, nur die Umsetzung ist eben leider so hölzern, wie man es außerhalb von Liebhaberforen mit dem deutschen Film so oft assoziiert …

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5/10

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