DAS VERRÄTERTOR - Freddie Francis

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DAS VERRÄTERTOR - Freddie Francis

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● DAS VERRÄTERTOR / THE TRAITOR'S GATE (D|GB|1964)
mit Albert Lieven, Margot Trooger, Catherine von Schell, Eddi Arent, Klaus Kinski, Edward Underdown und Gary Raymond
ein Rialto Film Preben Philipsen | Summit Film | im Constantin Filmverleih
ein Film von Freddie Francis

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»Wie ist das Leben in Südamerika?«


Einem Strafgefangenen namens Graham (Gary Raymond) gelingt die Flucht aus dem Zuchthaus Dartmoor, doch es handelt sich um keinen zufälligen Ausbruch. Alles wurde bis ins Detail organisiert und zwar von dem erfolgreichen Geschäftsmann Trayne (Albert Lieven), der sich einen absolut raffinierten Plan ausgedacht hat, für den er Graham unbedingt braucht. Er will die Kronjuwelen aus dem Tower stehlen. Da Graham dem Tower-Wärter Carnaby verblüffend ähnlich sieht, und Traynes Sekretärin Hope (Catherine von Schell) seine Verlobte ist, sind alle Voraussetzungen für den Coup gegeben. Der Drahtzieher hat allerdings die Interessen seiner eigenen Komplizin Dinah Pawling (Margot Trooger) unterschätzt, die sich ab einem gewissen Zeitpunkt selbstständig zu machen versucht. Es scheint alles glatt zu laufen, doch plötzlich stört eine kleine Komplikation die gesamte Operation, und zwar Mord...

Bei "Das Verrätertor" handelt es sich nach Ákos von Ráthonyis "Das Geheimnis der gelben Narzissen" aus dem Jahr 1961 erst um die zweite deutsch-britische Co-Produktion der Rialto Film, obwohl es sich hierbei doch um eine überaus logische Länder-Allianz handelt, die naturgemäß noch mehr klassische Elemente mit sich zu bringen scheint. In der persönlichen Rangliste ist dieser Beitrag von 1964 bei jenen Wallace-Filmen anzusiedeln, die zunächst geringere Beachtung fanden und dementsprechend am wenigsten geschaut wurden, was sicherlich an dem nicht vorhandenen Whodunit liegen mag, aber eben auch an der überaus klassischen Inszenierung, die hier beinahe kühl wirkt. "Das Verrätertor" gehört letztlich zu den Produktionen der Reihe, die eine neue Marschrichtung vorgeben, sich von gewohnten Schablonen abheben können und einen grundverschiedenen Tenor vorgeben. Auch der unwirsche Umbau der Besetzungsliste ist sicherlich mit dafür verantwortlich, dass Francis' Beitrag seinerzeit nicht die üblichen Besucherzahlen an der Kinokasse einfahren konnte. Dass ein Wallace eigentlich kaum typischer inszeniert sein kann, bleibt gleichzeitig eine Art Hemmschuh, und so kann es recht lange dauern, bis man "Das Verrätertor" zu schätzen lernt. Mehrere positive Eindrücke können die negativen ja oftmals merklich überlagern, und genau dies kann aufgrund der schnörkellosen Inszenierung auch hier wahrgenommen werden. Falls man sich auf den Film einlassen kann, bekommt man ein sehr ansprechendes und atmosphärisch dicht inszeniertes Stück Wallace zu sehen, sodass die sich langsam entfaltende Überzeugungskraft gleichzusetzen ist mit vorhandenem Potential und einem nachhaltigen Unterhaltungswert.

Die Liste der Darsteller muss hier beinahe ohne die üblichen Zugpferde und Steigbügelhalter auskommen, was auf den ersten Blick irritierend wirkt, sich beim anschauen des Films aber komplett legt, da ein sehr überzeugendes Ensemble am Werk ist. Albert Lieven, hier ungewöhnlicherweise in der Hauptrolle zu sehen, konnte bereits auf Wallace-Erfahrung zurückblicken und er stellt sich im Handumdrehen als der richtige Mann für die Verkörperung des undurchsichtigen Geschäftsmannes Trayne heraus, der das Selbstbewusstsein besitzt, einen der größten Coups der englischen Kriminalgeschichte zu planen und durchzuziehen. Gefährlich an ihm ist unbestreitbar seine Intelligenz, die in Verbindung mit seinem kriminellen Potential nicht zu unterschätzen ist. Mit seiner weltmännischen, charmanten und sachlichen Art ist er geradezu prädestiniert dafür, dass ihn seine Kontrahenten aber auch Komplizen leicht unterschätzen. Sein Kopf befiehlt allerdings über fremde Hände, die er sich im buchstäblichen Sinn selbst nicht aktiv schmutzig machen möchte. Daher scheint sein Plan lückenlos zu sein, genau wie die Auswahl seiner Helfershelfer. Albert Lieven überzeugt mit einem Präzisionsauftritt in einer maßgeschneiderten Paraderolle. In diesem Bereich steht ihm Margot Trooger in nichts nach, die zu dieser Zeit gerade durch Alfred Vohrers Großerfolg "Der Hexer" in lebhafter Erinnerung war. Dinah Pawling strahlt förmlich vor Eleganz und Selbstsicherheit; wer konnte Damen mit dem Hang zum Kriminellen, mit Vergangenheit oder mit nur angedeuteten inneren Abgründen bemerkenswerter interpretieren als Margot Trooger? Sie beweist hier, wie es möglich sein kann, beinahe ausschließlich über die Körpersprache große Momente entstehen zu lassen.

Für die neuen Gesichter stehen die attraktive, aus Ungarn stammende Catherine von Schell und der Brite Gary Raymond. Hope Taylor ist eine bildschöne und als Sekretärin des Geschäftsmannes Trayne zwar sehr bodenständige junge Frau, doch im Sinne des Prinzips des unschuldigen Opfers kann sich Catherine von Schell nicht merklich hervortun. So bliebt eine recht angenehme, wenn auch ziemlich willkürliche Besetzung, und dieser Eindruck hat sich in all den Jahren kaum verändern können. Auch der Vergleich mit Margot Trooger festigt dieses Empfinden natürlich, spielt sie die aparte Neubesetzung doch klassisch aus. Gary Raymond verkörpert in "Das Verrätertor" sozusagen einen bemerkenswerten darstellerischen Geheimtipp. Es wird glaubhaft geschildert, wie er sich im Verlauf selbstständig macht. Dabei entpuppt er sich als ein ebenbürtiger Partner für beide Hauptdarstellerinnen. Klaus Kinski schlägt einmal mehr das Optimum aus dieser obligatorischen Rolle heraus und der geringe Umfang seiner zu interpretierenden Szenen wird sehr überzeugend ausgefüllt. Eddi Arent - wohl in einer Rolle zu sehen, die für ihn genau so üblich war - offeriert eigentlich wie immer Licht- und Schattenseiten, wobei zu betonen bleibt, dass er hier eine sehr wohldosierte Leistung zum Besten gibt. Mal sitzt der Gag, mal schießt er mit Ankündigung über das Ziel hinaus. Die Idee, dass er die Polizei als Tourist auf die heiße Spur bringen wird, erscheint dabei alles andere als uninteressant und treibt verspielte Blüten. Die restlichen Schauspieler von überwiegend englischer Seite runden das Gesamtgeschehen sehr gut ab, und Freddie Francis hat letztlich eine hervorragende Alternativ-Entourage zur Verfügung, die den Film sehr positiv prägt.

Die Handlung des Films wird ebenso ruhig wie geradlinig und logisch erzählt und die besondere Atmosphäre steuern vor allem die vielen Originalschauplätze bei. Absolut beeindruckend sind die Szenen mit dem Helikopter und die damit verbundenen Luftaufnahmen wirken spektakulär. Auch der Ausbruch aus dem Zuchthaus Dartmoor gehört zu den atmosphärischsten Veranschaulichungen innerhalb der gesamten Reihe. Die Musik von Peter Thomas wirkt eingängig, unterstreicht stellenweise aber ein viel zu behäbiges Tempo. Die Integration der verschiedenen Charaktere geschieht schlüssig, deren Durchleuchten ist aussagekräftig, wenngleich die Rolle der Polizei doch ein wenig zu kurz kommt. Der Coup, beziehungsweise dessen Planung, ist wesentlich eingängiger als zum Beispiel in "Zimmer 13" umgesetzt, wo der zu lange vor sich hinplätschernde Verlauf in Langeweile umschlägt. Auch hier tauchen phasenweise hartnäckige Anflüge von Leerlauf aus dem Londoner Nebel auf, was die sichere Handhabe der Regie aber gut zu retuschieren weiß. Innerhalb der langjährigen Wallace-Reihe ist mit "Das Verrätertor" bei Weitem kein Klassiker entstanden, allerdings hat man es mit einem mutigen Ausreißer zu tun, was hoch genug anzurechnen ist. Wo sich Spektakel und Grundgehalt in anderen Filmen schon längst wiederholt und überholt hatten, war es an der Zeit, ein paar neue Impulse in die Serie einzuspeisen. Das Ergebnis hinterlässt vielleicht zwiespältig gestimmte Zuschauer, aber letztlich überwiegen die Vorzüge von Freddie Francis' Beitrag. Klassische Elemente machen ihn als Film der Reihe sehr glaubwürdig, dessen Schauspieler ihm helfen, dass auftauchende Längen gar nicht so offensichtlich erscheinen, außerdem ist der Verlauf hervorragend fotografiert worden. Edel-Mittelmaß.

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