ALS GESTOHLEN GEMELDET - Wilm ten Haaf

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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ALS GESTOHLEN GEMELDET - Wilm ten Haaf

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● FOLGE 48: TATORT - ALS GESTOHLEN GEMELDET (D|1975)
mit Gustl Bayrhammer, Helmut Fischer, Willy Harlander, Hans Baur und Walter Richter
als Gäste: Gisela Uhlen, Susanne Uhlen, Felix Franchy, Beate Hasenau, Ralf Wolter, Harry Kalenberg, Uli Steigberg, u.a.
eine Gemeinschaftsproduktion der ARD | mit dem ORF | eine Sendung des BR
Regie: Wilm ten Haaf

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»Ist denn das ein Ernstfall?«


Am Münchner Stadtrand wird ein Schwerverletzter in einem Straßengraben gefunden. Es handelt sich um den KFZ-Meister Otto Jirisch (Felix Franchy), der wenig später ins Koma fällt. Da von ihm keine Angaben zu erwarten sind, ermittelt Oberinspektor Veigl (Gustl Bayrhammer) zunächst in alle Richtungen, bis eine konkrete Spur in die Autowerkstatt führt, in der das Opfer zuletzt tätig war. Die Inhaberin des Betriebes, eine verwitwete Frau Stumm (Gisela Uhlen), reagiert sehr bestürzt, doch es scheint, als habe sie auch etwas zu verbergen. Veigl nimmt das Geschäft genauer unter die Lupe, bis sich eine ungewöhnlich hohe Häufung von Diebstählen zuvor im Autohaus gekaufter Autos feststellen lässt. Eigenartig dabei erscheint, dass man stets für schnellen Ersatz sorgen konnte...

Ein Tatort wie viele andere - oder doch nur ein Fundort? Eine Geschichte wie sie schon häufig dagewesen ist, und Charaktere wie man sie zu Genüge kennengelernt hat. All dies bildet zunächst die losen Eckpfeiler dieses 48. Falls der "Tatort"-Reihe, der unter der geregelten Leitung von Wilm ten Haaf einiges zu bieten haben wird. Das Opfer eines Mordanschlags liegt im Koma, und wenn man sich das Gesetz der Serie vor Augen hält, dürfte es sich wohl nur noch um eine Frage der Zeit handeln, bis die Polizei Ermittlungen in einem Mordfall durchzuführen hat. Klar gestrickte Spuren führen den Zuschauer zu einer unscheinbaren Autowerkstatt, die von einer noch unscheinbarer wirkenden Dame geführt wird. Ermittlungstechnisch bekommt man in "Als gestohlen gemeldet" sehr klassische Eindrücke einschlägig bekannter Kriminalformate geboten und zunächst will es so wirken, als scheine sich alles ein wenig zu glatt abzuspielen, doch spätestens wenn das Duo Gisela und Susanne Uhlen erstmals die Bühne betritt, erwartet man förmlich vorprogrammierte Reibungsflächen, die sich vor allem in einer eigenartig angespannten Interaktion der beiden herauskristallisieren. Da kein Geringerer als Gustl Bayrhammer die Ermittlungen führt, ist mit einer sehr urigen Art der Polizeiarbeit zu rechnen, in der zwischen anscheinender Taktlosigkeit über Bissigkeit bis hin zu subtilem Humor alles zu finden ist. Die Befragungen liefern gleichzeitig die Profile der einzelnen Personen, sodass sich kleinere Überraschungen beziehungsweise Abgründe auftun dürfen. Unterm Strich bleibt dieser Fall jedoch merklich demonstrativ auf der sicheren Habenseite, ohne sich spektakuläre Kapriolen zu leisten. Unter normalen Umständen und ausschließlicher Betrachtung der thematischen Gegebenheiten würde sich dieser Eindruck aufrecht erhalten lassen, doch man hat die Rechnung definitiv ohne die besonderen Einsätze von Gisela und Susanne Uhlen gemacht, die beide sehr provokante Register zeichnen dürfen.

Die Basis für das gute Funktionieren dieser nicht uninteressanten Geschichte besteht aus verwirrenden Elementen und nebulös erscheinenden Personen, außerdem einer nahezu passiv und überaus unbestimmt wirkenden Aggression. Regisseur ten Haaf arbeitet schließlich ein breit angelegtes Misstrauensvotum gegenüber allen Beteiligten dieser im Endeffekt sehr ruhig und mit klarem Aufbau versehenen Geschichte aus, das bis zum Ende Rätsel aufgibt, obwohl einige der Verdächtigen noch einknicken werden. Liaisons dangereuses liegen wie ein alles vereinnahmender Schleier über dem Geschehen, immerhin wurde das Opfer der Geschichte im Rahmen der Ermittlungsarbeit hinlänglich vorgestellt. Folge 48 der beliebten Kriminalserie gestattet Gisela Uhlen nochmals eine große Bühne, auf der sie alle erforderlichen Finessen ihres breiten Repertoires zeigen darf, wenngleich Diskretion und Zurückhaltung einer Geschäftsfrau im Vordergrund stehen, die ihren verstorbenen Mann zu stehen hat. Der Verlauf skizziert des Weiteren die Tiefen eines Mutter-Tochter-Verhältnisses, mit dem es offensichtlich nicht zum Besten steht. Susanne Uhlen präsentiert sich in diesem Zusammenhang lasziv und provokant; ihre Mutter ist permanent damit beschäftigt, die angeschossenen Torpedos des Teenagers zu entschärfen. Insolenz und Provokation wirken sich negativ auf die laufenden Geschäfte aus und bringen die Inhaberin der Autowerkstatt ins Gerede, doch es kommt zu keinem Clash unter vier Augen, da Frau Mama ebenfalls ausgiebig, wenn auch wesentlich diskreter mit dem Feuer gespielt hat. Wenn aus Mutter und Tochter erbitterte Rivalinnen werden, ist eine größere oder kleinere Katastrophe so gut wie vorprogrammiert. Obwohl es selten Andeutungen in diese Richtung gibt, scheint ein Eklat unausweichlich zu sein, da ein Mann als skrupelloser Marionettenspieler im Hintergrund agiert. Das facettenreiche Spiel der beiden Uhlens wertet die Folge in jeder Einstellung auf und es ist hoch interessant sie gemeinsam vor der Kamera zu sehen; eine Möglichkeit, die leider so gut wie nie in Anspruch genommen wurde.

Darstellerisch funktioniert dieser 48. "Tatort"-Fall auch fernab des Zusammenspiels der weiblichen Aufhänger der Episode. Felix Franchy zeichnet dabei zunächst das Opfer, welches bereits in der ersten Szene so gut wie tot ist, jedoch wird der Herr mit seinen egoistischen Ambitionen noch hinreichend in Rückblenden vorgestellt. Um sich beruflich und vor allem finanziell zu verbessern, erscheint ihm jedes Mittel zum Zweck recht zu sein. Wem er damit schadet ist nebensächlich. Dem Publikum wird bei der Vorstellung des im Normalfall zu bemitleidenden Opfers schnell klar, dass es scharenweise Motive geben dürfte, um den unbequemen Werkstatt-Playboy zu beseitigen, allerdings bleibt der Fall aufgrund zahlreicher unkooperativer Personen lange Zeit undurchsichtig genug, um für eine solide Form der Anspannung zu sorgen. Der zugegeben recht kleine Kreis der Verdächtigen wird durch eine wie so oft vulgär und aufdringlich wirkende Beate Hasenau und einen in seiner betonten Aufdringlichkeit auffallenden Ralf Wolter abgerundet, der zweifellos seine interessantesten Auftritte abseits seines obligatorischen Klamauk-Fachs lieferte. Wenn sich der schnörkellos aufgebaute Fall schließlich zu ordnen beginnt und erste handfeste Indizien auf dem Tisch liegen, festigt sich der Eindruck einer klug konstruierten Geschichte der erfolgreichen Reihe, die zeitweise vielleicht etwas zu herkömmlich und reibungslos wirkt, aber gleichzeitig sehr genau in die gemütliche Ermittlerwelt eines Kriminaloberinspektor Veigl passen will, der hier bereits seinen fünften Fall zu lösen hat. Bei seiner Erstausstrahlung erreichte "Als gestohlen gemeldet" übrigens einen beachtenswerten Marktanteil von 67 %. Wilm ten Haaf ist es insgesamt sehr anschaulich gelungen, kriminelle Aktivitäten im gut bürgerlichen Milieu zu zeichnen und dabei ein wenig in zwischenmenschliche Abgründe zu leuchten, die weniger einer Märchenwelt als der manchmal bitteren Realität entliehen sind. Unterm Strich sollte man diese solide und greifbare Veranstaltung vielleicht auch nicht zuletzt wegen des besonderen Zusammenspiels von Gisela und Susanne Uhlen gesehen haben.

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