BANKTRESOR 713 - Werner Klingler

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Percy Lister
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BANKTRESOR 713 - Werner Klingler

Beitrag von Percy Lister »

"Banktresor 713" (Deutschland 1957)
mit: Martin Held, Hardy Krüger, Nadja Tiller, Charles Regnier, Hildegard Grethe, Helga Martin, Agnes Windeck, Fritz Wagner, Arno Paulsen, Ewald Wenck, Käthe Alving, Peter Vogel, Margrit Reismann, Carl de Vogt, Bruno W. Pantel, Franz-Otto Krüger, Hellmut Grube, Wolfgang Völz u.a. | Drehbuch: Herbert Reinecker | Regie: Werner Klingler

Der Spätheimkehrer Herbert Burkhardt möchte nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft sein Studium fortsetzen, das er vor dem Krieg abgebrochen hat. Da ihm das nötige Kapital fehlt und er weder einen Kredit, noch eine Arbeit bekommt, beschließt er, zusammen mit seinem jüngeren Bruder Klaus, sich unterirdisch Zugang zum Tresorraum der Nordbank zu verschaffen. Mithilfe eines selbst gegrabenen Tunnels wollen die beiden Männer das lange Pfingstwochenende nutzen, um in das Geldinstitut einzudringen und die Safes im Kellergeschoss der Bank auszuräumen. Herberts Verlobte Christa, die vorschlägt, sein Studium zu finanzieren, wird misstrauisch, als sie eine Skizze sieht, in der die örtlichen Gegebenheiten exakt aufgezeichnet sind....

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Ein Bericht aus dem "STERN"-Sonderheft "Die Macht des Geldes - Aufstieg und Krise des Kapitalismus" aus dem Jahr 2009 trifft das soziale Umfeld der Protagonisten recht gut: "Im Krieg hatte die NS-Wirtschaft massiv in die Industrie investiert, die den Nachschub für das Militär lieferte. Die Anlagen waren zum größten Teil nicht zerstört. In den westlichen Besatzungszonen änderten auch Demontagen und Reparationen nichts an den günstigen Ausgangsbedingungen für einen Wiederaufbau. Es gab Millionen gut ausgebildete Menschen, Produktionsanlagen, die relativ schnell wieder in Betrieb genommen werden konnten, und bereits wenige Jahre nach dem Krieg ein vitales Interesse der USA an der Genesung des einstigen Feindes. [...] In den Anfangsjahren der Bundesrepublik stieß die neu geschaffene Marktwirtschaft jedoch auf erheblichen Widerstand. Große Teile der Bevölkerung trauten dem kapitalistischen System nicht zu, die existenziellen Probleme zu lösen." Die Bildersprache des Films fängt Chefkameramann Helmuth Ashley vielsagend ein: Die imposanten Bürogebäude der Banken ragen über den Köpfen der zwei Männer empor und wirken in ihrer modernen Zweckmäßigkeit abweisend und unpersönlich. Obwohl sie den schnöden Mammon verachten, kommen Herbert und Klaus nicht umhin, die Möglichkeiten zu bewundern, die sich ihnen mit dem Besitz des Geldes bieten. Ihre Gesichter wirken ob der kalten baulichen Arroganz des Kapitalismus eingeschüchtert und zu allem entschlossen. Während Herbert sein Gewissen damit beruhigt, dass es ihm verwehrt bleibt, seinen Unterhalt auf redliche Weise zu verdienen und der Gang in den Untergrund deshalb eine natürliche Konsequenz ist, liegt im Fall des jüngeren Bruders keine zwingende Notwendigkeit vor, bei dem Einbruch mitzumachen. Er wird deshalb oft allein in Szene gesetzt, nachdenklich und zweifelnd. Die schlimmen Folgen seines Handelns werden früh angedeutet, so sehen wir Klaus an einem Kiosk zwischen den sogenannten Händlerschürzen, auf denen die Schlagzeilen der Tageszeitungen abgedruckt sind ("Er verhalf einem Massenmörder zur Flucht", "Mutige Frau verjagte Banditen"). Ausgerechnet an der Tafel "Mitgefangen, mitgehangen" bleibt er stehen und lehnt sich an. Hardy Krüger und Martin Held als ungleiche Brüder spielten bereits in "Alibi" (1955) zwei Gegenpole. Auf der einen Seite der steife, humorlose Held, der besonders militärischen, strengen Charakteren ein unverwechselbares Gesicht verleiht, auf der anderen Seite Krüger: blond und blauäugig, der Inbegriff des nordischen Typs, dem die Welt offen steht. Seine Anfänge als Schauspieler waren vom Zufall geprägt.

Als ihn Regisseur Wolfgang Liebeneiner nach Ende der Dreharbeiten zum Film "Junge Adler" 1943 fragte, ob er nicht Schauspieler werden wolle, antwortetet dieser, er würde lieber Innenarchitekt werden. Liebeneiner ließ sich die Option offen, Krüger anzubieten, sich doch eines Tages bei ihm zu melden, falls er es sich anders überlegen sollte. Und so geschah es auch. Völlig mittellos kam Krüger nach seiner Flucht aus amerikanischer Gefangenschaft von Berlin nach Hamburg und hatte kein Geld, um ein Studium zu beginnen. Da erinnerte er sich an das Versprechen von Regisseur Liebeneiner. Dieser verschaffte ihm Zugang zum Hamburger Schauspielhaus, wo Krüger zunächst nur Statist war, aber von der Erfahrung der großen Kollegen profitieren konnte. Obwohl der mühsame Weg durch die Kanalisation ausführlich gezeigt wird und mit Rückschlägen verbunden ist, bleibt genügend Zeit für eine ausgewogene Schilderung des weiblichen Umfelds der beiden Anti-Helden. Nadja Tiller, die es von der Schönheitskönigin zur ernsten Schauspielerin geschafft hat, beweist ihre Unabhängigkeit auch in "Banktresor 713". Sie liebt den Mann an ihrer Seite, sorgt sich um ihn und will ihm helfen, hat aber ein eigenes Leben und handelt nach ihrer Überzeugung, auch, wenn sie fürchten muss, dadurch seine Zuneigung zu verlieren. Die Schauspielerin punktet mit ihrer ruhigen Souveränität, die für jeden das passende Wort findet, wobei sich wichtige Überlegungen vor allem nach innen richten. Die Protagonisten des Films teilen ihre essentiellen Gedanken kaum mit einer anderen Person, sondern reflektieren sie, ohne eine zweite Meinung einzuholen. Durch Christas Eingreifen kann Herbert am Ende aus einer misslichen Lage befreit werden, in die er sich durch Sturheit und Starrsinn selbst gebracht hat. Noch ganz dem patriarchalen Lebensmodell verhaftet, lehnt er es ab, sich von seiner Verlobten das Studium finanzieren zu lassen. Er glaubt trotz aller Widerstände, weiterhin den (Lebens-)Weg für andere bestimmen zu können. Sein Scheitern in der Banalität des Alltags lässt ihn jedoch auch in der Ausnahmesituation des Bankraubs die Nerven verlieren. Das Lokalkolorit ist ein Augenschmaus für jeden Berlin-Freund. Gedreht wurde u.a. in den Ufa Ateliers Berlin Tempelhof, am Funkturm, in der Einkaufsmeile Tauentzienstraße und an diversen U-Bahnhöfen. Trotz des verbitterten Untertons und der sterilen Welt, in die der männliche Hauptdarsteller eindringen will, umfasst den Film eine Aufbruchsstimmung, die viele Randaspekte in einem fast heiteren Licht erscheinen lässt. Die Produktion ist deshalb ein unterhaltsames Zeitdokument, das den Zuschauer immer wieder aufs Neue für sich einnimmt und erschüttert.

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