ILLUSION - Viktor Tourjansky

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Percy Lister
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ILLUSION - Viktor Tourjansky

Beitrag von Percy Lister »

"Illusion" (Deutschland 1941)
mit: Brigitte Horney, Johannes Heesters, O. E. Hasse, Nikolaj Kolin, Werner Scharf, Maria Krahn, Hans Stiebner, Walter Steinbeck, Hilde Sessak, Willy Witte, Walter Ladengast, Käthe Dyckhoff, Edith Wolff, Karin Lüsebrink, Theodor Danegger, Gisa Wurm, Max Vierlinger, Franz Pollandt u.a. | Drehbuch: Werner Eplinius und Viktor Tourjansky | Regie: Viktor Tourjansky

Die Schauspielerin Maria Roth wird von der Wiener Theaterbühne nach Berlin abberufen und gibt ihre letzte Vorstellung als Gretchen in Goethes "Faust". Bei der anschließenden Abschiedsfeier erhält sie von ihrem langjährigen Freund das Gut Holtenach zum Geschenk, damit sie weiterhin einen Bezugspunkt in der alten Heimat hat. Als sich die Theatertruppe aufmacht, den neuen Besitz zu begutachten, treffen Maria und ihre Freunde irrtümlicherweise im benachbarten Gut Holtenau ein, das dem Baron Stefan von Holtenau gehört. Als Maria annimmt, er wäre der Verwalter ihres neuen Anwesens, macht er das Spiel mit, da er die Schauspielerin besonders charmant und anziehend findet. Um den sich anbahnenden Kontakt zu vertiefen, willigt er sogar in eine Wette ein, welche die Künstlerin dem überzeugten Junggesellen vorschlägt: Maria will Stefan die Illusion verschaffen, zwei Monate lang als glücklicher Ehemann zu leben. Bald jedoch fühlt sich der Baron in dieser Situation so wohl, dass er Maria ganz für sich haben möchte und sie zum Verzicht auf ihren Beruf drängt....

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Johannes Heesters, der als Operettenstar große Erfolge feierte, hatte sich schon lange gewünscht, einmal als ernsthafter Schauspieler in einer reinen Sprechrolle agieren zu können. Viktor Tourjansky gewährte ihm in "Illusion" den Wunsch und besetzte ihn, nachdem drei erstrangige Schauspieler abgelehnt hatten, den Part des Gutsbesitzers zu übernehmen. Brigitte Horney, deren Karriere ebenso wie jene ihrer Filmfigur, beim Theater begonnen hatte, hatte früh die Möglichkeit, sich ihre Drehbücher selbst zu wählen, da ihr nichts so sehr widerstrebte, als gängige, nichtssagende Stoffe umzusetzen, die den Darstellern wie ein billiges Konfektionskleid übergestülpt werden. Die Filmromanze in "Illusion" erfüllt die Hoffnungen des Publikums nicht gänzlich, da es Abweichungen von der (nationalsozialistischen) Erwartung gibt, die an die weibliche Heldin gestellt werden. Propagandaminister Joseph Goebbels diskutierte lange mit dem Regisseur über den seiner Meinung nach zu selbständigen Charakter der Maria Roth, bevor Tourjansky wie geplant inszenieren konnte. Im Sinne einer Botschaft des Dritten Reichs dürfen allerdings der Verzicht auf das private Glück zugunsten der Allgemeinheit und die Betonung der Sinnhaftigkeit landwirtschaftlicher Tätigkeiten im Kontrast zur oberflächlichen Welt der Theaterleute - die sich ihre Zeit mit Scherzen, Alkohol und persönlichen Eitelkeiten vertreiben - gesehen werden. Der Exklusivanspruch des Mannes auf die Frau, wird mehrfach betont, währenddessen frühere Leidenschaften der männlichen Hauptfigur das Bild eines unverbindlich Liebenden zeichnen, der beide Aspekte des Lebens unter den Hut zu bringen vermochte.

Vom psychologischen Standpunkt aus betrachtet, bewegt sich Maria Roth zwischen den Welten. Der geografisch entwurzelte ehemalige Schauspieler fungiert als Freund und Ratgeber, er wird auch an der Weggabelung ihres Lebens an ihrer Seite bleiben. Die leichtfüßigen, mehr an sich selbst interessierten Mimen des Theaters, gestalten die Freizeitunterhaltung mit fungiertem Gespensterspuk und Welpenrennen. Sowohl auf Marias, als auch auf Stefans Seite mildern die traumtänzerischen Charaktere die Enttäuschung ab, die sich nach der Rückkehr zum Ausgangspunkt der Handlung einstellt. Der Pathos einer unglücklichen Liebe ist neben den Elementen der Sorglosigkeit und des Übermuts in jenen Szenen gegenwärtig, die Maria Roth betreffen. Ein Heiratsantrag eröffnet das Bemühen um ihr Herz, das wegen der Intensität ihrer beruflichen Leistung in Gefahr steht, im überdurchschnittlichen Maße empfänglich für leidenschaftliche Emotionen zu sein. Die Grenze zwischen Identifikation mit einer romantischen Bühnenfigur und dem wahren Leben wird durchlässig, als Maria im Überschwang der Freude über das große Wohlwollen, das ihr entgegengebracht wird, unvorsichtig und blauäugig handelt. Die Herausforderung der Wette empfindet sie als weitere Möglichkeit einer persönlichen Bestätigung. Brigitte Horney zeigt die ihr typische Begeisterungsfähigkeit, wenn sie im Begriff ist, Grenzen auszuloten und sich über starre Normen hinwegzusetzen, deren Berechtigung ihren Sinn verloren hat. Sie bildet den Mittelpunkt der Handlung und dominiert ihre Szenen mit einer natürlichen Autorität, die sich mit einer lebensfrohen Heiterkeit vermischt, die der Melancholie nie lange frönt, sondern sich pragmatisch wieder dem Jetzt zuwendet.

O. E. Hasse fungiert trotz seiner prominenten Nennung im Vorspann als Nebendarsteller, dessen Zurückhaltung diesmal frei von finsteren Hintergedanken ist, sondern aus seiner tiefen Freundschaft zu Maria resultiert, die er zwar gerne dauerhaft an seiner Seite wüsste, deren Motive für eine Ablehnung seines Werbens er jedoch verstehen und nachempfinden kann. Die Bühnenschicksale als höchste Form des Ausdrucks bilden eine gemeinsame Basis für intellektuelle Gedankenspiele. Käthe Dyckhoff und Hilde Sessak verkörpern die beiden Frauen im Umfeld von Heesters, wobei ihre Herkunft unterschiedlicher nicht sein könnte. Auf der einen Seite die fleißige Landarbeiterin, deren Sehnsucht nach einer stillen Romantik sich auf ihrem weichen, frischen Gesicht spiegelt; auf der anderen Seite die herausgeputzte Hilde Sessak, die mit koketten Bewegungen und der Nonchalance einer erfahrenen Frau auch andere Beziehungen unterhält und offen darüber spricht. Der Zuschauer sieht sich eingangs mit Szenen ausgelassener Späße konfrontiert, die dem Geschmack der Zeit entsprechen und einen Kontrast zur Liebesgeschichte bilden sollen, deren Wendungen die Figuren einer schweren Prüfung unterziehen werden. Die Inszenierung von Tourjansky stellt die Gefühlsregungen seiner Protagonisten ins Zentrum, was sich an den vielen Nah- und Großaufnahmen der Personen zeigt und an dem fließenden Übergang von Übermut, Rührseligkeit und Tragik. Während viele Sequenzen mittlerweile altmodisch anmuten, nimmt das ausdrucksvolle Spiel von Horney und Heesters das Publikum nach wie vor für sie ein, weil sich der Funke von der Leinwand in den Zuschauerraum überträgt. Das Spiel mit der Illusion als doppelbödigem Stilmittel bildet weiterhin einen Anreiz zur Diskussion.

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