DIE BLAUE HAND - Alfred Vohrer

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
Antworten
Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3768
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

DIE BLAUE HAND - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »




Bild


● DIE BLAUE HAND (D|1967)
mit Harald Leipnitz, Klaus Kinski, Ilse Steppat, Carl Lange, Diana Körner, Hermann Lenschau, Albert Bessler, Gudrun Genest, Ilse Pagé,
Fred Haltiner, Peter Parten, Thomas Danneberg, Harry Riebauer, Otto Czarski, Richard Haller, Heinz Spitzner und Siegfried Schürenberg
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Constantin Filmverleih
ein Film von Alfred Voher

Hand1.jpg
Hand2.jpg
Hand3.jpg
Hand4.jpg
Hand5.jpg
Hand6.jpg
Hand7.jpg
Hand8.jpg
Hand9.jpg

»Ich unterhalte mich nicht gerne mit Leuten die Unsinn reden!«


Dave Emerson (Klaus Kinski) wird wegen Mordes angeklagt. Das Gericht erkennt jedoch ein psychologisches Gutachten des Arztes Dr. Mangrove (Carl Lange) an, welches den Angeklagten für unzurechnungsfähig erklärt, sodass Emerson seine Haftstrafe in Mangroves Heilanstalt verbüßen muss. Es dauert nicht lange, bis ihm ein mysteriöser Unbekannter zur Flucht verhilft. In dieser Nacht erreicht der Ausbrecher Schloss Gentry, den nahe gelegenen Familiensitz, doch Duck (Otto Czarski), der Wärter, nimmt die Verfolgung auf, bis er im Inneren des Schlosses von einer unheimlichen Gestalt mit Kapuze ermordet wird. Wenig später treffen Inspektor Craig (Harald Leipnitz) und Sir John (Siegfried Schürenberg) von Scotland Yard ein, doch Dave bleibt verschwunden. Sie treffen lediglich Richard, seinen Zwillingsbruder, und dessen Stiefmutter Lady Emerson (Ilse Steppat) an. Hat der Dave erneut einen Mord begangen? Die Untersuchungen geben zunächst Hinweise auf die Mordwaffe: an einer Rüstung fehlt die sogenannte blaue Hand, ein eisernes Mordwerkzeug, das mit mehreren tödlichen Dolchen versehen ist...

Dieser 23. Beitrag nach Edgar Wallace aus dem Hause Rialto präsentiert sich vollkommen in der Silhouette der üblichen Arbeiten der Domäne von Alfred Vohrer, welche ab 1967 gebräuchlich waren und beinahe einem Fließband glichen. So kann vielleicht gesagt werden, dass mit "Die blaue Hand" der Grundstein für Freibriefe dieser Art gelegt wurde. Markenzeichen dabei ist nicht nur die teils hemmungslose Verspieltheit der Geschichten, sondern auch ein oft auffälliges Abwenden von empfundener Ernsthaftigkeit bei den Inszenierungen. Natürlich ist es relativ zu betrachten, inwieweit die meisten Vorgängerfilme eine Realitätsnähe repräsentieren konnten, doch das modifizierte Konzept erscheint in diesem Zusammenhang schon auffälliger konturiert. Aus heutiger Sicht drohen diese Beiträge im Gesamtkonzept der Reihe mehr oder weniger abzufallen, aber man darf auch nicht vergessen, dass sie hauptsächlich akkurat auf den Zeitgeist abgestimmt wurden. Eine immer wieder erfolgreiche Herangehensweise, denn die immer noch guten Zuschauerzahlen belegen die Beliebtheit der Serie durch diesen immer noch beachtlichen Zuspruch. Die Produktionen von 1967 haben bestimmt alle ihre Stärken, aber es zeigen sich auch verworrene Tendenzen, und das in bedeutendem Ausmaß. "Die blaue Hand" behandelt eine Geschichte, die auf den ersten und sogar auf den zweiten Blick recht interessant wirkt; der Unterhaltungswert ist dabei unbestritten. Das Drehbuch wirkt beim genauen Betrachten allerdings überfrachtet, dass unglaubwürdige Phasen im Endeffekt nicht ausbleiben werden. Die zahlreichen Kehrtwendungen, Effekte und Verstrickungen in Nebenhandlungen können insgesamt nicht über die Herkömmlichkeit dieses Falls hinwegtäuschen und im Farbfilm-Bereich gibt es schließlich Beiträge, die die Nase deutlich vorn haben. Wallace-Filme im Ganzen, das bedeutet der eigenen Impulsivität und den persönlichen Präferenzen auch einmal ungeniert freien Lauf zu lassen, denn es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Auch die Regie scheint diesen Luxus in Anspruch zu nehmen, denn der Bearbeitungsstil wirkt zwar insgesamt recht klassisch, doch in Phasen ebenso stürmisch, sodass es zu zahlreichen Gedankensprüngen kommt, die den Verlauf nicht immer in ein nachvollziehbares Licht rücken, insbesondere im sehnlichst erwarteten Finale dieser Veranstaltung.

Viele der hier ins Rennen geschickten Personen provozieren den Zuschauer richtiggehend durch ihr unmotiviertes Handeln und auch die Bindungen untereinander bleiben gewollt diffus, um ein möglichst beeindruckendes Finale präsentieren zu können, das wie erwähnt nicht immer schlüssig bleiben wird. Harald Leipnitz sieht man in seinem dritten und gleichzeitig letzten Auftritt. Seine Interpretationen haben die Reihe bereichern können, da seine Darbietungen sich immer eine Spur von der Konkurrenz abheben wollten, bestenfalls auch konnte. Sein sachlicher und beinahe leidenschaftsloser Stil kann als sein Markenzeichen angesehen werden und seine Ermittler waren nicht primär auf Sympathie-Fischzug oder Happy-End-Veranstaltungen angelegt. Da die Suche nach einer Partnerin in diesem Zusammenhang längst nicht mehr en vogue war, sieht man ihn als klassischen Einzelgänger, der es oftmals sogar nicht für nötig hält, seinen eigenen Chef von diversen Eigenmächtigkeiten zu unterrichten. Inspektor Craig hält sich nicht mit zeitraubenden Höflichkeiten oder Plänkeleien auf, und diese direkte Art lässt die Kontrahenten spüren, dass ihnen seine Hand bereits im Nacken sitzt. Klaus Kinski staffiert das Szenario gleich mit einer Doppelrolle aus, die allerdings wenig doppelbödig angelegt ist. Sehr schade hierbei ist, dass das Potential seiner langjährigen Serien-Erfahrung nicht im Entferntesten genutzt werden konnte. Wie oft gab er in seinen meist zwielichtigen Parts den Verrückten, den Irren oder den Aggressor, dem man schließlich alles hätte zutrauen wollen, doch hier wirkt er für seine Verhältnisse etwas zu zahm, zu greifbar und berechenbar. Nichtsdestotrotz scheint der hier verfügbare Klaus Kinski im Schutzgriff eines Allround-Drehbuches aber alles andere als uninteressant zu sein. Auch die Metamorphose vom vermeintlich Wahnsinnigen zum Co-Ermittler nimmt man ihm schließlich gerne und sogar mit leichtem Erstaunen ab. Die Interaktion mit Inspektor Craig und Sir John wirkt sehr ausgefeilt und es wird sogar etwas Raum für gelungene humoristische Untertöne geschaffen, die über die Projektionsfläche Sir John wie ein Uhrwerk laufen wird, denn Siegfried Schürenberg arbeitete sich schließlich zu einer der verlässlichsten Größen der kompletten Reihe hervor.

Eine der wichtigsten Gastrollen übernimmt abwechslungsweise und einmalig Diana Körner, die hier in ihrer ersten Kinorolle überzeugen kann. In den Titel-Credits wurde ihr Name zwar zugunsten der arrivierten Stars ziemlich nach hinten gereicht, aber faktisch und im klassischen Wallace-Sinn interpretiert sie die weibliche Hauptrolle. Die Anlegung des Charakters Myrna läuft erneut über das Bedrohte-Schönheit-Prinzip ab, allerdings steuert Diana Körner sehr angenehme Facetten bei, die sich entscheidend von vielen ihrer Kolleginnen unterscheiden. Überhaupt schildert der Verlauf eine wahrhaft strapaziös wirkende Angelegenheit für die junge Interpretin, die sich nicht nur mit dem unheimlichen Kapuzenmann herumschlagen muss, sondern auch mit Ratten, Würgeschlangen, Geisteskranken und einem dazu passenden Psychiater, der von Carl Lange eine bemerkenswert manipulative und abstoßende Gestalt bekommt. Dr. Mangrove steht offensichtlich hinter all den Verbrechen, doch auch er handelt lediglich im Auftrag eines Drahtziehers im Hintergrund, den er nur den »Boss« nennt. Womöglich sieht man den Flensburger in seinem besten Wallace-Auftritt, was sich auch von Ilse Steppat sagen lässt, die hier noch einmal etwas mehr Raum für ihre unverwechselbare Art und Interpretationsgabe geschaffen bekommt. Wie üblich ist auch ihre Lady Emerson nicht gerade die sympathischste Erscheinung. So ist zu erahnen, dass sie eine zu vertuschende Vergangenheit hat, sodass man gleich spekulativ auf diverse Abgründe blickt, die hier und dort auftauchen könnten. Wieder einmal erteilt Ilse Steppat eine Gratis-Lehrstunde in Sachen Gestik, Mimik und diffuser Angriffslust; besonders auffällig wirkt erneut ihre hypertone Körperhaltung, die immer dann auffällt, wenn sie sich plötzlich in die Enge getrieben fühlt, was in dieser Geschichte ziemlich oft vorkommen wird. Immer dann, wenn sie ihre Augen zusammenpitscht und ihre giftige Stimme erhebt, transportiert sie nervöse und sogar leicht hysterische Züge. Ein großartiger Präzisionsauftritt der feuerroten Interpretin. In weiteren Rollen fallen Gudrun Genest als resolute Krankenschwester, Albert Bessler als dubioser Butler und Ilse Pagé als verführerische Miss Finley auf, ohnehin ist die Geschichte bis in die kleinsten Rollen hervorragend besetzt.

"Die blaue Hand" ist eines der letzten wirklichen Verbindungsglieder zu urtypischen Edgar-Wallace-Verfilmungen, denn in den Bereichen Wiedererkennungswert und Grundstimmung arbeitet die Regie recht klassische Elemente heraus. Insbesondere die düstere, teils beklemmende Atmosphäre vermag hier noch einmal deutliche Akzente zu setzen, die selbst unkonventionelle Komponenten des Films in ihre Schranken verweisen. Auch diese Geschichte hatte angesichts des Produktionsjahres nicht vor, den Märchen-Charakter vollkommen abzulegen, sodass es zwar zu einer eingängigen Erzählung kommt, sich das Ganze aber nicht permanent aus dem Bereich des Möglichen anbieten wird. Leider lässt das straffe Erzähltempo im letzten Drittel des Films etwas nach und es kommen viel zu viele Auswüchse des Drehbuches zum Vorschein, die in aller Schnelle nicht geordnet werden können. Man kann es Verspieltheit nennen oder angesichts der so gut wie ausgeschöpften Möglichkeiten sogar Verzweiflung, doch Alfred Vohrer hat das Rad mit dieser Strategie nicht mehr neu erfinden können. Etliche Stilmittel wirken für heutige Begriffe nahezu überdreht und sogar weitgehend unangebracht. Die besagte atmosphärische Dichte setzt sich aus bewährten Stilmitteln zusammen: überdurchschnittlich viele Sequenzen spielen sich in dunkler oder nächtlicher Atmosphäre ab, Licht- und Schattenspiele bündeln ihre furchteinflößende Kraft. Ein altes Schloss, das Katakomben mit kostenpflichtigen Geheimgängen, Rüstungen und Skeletten in rätselhaften Räumen besitzt, in denen die Schlossbewohner durch Phantome beobachtet werden, sorgt für einen hohen Wiedererkennungswert und Geheimnisse. Hinzu kommt eine Irrenanstalt, die wie eine Ausgeburt der schlimmsten Alpträume wirkt, da ihre Räumlichkeiten so schäbig sind, dass sie insgesamt einen schönen Kontrast zur relativ guten Ausstattung darstellen. Passend dazu wirken die alternativen Klänge von Martin Böttcher, die noch nicht einmal konträr zum guten Ton der vielen Filme stehen, sondern dies im Bezug auf die geläufigen Töne des Komponisten selbst tun. Das große, ohne viele übrig gebliebene Verdächtige Finale wirkt wie ein Rundumschlag der eigensinnigsten Sorte und drückt dem Geschehen leider den finalen Stempel auf, dass alles ein wenig zu sehr konstruiert war. Insgesamt wird man jedoch von einem hohen Unterhaltungswert gepackt und letztlich kassiert, sodass sich dieser gute bis durchschnittliche Wallace im gehobenen Mittelfeld platzieren kann.

Percy Lister
Beiträge: 348
Registriert: Sa., 14.11.2020 16:15

Re: DIE BLAUE HAND - Alfred Vohrer

Beitrag von Percy Lister »

Prisma hat geschrieben: (...) präsentiert sich vollkommen in der Silhouette der üblichen Arbeiten der Domäne von Alfred Vohrer, welche ab 1967 gebräuchlich waren und beinahe einem Fließband glichen. So kann vielleicht gesagt werden, dass mit "Die blaue Hand" der Grundstein für Freibriefe dieser Art gelegt wurde. Markenzeichen dabei ist nicht nur die teils hemmungslose Verspieltheit der Geschichten...
Der Bogen der Erfolgsserie wurde langsam überspannt und deshalb wurden Alfred Vohrers Wagnisse in Sachen Horrorelemente immer exzessiver. Er tobt sich hier ungeniert aus und bringt seine perverse Vorliebe für Kloaken- und Dschungelfauna aggressiv zum Einsatz. Das verleiht dem Film ein Schmuddel-Image, das er gar nicht nötig hätte, weil die mannigfache Bedrohung in Gestalt von Dr. Mangrove und der unheimlichen "blauen Hand" durchaus gegeben ist.

Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3768
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: DIE BLAUE HAND - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »



Vohrers Affinität für Ratten, Schlangen oder Spinnen habe ich noch nie als besonders schlimm oder deplatziert empfunden, oft sogar passend, immerhin handelt es sich dabei um einfache aber wirkungsvolle Verstärker, dem Publikum einen Schauer über den Rücken laufen zu lassen oder es zu ekeln und in Spannungszustände zu versetzen. Die Verspieltheit der Geschichten ging am Ende oft zulasten der Glaubwürdigkeit, wobei es sich hier für mich eindeutig um einen Eindruck handelt, der sich nur durch das vielmalige Anschauen ergibt. Als Kind waren gerade Alfred Vohrers Spielereien die Highlights der Reihe für mich, was sich heute allerdings sehr relativiert hat.

Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3768
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: DIE BLAUE HAND - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »



Und hier noch der deutsche Kino-Trailer für ein paar bewegte Eindrücke:



Benutzeravatar
Richie Pistilli
Beiträge: 3554
Registriert: Sa., 31.10.2020 17:25
Wohnort: Provinzmetropole an Rhein und Mosel
Kontaktdaten:

Re: DIE BLAUE HAND - Alfred Vohrer

Beitrag von Richie Pistilli »

Bin gerade über drei Videos der US-Fassung gestolpert, die gerade erst vor wenigen Tagen auf YT gepostet wurden:


Info: Der Edgar Wallace-Krimi "Die blaue Hand" von 1967 erschien auch in den USA, wobei die Veröffentlichungsgeschichte selbst ein kleiner Krimi ist: Im Kino wurde der Film unter dem Titel "Creature with the Blue Hand" gezeigt; als Double Feature mit dem Film "The Beast of the Yellow Night". Dafür wurde er auf eine Länge von 74 Minuten gekürzt. Für eine spätere Videoveröffentlichung mit dem Titel "The Bloody Dead" entstanden 1987 unter der Regie von Samuel M. Sherman zusätzliche Szenen, mit denen man den Film für das zeitgenössische Publikum interessanter machen wollte. Man besorgte Kostüme, die denen aus dem Originalfilm ähnlich sein sollten und baute eine Zelle nebst Anstaltsflur nach. Vor der geplanten Veröffentlichung geriet jedoch ein Bootleg von "Creature with the Blue Hand" in Umlauf, weshalb das Label den Film nicht mehr herausbringen wollte. Sherman versuchte erfolglos, gegen den Verantwortlichen vorzugehen - der zu allem Überfluss Verbindungen zur Mafia hatte. So erschien die erweiterte Fassung des Films erst 1997 auf Video und schließlich (zusammen mit der "Creature with the Blue Hand"-Fassung) 2003 auch auf DVD.



1) Die blaue Hand: erweiterte Szenen der US-Videofassung von 1987/97 [Anmeldepflichtig!]
https://www.youtube.com/watch?v=8wRMhle5Ke4 [10:00 Min.]

2) Die blaue Hand: alternativer Vorspann der US-Videofassung von 1987/97 (The Bloody Dead)
https://www.youtube.com/watch?v=pp-3WzyQ1wQ

3) Die blaue Hand: Vorspann und Ende der US-Fassung von 1971 (Creature with the Blue Hand)


Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3768
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: DIE BLAUE HAND - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »

Richie Pistilli hat geschrieben:
Mi., 19.04.2023 19:14
Bin gerade über drei Videos der US-Fassung gestolpert

Normalerweise bin ich ja über jeden Schnipsel Edgar Wallace froh, aber hier entsteht leider kein bedeutender Mehrwert. Als ich diese Szenen seinerzeit das erste Mal sah, dachte ich mir hinterher nur, dass ich es hätte wissen müssen, wobei die Ermordungsszenen hier wirklich deftiger wirken. Zwar ist der Versuch einigermaßen gelungen, das Setting und sogar den Vorspann zu simulieren, aber für die laufende Geschichte kommt es kaum zu brauchbaren Zusammenhängen, sondern hauptsächlich abgetrennten, mit Blut verschmierten Leichenteilen. Bei solchem Zusatzmaterial ist es bei mir immer dasselbe: Ich weiß, dass das Angebot enttäuschend verlaufen wird, aber ich will es trotzdem unbedingt sehen. :mrgreen:

► Text zeigen
► Text zeigen

Benutzeravatar
Richie Pistilli
Beiträge: 3554
Registriert: Sa., 31.10.2020 17:25
Wohnort: Provinzmetropole an Rhein und Mosel
Kontaktdaten:

Re: DIE BLAUE HAND - Alfred Vohrer

Beitrag von Richie Pistilli »

Prisma hat geschrieben:
Mo., 24.04.2023 10:36
Richie Pistilli hat geschrieben:
Mi., 19.04.2023 19:14
Bin gerade über drei Videos der US-Fassung gestolpert


Normalerweise bin ich ja über jeden Schnipsel Edgar Wallace froh, aber hier entsteht leider kein bedeutender Mehrwert.

Hatte die verlängerten Szenen der US-Fassung bis dato noch gar nicht bewusst auf dem Schirm gehabt.



Prisma hat geschrieben:
Mo., 24.04.2023 10:36
Als ich diese Szenen seinerzeit das erste Mal sah, dachte ich mir hinterher nur, dass ich es hätte wissen müssen, wobei die Ermordungsszenen hier wirklich deftiger wirken. Zwar ist der Versuch einigermaßen gelungen, das Setting und sogar den Vorspann zu simulieren, aber für die laufende Geschichte kommt es kaum zu brauchbaren Zusammenhängen, sondern hauptsächlich abgetrennten, mit Blut verschmierten Leichenteilen. Bei solchem Zusatzmaterial ist es bei mir immer dasselbe: Ich weiß, dass das Angebot enttäuschend verlaufen wird, aber ich will es trotzdem unbedingt sehen. :mrgreen:


► Text zeigen
► Text zeigen

Vielen Dank für die Aufklärung. :hut:

Das war auch meine eigentliche Intention gewesen, denn da ich keinen Account bei YT besitze, konnte ich mir auch nicht das Video mit den erweiterten Szenen der US-Fassung anschauen. Aber dank Deiner bebilderten Erläuterung weiß ich jetzt, um was es sich letztlich dreht. Merci! :D

Benutzeravatar
Richie Pistilli
Beiträge: 3554
Registriert: Sa., 31.10.2020 17:25
Wohnort: Provinzmetropole an Rhein und Mosel
Kontaktdaten:

Re: DIE BLAUE HAND - Alfred Vohrer

Beitrag von Richie Pistilli »

Mittlerweile gibt es auf Schnittberichte.com auch einen Vergleich der beiden Schnittfassungen:


Deutsche Kinofassung vs US-Wiederaufführungsfassung

https://www.schnittberichte.com/schnitt ... ?ID=510392

Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3768
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: DIE BLAUE HAND - Alfred Vohrer

Beitrag von Prisma »



CLF-Ilse Steppat1.JPG
CLF-Ilse Steppat2.JPG
CLF-Ilse Steppat3.JPG


● ILSE STEPPAT als LADY EMERSON in
DIE BLAUE HAND (D|1967)



Das Anbieten von Schablonen, Klischees und Stereotypen in Filmen gehört wie das Klappern zum Handwerk, ist somit auch in der Wallace-Reihe immer wiederzufinden. Im Sinne der Anklage ist eine Interpretin wie Ilse Steppat daher immer schnell (vor)verurteilt, schließlich sorgt sie stets aktiv für den Eindruck, dass man ihr nicht trauen kann, falls sie diese Scharade überhaupt anbietet. In Alfred Vohrers "Die blaue Hand" blickt man auf eine Vertreterin des Adelsstandes, die - wie sich herausstellt - einfach nur zum richtigen Zeitpunkt gut geheiratet hat, allerdings über einen merklich bürgerlichen, wenn nicht sogar ordinären Kern verfügt. In ihrem hier dritten und letzten Wallace-Auftritt kann Steppat nochmals bemerkenswerte schauspielerische Akzente anbieten, wenngleich sie in all ihren Parts gegen eine gewisse dramaturgische Unschärfe zu spielen hatte. Auch ohne es konkret zu wissen, scheint klar zu sein, dass die Linien zwischen Gesetz und Gesetzlosigkeit, Gut und Böse oder Sympathie und Antipathie zu verschwimmen scheinen. Wie so oft stattet die markante Mimin ihr Angebot mit diversen Schwierigkeiten für den Zuschauer aus, zumal es so wirkt, als wolle sie diesen mit uneindeutigen Handlungsweisen, zwiespältigen Aussagen und Dialogen oder unsympathischem Auftreten geradezu provozieren, um ihn möglicherweise aufs Glatteis zu führen. Wie man erfährt, hat die feuerrote Lady eine weltliche Vergangenheit, was sie auf der anderen Seite wieder griffig erscheinen lässt. Wer ist Lady Emerson? Ein unschuldiges Opfer eines doppelten Spiels, eine Schuldige, die sich in eine Opferrolle bringt, Drahtzieherin, williges Werkzeug oder gar nichts von alledem? Ilse Steppat spielt geschickt mit Gegensätzen und einer gut konstruierten, undurchschaubarem Aura, die hier selbst die Polizei in die Defensive drängt. Bei einem bissigen Verhör ändern sich diese Voraussetzungen allerdings grundlegend: »Gut, ich bin nicht die Mutter dieser Kinder, aber ich bin Lady Emerson! Und Sie verhören mich in einem solchen Raum in einem solchen Ton, nur weil Ihnen nicht gefällt, dass ich einmal Tänzern war in Lokalen, die Sie Sir John, ohne Bedenken, und öfter aufgesucht haben.«

Die brüskiert wirkende Lady gibt zu verstehen, dass es sich bei ihr um eine Instanz handelt, deren Angriff sich perfekt zur Verteidigung eignet. Je mehr Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten dem Gegenüber bereitet werden, je mehr signalisiert wird, dass man es mit einem unbequemen Gegner zu tun bekommen wird, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Fokus auf ihre Person sich aufweichen könnte. Offenbar weiß Lady Emerson über den kriminellen Background und diverse Machenschaften Bescheid, zumindest lässt das Dargebotene kaum einen anderen Schluss zu und der Zuschauer kann sich einfach nicht mit der selbstverständlichen Attitüde der mindestens einmal Verdächtigen anfreunden. Betrachtet man das Steppat'sche Wallace-Triple, so kristallisiert sich schnell ein persönlicher Lieblingsauftritt heraus, der wahrscheinlich zwischen "Der unheimliche Mönch" und "Die blaue Hand" auszumachen sein dürfte. Lady Emerson ist in großartigen Intervallen zu sehen, ihre Szenen zählen sicherlich zu den eindringlichsten des Films. Ihr Hintergrundwissen könnt diesen Fall sicherlich in Windeseile auflösen, doch es muss etwas geben, dass sie an einer möglichen Compliance hindert. Hier ergeben sich gleich mehrere Möglichkeiten, doch unterm Strich erwartet sie sich mehr von der misslichen Lage. Selbst als ihre Stiefkinder nach der Reihe ermordet werden, schweigt sie, was sie in ein bedenklich schlechtes Licht rückt. Kann man zwischen negativ angelegter Rolle, Antipathie und hervorragendem Darbietungsstil unterscheiden, ergibt sich eine der besten Interpretationen des gesamten Films und eine besonders eindrückliche Studie einer Frau, die sich so oder so für den Weg in eine persönliche Katastrophe entschieden hat. Steppats Stimmfärbung, ihre hysterischen Anwandlungen, die nervöse Körperspannung und der diffuse Angriff lassen erahnen, dass ihre Nerven blank liegen; eine Situation, die sich ein Drahtzieher und Mörder sicherlich nicht leisten kann, was sie eindeutig in den Kreis der Verdächtigen verweist, denen als Helfershelfer der Prozess gemacht werden muss. Es bleibt eine darstellerisch wirklich beachtenswerte Leistung, die diesen Film besonders nachhaltig prägt



Antworten