PLAYBACK ODER DIE SHOW GEHT WEITER - Rolf von Sydow

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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PLAYBACK ODER DIE SHOW GEHT WEITER - Rolf von Sydow

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● FOLGE 38: TATORT - PLAYBACK ODER DIE SHOW GEHT WEITER (D|1974)
mit Heinz Schimmelpfennig, Peter Bongartz, Frank Strecker, Johann Adam Oest und Werner Schumacher
Gäste: Heidi Brühl, Udo Vioff, Alexander Hegarth, Eckart Dux, Arthur Brauss, Nino Korda und Christiane Krüger
eine Gemeinschaftsproduktion der ARD | mit dem O.R.F | eine Sendung des SWF
Regie: Rolf von Sydow

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»Singt wie ein Engel!«


Am Stuttgarter Flughafen kommt es unmittelbar nach der Ankunft des Gesangsstars Heidi Brühl zu einem Zwischenfall. Ein Koffer stürzt von einer Empore und verletzt einen Mann schwer, der sich in der Nähe der Sängerin aufgehalten hat. Kommissar Lutz (Werner Schumacher) geht zunächst von einem Unfall aus, doch diese These wird schnell wieder ad acta gelegt, da Harry May (Alexander Hegarth) von einem Anschlag auf die Sängerin ausgeht. Heidi Brühl reist zu Vorbereitungen für einen Auftritt nach Baden-Baden, wo Kriminalhauptkommissar Gerber (Heinz Schimmelpfennig) den mysteriösen Fall übernimmt. Ein weiterer Anschlag lässt nicht lange auf sich warten. Für Gerber ist klar, dass der Attentäter im unmittelbaren Umfeld der Künstlerin zu suchen ist, doch die Ermittlungen erweisen sich als spröde, da die Entourage durch hohe Widerstände auffällt, um mögliche Motive zu verschleiern. Schließlich geht eine telefonische Geldforderung über 100.000 D-Mark ein, doch May macht die Angelegenheit in Eigenregie auf einer Pressekonferenz öffentlich, sehr zum Missfallen Gerbers. Was wird der Täter als Nächstes tun..?

Der schnelle Blick auf die Grundvoraussetzungen dieses achtunddreißigsten "Tatort" weckt schon alleine wegen der zunächst interessant klingenden Geschichte und der Stabsangaben recht hohe Erwartungen. Verfolgt man den Einstieg ins Szenario, fühlt man sich umgehend bestätigt, dass man etwas Besonderes zu sehen bekommen wird, denn nachdem die Lufthansa-Maschine gelandet ist, und man die Clique rund um Heidi Brühl zu Gesicht bekommt, steigt die Spannung, da man einen Unbekannten in abwechselnden Sequenzen begleiten kann, der reines Unbehagen provoziert. Man sieht ihn und Heidi Brühls Truppe in abwechselnden Sequenzen, wobei man den potentiellen Täter nicht erkennt, allerdings verheißt dieser zielstrebige Gang nichts Gutes, da er einen Gepäckwagen mit einem schweren Koffer vor sich her fährt, den er ganz offensichtlich als Waffe einsetzen möchte. Diese spannenden und hoch atmosphärischen Momente werden mit einer sehr guten Akustik untermalt, bis der erwartete Anschlag geschieht. Anschließend werden sich die Mitglieder der Gruppe bei dieser Gelegenheit in Kurzvorstellungen noch hemmungslos selbst charakterisieren. In dieser Manier darf es ruhig weiter gehen, denkt sich der interessierte Zuschauer, doch was dann der unmittelbar folgende Verlauf offeriert, ist ziemlich ernüchternd. Die Hauptkonzentration liegt plötzlich auf den Launen und Zicken einer nervösen Truppe, die sich dem Empfinden nach schon längst nicht mehr gegenseitig ertragen kann, und sich um einen Star versammelt hat, welcher sich als so normal wie möglich zu präsentieren versucht. Die Regie verzettelt sich mit dieser Strategie des Distanzierens ganz früh im Verlauf und scheitert an der eigenen Konstruktion, die man hier Heidi Brühl nennen muss. Es ist daher erstaunlich, dass Rolf von Sydow - bekannt als Routinier und Krimi-Spezialist - die Show einfach weitergehen lässt, um sie sich quasi selbst zu überlassen.

Die vermeintlichen Stärken der Produktion entwickeln sich nun relativ zügig zu massiven Hemmschuhen; allen voran und um nicht zu sagen groteskerweise, ist leider tatsächlich Heidi Brühl zu nennen. Zunächst wird man Zeuge davon, dass es eben doch ein gewaltiger Unterschied ist, eine andere Person oder sich selbst zu interpretieren. Die Dramaturgie lässt der so überaus geschätzten und gerne gesehenen Heidi Brühl effektiv keine andere Wahl, als sich zu entscheiden: In dieser ungelenk wirkenden Geschichte bekommt sie nicht pauschal die Möglichkeiten eingeräumt, natürlich oder befreit zu wirken, also bleibt ihr augenscheinlich nur übrig, Heidi Brühl gleich im doppelten Sinn zu spielen. Diese exzellente Schauspielerin, die jede Anforderung mühelos lösen konnte, scheitert an der vermeintlich einfachsten Bedingung, sie selbst zu sein. Regelrecht eingeschnürt in ein Korsett aus dumpfen Klischees und stumpfsinnigen Dialogen, hat sie sichtlich Mühe, sich gegen ihre Kolleginnen und Kollegen durchzusetzen, die von der Geschichte die Absolution erteilt bekommen, im zügellosen Gebrauch einfach das zu tun, was sie wollen. Weitaus angenehmer wirken hier Brühls Gesangsnummern, die den Verlauf allerdings in überaus repetetiver Weise strecken müssen. So kann schließlich nicht geleugnet werden, dass diese Folge mit ihrem Elixier, ihrer Basis, ihrem Zugpferd, ihrem Aufhänger leider überhaupt nichts anzufangen weiß. Bei dieser verschenkten Chance betrachtet man sich die anderen Darsteller umso intensiver, und bekannte Namen sind auch sehr schnell ausfindig gemacht. Christiane Krüger, die übrigens zusammen mit Heidi Brühl ungewöhnlicherweise im Abspann zuerst, also noch vor den ermittelnden Personen, namentlich erwähnt wird, wirkt solide und überrascht mit mehr Temperament als üblich. Dem Empfinden nach wirkt sie gelöster und möglicherweise handelt es sich dabei aber nur um den Versuch, sich von den mäßigen Voraussetzungen freizuspielen.

Udo Vioff, Arthur Brauss und insbesondere Alexander Hegarth zeigen ihre verlässliche Routine in jeder einzelnen Szene, sodass die Darbietungen nicht nur angemessen, sondern auch förderlich erscheinen. Trotzdem ist es hier so, dass man quasi mit umgekehrten Voraussetzungen konfrontiert wird, denn die Hauptfigur wird vom Verlauf merklich geschwächt, die Nebenfiguren gestärkt, obwohl einige von ihnen nur oberflächliche Parts zugeteilt bekommen. So liegen alle Hoffnungen auf den ermittelnden Personen - doch was geschieht, wenn eigentlich nur in Belanglosigkeiten herumgestochert wird? "Playback oder die Show geht weiter" wird es jedenfalls dokumentieren und insbesondere Heinz Schimmelpfennig als recht beliebig in seiner Arbeit und farblos im Erscheinen zurücklassen, obwohl er hin und wieder mit seiner ungeduldigen Art und subtilem Humor aufzutrumpfen versucht. Die Tatsache, dass dieses »oder« aus dem Titel der Folge eigentlich nicht existiert, lässt diesen Fall doppelt zäh erscheinen, da nicht nur die aufgesetzte Show weitergehen, sondern es darüber hinaus auch noch genügend Playback zu hören geben wird. Der Verlauf büßt mit jeder weiteren Minute an Spannung ein, und das, obwohl sich die Situation immer mehr zuspitzt, allerdings ist es das fadenscheinige Motiv in einem von Ziellosigkeit oder Beliebigkeit strotzenden Fall, welches einen relativ ratlos zurücklassen kann, falls man sich einfach wesentlich mehr erwartet hat. Leider untermauert das Finale und die damit aufgetischte Auflösung diesen Eindruck zusätzlich, und man wundert sich spätestens ab diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr, dass aus dieser Folge nichts Besonderes geworden ist, günstige Voraussetzungen hin oder her. Abschließend bleibt daher nur zu sagen, dass Rolf von Sydow mit "Playback oder die Show geht weiter" leider einen Beitrag im Fahrwasser des Durchschnitts inszeniert hat. Um das eindeutige Fazit letztlich noch halbwegs mit Shakespeare aufzupolieren: Der Rest ist... Ein Ohrwurm.

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Prisma
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Re: PLAYBACK ODER DIE SHOW GEHT WEITER - Rolf von Sydow

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Diese nette musikalische Kostprobe von Heidi Brühls Können stellt gleichzeitig auch den Abgesang dieser Episode dar:



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