DER HEXER - ALFRED VOHRER

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DER HEXER - ALFRED VOHRER

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DER HEXER (D|1964)
mit Joachim Fuchsberger, Heinz Drache, Sophie Hardy, Siegfried Lowitz, Jochen Brockmann, Siegfried Schürenberg, Ann Savo,
Carl Lange, Karl John, Kurt Waitzmann, Hilde Sessak, Petra von der Linde, Kurd Pieritz sowie Eddi Arent und Margot Trooger
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Constantin Filmverleih
ein Film von Alfred Vohrer

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»Verdächtig ist jeder, der es sich leisten kann!«


Gwenda Milton (Petra von der Linde), die Sekretärin des angesehenen Rechtsanwaltes Maurice Messer (Jochen Brockmann), wird tot in der Themse aufgefunden. Jedoch ist die junge Frau nicht ertrunken, sondern sie wurde zuvor ermordet. Außerdem handelt es sich bei ihr um die Schwester von Arthur Milton, dem sogenannten "Hexer", der einst nach Australien ins Exil gehen musste, da er einige Verbrecher zur Selbstjustiz gezwungen hatte. Die Tatsache dieser familiären Bindung versetzt die Mörder von Gwenda Milton in Angst und Schrecken, denn sie fürchten berechtigterweise Rache, denn Arthur Miltons Frau Cora Ann (Margot Trooger) hat sich zur Beerdigung angekündigt. Inspektor Higgins (Joachim Fuchsberger) begibt sich auf die turbulente Suche und gerät dabei in viele Komplikationen, doch er bekommt Unterstützung von seinem bereits pensionierten Kollegen Warren (Siegfried Lowitz), der der Einzige ist, der das wahre Gesicht des Verkleidungskünstlers Arthur Milton jemals gesehen hat...

In der Edgar Wallace-Reihe ist "Der Hexer" ohne jeden Zweifel eine Ausnahmeerscheinung, da der Film mit einem zunächst eigenwilligen Konzept überrascht. Was beim ersten Ansehen also für Furore sorgt, sind die Unterschiede in der Strategie, gemessen an den meisten anderen Beiträgen der erfolgreichen Krimi-Reihe. Beim mehrmaligen Anschauen kann sich jedoch nur wenig von diesem anfänglichen Überraschungsmoment aufrecht erhalten. So besteht zumindest die Möglichkeit, dass sich der Film nach mehrmaligem Anschauen und nach etlichen Jahren zum guten Mittelmaß reduziert, und das trotz aller Extravaganz und der vollkommen klassischen Bearbeitung. Fakt ist, dass er diesen überbewerteten Stellenwert dem persönlichen Empfinden nach fast ausschließlich seinen exzellenten Schauspielern und der Plot-Variation zu verdanken hat. Unterm Strich könnte man "Der Hexer" neben "Der unheimliche Mönch" vielleicht sogar als den großen Schauspielerfilm der Reihe bezeichnen. Die Person der Titelfigur und das veranstaltete Katz- und Mausspiel, sowie die zugegebenermaßen sehr gelungenen Auswüchse rund um die eigentliche Handlung, sind allerdings genau betrachtet vielleicht nicht mehr und nicht weniger beeindruckend als die meisten herkömmlichen Fälle der Reihe. Die turbulente Umsetzung setzt ausgleichsweise sehr prägnante und anerkennungswürdige Akzente und es offenbart sich ein zweifellos großer Unterhaltungswert, der ja schließlich ein Aushängeschild der langjährigen Reihe darstellt. Die Doppelspitze, die ermittlungstechnisch ja noch eine tatkräftige Erweiterung erfahren wird, kann man hier durchaus beispiellos nennen und es existiert kein anderer Film, der sich diesen nahezu verschwenderischen aber publikumswirksamen Luxus erlaubte.

Joachim Fuchsberger und Heinz Drache gemeinsam in einem Film, das ist und bleibt schon etwas Besonderes. So kommt es eben, dass diese ungleiche Konstellation ungezügelt zu Vergleichen anregt und schließlich zum Einteilen in besser und schlechter verleitet, sprich, zum Klagen auf hohem Niveau. Um dennoch ein Gleichgewicht herzustellen, muss das Drehbuch für Ordnung sorgen. Obwohl die Rollenverteilungen sehr ungleich erscheinen, sollten sich beide Protagonisten schließlich auf Augenhöhe treffen. Für das Funktionieren dieser Strategie zeigt sich fast einzig und alleine Joachim Fuchsberger verantwortlich, denn die Voraussetzung dafür ist die Anlegung seiner Rolle. Oft wird Inspektor Higgins vorgeworfen, dass er sich zu sehr von privaten Belangen ablenken lässt, dass er im Verlauf mehr als in anderen Wallace-Filmen oder Epigonen sehr viel einstecken muss und letztlich weniger maßgeblich an der Auflösung dieses verzwickten Falles beteiligt ist. Diese Komponenten stellen nur vordergründig eine vermeintliche Schwäche dar, sind aber im Endeffekt nur die Grundvoraussetzungen für das glaubhafte Funktionieren der Rolle des Inspektor Wesby, der so ungehindert im Hintergrund agieren kann. Auch ohne große Kniffe fällt einem so die Charakterzeichnung der beiden frappant ins Auge. Durch Heinz Drache wirkt Joachim Fuchsberger somit noch einmal wesentlich sympathischer und agiler, und umgekehrt wirkt Wesby durch seinen Gegenspieler deutlich kompetenter und undurchsichtiger. Falls es denn so gewollt war, ist die Strategie aufgegangen. Heinz Drache und dem Zuschauer wurde die verkrampfte Suche nach einer Partnerin in diesem Fall glücklicherweise erspart, und als Einzelgänger mit hoher Konzentration und klarer Auffassungsgabe wusste er schließlich stets am meisten zu überzeugen. Außerdem wäre dieser Inhalt neben Fuchsberger noch mehr als sonst total unglaubwürdig gewesen. Vermutlich wäre dem Publikum bereits hier schon eine Art Judith Dornys angeboten worden.

Die Dame die Higgi mächtig den Kopf verdreht und Nerven kostet, ist die aufgeweckte und nicht minder aufregende Sophie Hardy, die im Gegensatz zu so vielen unwirschen Besetzungsflops aus Vorgängerfilmen eine angenehme Überraschung darstellt. Die Französin spielt mit erfrischender Leichtigkeit und sowieso mit allem was sie zu bieten hat. Wenn man eine Antenne für ihr Schauspiel mit diesem doppelten Augenzwinkern hat, fühlt man sich angenehm begleitet und blendend unterhalten. Hinzu kommt, dass sie hervorragend zu ihrem noch unentschlossenen Partner passt, auch wenn dieses knisternde Tauziehen zum Teil schon zu viel zu werden droht, da es für die Geschichte eben kaum relevant sein wird. Die Schlacht ist jedenfalls eröffnet, wenn sie auf die feurige Finnin Ann Savo trifft, und es bleibt die Frage, wer wem lieber nicht in die Hände fallen möchte. Die beiden übertrumpfen sich mit spitzen Kommentaren, zeigen sich überaus angriffslustig und fahren mit Vorliebe die scharfen Krallen aus. Ein immer wieder gerne gesehenes Spektakel und es ist schade, dass man Ann Savo im Nachfolgefilm durch Gisela Hahn ersetzte, was übrigens auch für Joachim Fuchsberger gilt. Man hätte in "Neues vom Hexer" gerne weiter auf das Ehepaar Higgins setzen können. Wenn man das Schauspiel der beiden Damen sehr gut nennen möchte, muss bei Margot Trooger nach Superlativen gesucht werden. Cora Ann Milton, die Dame von Welt, die turmhoch über den Geschehnissen steht, erteilt in allen Belangen eineinhalb Lehrstunden. Die Frau des großen Unbekannten überlagert und dominiert das Geschehen zeitweise durch Aura, Schlagfertigkeit, Charme und Eleganz. Obwohl sie die Frau eines gesuchten Verbrechers ist, hegt man zahlreiche Sympathien für sie. Eine tolle Performance von Margot Trooger, die hier noch wesentlich exponierter in Erscheinung tritt, als es leider im zweiten Film der Fall war.

Um den anscheinend ausweglosen Fall zu lösen, wird Inspektor Warren als Unterstützung nach Scotland-Yard bestellt. Siegfried Lowitz zeichnet seine Inspektorenfigur a.D. sehr überzeugend, gewitzt und dabei wird er als Schlüsselfigur überaus geschickt in den nebulösen "Hexer"-Fall eingebaut. Seine Routine und Kombinationsgabe lassen ihn auch in hektischen Situationen nicht im Stich und einen kühlen Kopf bewahren, wobei er hin und wieder etwas zu aufdringlich in Szene gesetzt wirkt, was aber wohl der turbulenten Handlung geschuldet ist. Eine der besten Leistungen liefert Jochen Brockmann als skrupelloser Anwalt Messer. Seine Erscheinung wirkt überaus abstoßend und seine Strategie sogar lange lückenlos. Besonders interessant sind die Szenen, in denen er immer wieder kurz die Beherrschung zu verlieren droht und sein wahres Gesicht durchschimmern lässt, nämlich einen gewohnheitsmäßigen Verbrecher in Anwaltsrobe. Seine Intelligenz erweist sich dabei als starke Waffe. Einige der eindringlichsten Szenen im Film entsteht mit ihm, als er beispielsweise sein eigenes Todesurteil erhält oder Mrs. Milton gegenübergestellt wird. Das Gangsterquartett, dass sich vorzugsweise mit Mädchenhandel, aber auch Mord beschäftigt, wird ausgezeichnet von Carl Lange, Karl John und Kurt Waitzmann abgerundet. Siegfried Schürenberg ist bereits ein waschechter Routinier und seinen Sir John stattet er immer wieder gerne mit neuen Facetten aus, sodass es nie eintönig oder gar langweilig wird. Eher ist das Gegenteil der Fall. Eddi Arent als Finch sorgt nicht nur für angenehmen und gut dosierten Humor in diesem Handlungsverlauf, es ist auch interessant ihm dabei zuzusehen, wie er mal auf der anderen Seite des Gesetzes funktioniert. Dieser Film ist bis in die Nebenrollen unerhört gut besetzt und alleine deswegen schon ungeheuer sehenswert.

"Der Hexer" bietet viele erinnerungswürdige Ideen und zeigt sich in der bereits fortgeschrittenen Reihe zunächst als Ausreißer, wenngleich dieser Eindruck wie erwähnt vielleicht nicht beim mehrmaligen Anschauen aufrecht erhalten kann. Die Parallelhandlung mit Mädchenhandel zwängt sich glücklicherweise nicht penetrant auf, auch wenn sie relativ wichtig für den Handlungsablauf wird. Alfred Vohrer kann seiner Routine auch hier wieder einen neuen Anstrich verpassen und stellt ein gelungenes Gesamtpaket zur Verfügung, das mit Spannung Tempo und Kehrtwendungen, aber auch mit Atempausen und falschen Fährten gespickt ist. Die Musik von Peter Thomas, die sicherlich zurecht einen sehr hohen Wiedererkennungswert besitzt, aufgrund ihrer wenig melodischen und stumpfen Ausarbeitung aber zu den schwächeren Hauptthemen gezählt kann, bleibt aufgrund der vielen Variationen im Ohr. Das Finale versammelt alle noch überlebenden Personen in einer packenden und überraschenden Auflösung, offeriert zusätzlich einen spektakulären Besetzungsbonus und ebnet die Voraussetzungen gekonnt für die bevorstehende Fortsetzung. "Der Hexer" kann insgesamt von sich behaupten, dass er in Sachen Flair und Konzept viele Überraschungen und Ausnahmen zu bieten hat und seinen Status als Klassiker zweifellos verdient hat. Andererseits kann er wegen der isolierten Handlung nur schwer ein generell gleichbleibendes Niveau von der Erst- bis zur Nächstansicht beibehalten, was allerdings keinen Hemmschuh darstellt. Aus persönlicher Sicht ist Alfred Vohrers Beitrag daher ein Film, den andere Klassiker nennen, weil er im Grunde genommen nur eine recht kurze Halbwertzeit besitzt und andere, ebenfalls mit Neuerungen ausgestattete Beiträge der Reihe wesentlich deutlichere Abkopplungsversuche unternommen haben, die nachhaltiger überzeugen. Dennoch immer wieder gerne gesehen.

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