ZEUGIN AUS DER HÖLLE - Živorad Mitrović
Verfasst: So., 28.03.2021 09:18
ZEUGIN AUS DER HÖLLE
● ZEUGIN AUS DER HÖLLE / GORKE TRAVE (D|JUG|1966)
mit Irene Papas, Daniel Gélin, Heinz Drache, Werner Peters, Alice Treff, Hans Zesch-Ballot, Branco Tatić und Jean Claudio
eine Produktion der cCc Filmkunst | Avala Film | im Rank Verleih
ein Film von Žika Mitrović
»Schickt mich nicht wieder in die Hölle!«
Unmittelbar nach Kriegsende veröffentlicht der Schriftsteller Bora Petrovic (Daniel Gélin) ein brisantes Buch, das über die Geschichte der jüdischen KZ-Überlebenden Lea Weiss (Irene Papas) und die bestialischen Verbrechen in deutschen Vernichtungslagern berichtet. Lea wurde sterilisiert, im Lagerbordell und bei abscheulichen Experimenten eingesetzt, außerdem musste sie die Geliebte eines unmenschlichen SS-Arztes werden. Zwanzig Jahre später stößt Staatsanwalt Hoffmann (Heinz Drache) auf das Buch und beschließt, einen Prozess anstrengen, bei dem Lea gegen ihre Peiniger aussagen soll. In Lea werden allerdings Erinnerungen wach, die ohnehin nie ruhen konnten...
Die Arbeit des serbischen Regisseurs Žika Mitrović kann bereits im Vorfeld mit großen Erwartungen verknüpft werden, immerhin handelt es sich um einen der wenigen deutschen Filme, die sich mit der Psyche von Holocaust-Überlebenden beschäftigen. Der Fall der polnischen Jüdin Lea Weiss wird zwanzig Jahre später wieder aufgerollt; einem Zeitrahmen, der für die Betroffene bereits mehr als eine Ewigkeit gewesen sein muss, immerhin laugt es mental aus, wenn man dazu verurteilt ist, immer wieder vergessen zu wollen und auch zu müssen. Die Inszenierung empfiehlt sich mit einem sehr klaren Aufbau, wenngleich der Eindruck entsteht, dass die Geschichte nicht immer sehr plausibel ist. Der Verlauf zeigt aber mithilfe teils eindringlichster Dialoge und überaus erschütternden Bildern, dass zur NS-Zeit das Unwahrscheinlichste offenbar die neue Wahrscheinlichkeit gewesen sein muss. Die schwere Anklage gegen den Krieg und die schrecklichen Machenschaften verdichten sich zusehends, aber es gibt auch unbequeme Seitenhiebe in Richtung einer selbstzweckhaften Justiz, die mit verbundenen Augen in ein Hornissennest gestochen hat. Der Verlauf besteht hauptsächlich aus trügerischer und daher irritierender Ruhe, doch man ahnt, dass die Katastrophe nicht ausbleiben kann. Dichte Charakterzeichnungen, bizarre Traumsequenzen und verschwommene Rückblenden wissen auf heimtückische Art und Weise zu fesseln und die Besetzung wirkt innerhalb dieser Allianz besonders erstklassig, was hauptsächlich auf die Hauptrollen und die entsprechenden Charakterzeichnugen von Irene Papas und Daniel Gélin zutrifft. Die Besetzung strahlt in einer Aura internationalen Formats, in welches sich erfreulicherweise auch die bekannten deutschen Akteure einreihen.
Irene Papas überzeugt gerade wegen ihrer herben Erscheinung und ihrer Zurückhaltung nicht nur in optischer, sondern vor allem darstellerischer Hinsicht. Zunächst hat sich Lea Weiss stets im Schutzgriff und präsentiert eine Fassade, die sie nach all ihren Erlebnissen aufbauen musste, um weiter existieren zu können. Insbesondere in den beklemmenden Traumsequenzen und Situationen, in denen sie von der Staatsanwaltschaft nahezu bedrängt wird, verliert sie immer mehr die Nerven und es schießen plötzlich halluzinatorische Tendenzen wahnhafter und hysterischer Natur ein, die Abgründe erahnen lassen, die man allerdings nicht in Kontur bringen kann. Einmal verlangt sie, man solle das Fenster schließen, da sie keine Luft bekomme, was man zunächst nicht verstehen kann. Als sie immer mehr von ihren Erlebnissen preisgibt und schließlich vom schwarzen Rauch spricht, der aus dem Krematorium kommt, wird der Zuschauer plötzlich gezwungen zu erahnen. Irene Papas wirkt stets präzise und sie versteht es, den Zuschauer mitzureißen, denn sie zeichnet im Endeffekt eine Frau, die das Leben eigentlich einmal sehr geliebt hat. Dabei wird ihr jetziges Dasein noch nicht einmal von Rachegefühlen und Hass dominiert, sondern von schrecklicher Angst, die sich durch essentielle Lebensbereiche windet. Daniel Gélin spielt Bora Petrovic, den Autor des Buches, welches die Kettenreaktion nach zwei Jahrzehnten auslösen wird. Er ist der ohnmächtig-ruhige Pol, der machtlose Puffer zwischen Opfer und Justiz und gerät immer wieder zwischen die Fronten. Jeder Blick von Lea ist wie ein schwerwiegender Vorwurf in seine Richtung, jede Berührung führt ihm vor Augen, dass die alte Liaison noch längst nicht abgeschlossen ist, aber beide lassen keine Spur von Hoffnung durchschimmern.
Gélin überzeugt mit seiner wohldosierten Strategie und kreiert gemeinsam mit Irene Papas einen doppelten Boden im Zusammenspiel und beim Zeichnen glaubhafter Psychogramme. Von deutscher Seite ist mit Werner Peters ein guter Bekannter zu sehen und er wirkt abermals wie der Wolf, der Kreide gefressen hat. Alice Treff symbolisiert eine der unzähligen Steigbügelhalter des damaligen Systems und brilliert erneut mit völlig blasiertem Gehabe, das in ihrer Situation vornehmlich grotesk wirkt, aber vor allem setzt sie wieder erstaunliche Pointen im Rahmen der Dialoge. Heinz Drache bekommt man sofort zu Beginn als resoluten Vertreter von Recht und Ordnung zu sehen, und diese für den Verlauf eminent wichtige Rolle scheint ihm erneut auf den Leib geschneidert zu sein. Generell ist zu sagen, dass Drache angesichts dieses internationalen Verves keineswegs abfällt. Er verleiht Staatsanwalt Hoffmann - und damit der Justiz - die perfekte Verkörperung und überzeugt mit hartnäckigem bis rücksichtslosem Vorgehen, denn sein Blick ist in aller Konsequenz zielgerichtet, da er einem Schwerverbrecher das Handwerk legen will. Einfühlungsvermögen und Kompromissbereitschaft gehören in seinem Metier nicht zur Tagesordnung und fehlen daher beinahe vollkommen. Dass er dabei längst im Begriff ist, eine Katastrophe auszulösen, scheint er nicht zu sehen, genau wie es bei Petrovic der Fall ist, allerdings hier in unterschiedlicher Art und Weise. Als Einheit gesehen erweist sich "Zeugin aus der Hölle" trotz der teils eindringlichen Bilder und abstoßender Wendungen zunächst als eher stilles Plädoyer, auch wenn mehrere Seiten immer vehementer auf das Opfer einwirken. Laut wird es schließlich in der Fantasie des Zuschauers, der Verlauf nimmt teils unvermutete Züge an. Man wünscht sich, dass man Lea doch einfach in Ruhe lassen sollte.
Auch in Situationen, die sich immer mehr zuspitzen, ist der Weisheit letzter Schluss, dass man eigentlich selbst nichts mehr hören und sehen möchte. Doch die unbarmherzigen Vertreter der Justiz und die Naivität von Beteiligten, die es ihrer Ansicht nach nur gut meinen, zeigen in einem immer unmissverständlicher werdenden Verlauf, dass die Tragödie, wie sie denn auch immer aussehen mag, nicht ausbleiben kann, beziehungsweise ihren weiteren Verlauf nehmen muss. Harte Schwarzweiß-Kontraste und eine stets passend gewählte Musik schüren diesen Eindruck zusätzlich, und auch die Suche nach Dr. Berger, einem Phantom aus der SS-Zeit, sorgt für großes Unbehagen sowie eine unbequeme Grundspannung. Das Auftauchen schrecklicher Details von Damals nimmt in Gedanken Formen an, die für eine besondere Form der Trostlosigkeit sorgen. Dr. Berger taucht immer nur in Leas Träumen auf, bis Hoffmann und Pertovic schließlich ein Interview mit ihm sehen. Ungläubig hört man der Selbstgefälligkeit des ehemaligen SS-Offiziers zu, der permanent abwiegelt und herunterspielt. Bei Schilderungen, die auf Experimente am lebenden Objekt hindeuten, stockt einem der Atem, weil Berger mit ekelhafter Selbstverständlichkeit argumentiert, sich im Endeffekt noch als Wohltäter der Menschheit hinstellt. Das Finale hält aufgrund des dichten Aufbaus ein schlimmes Déjà-vu bereit, die erschütternde Thematik und eine schraubzwingenartige Dramatik wirken schlussendlich verstörend. Insgesamt ist Žika Mitrović ein eindrucksvoller Beitrag gelungen, der ein Mosaik zusammenfügt. Klassische und bizarre Stilmittel leiten einen empfundenen Transfer zur Realität ein, auch die Zeichnung verschiedener Psychogramme ist sehr geglückt, und es kommt zu einem runden, aber auch bedrückenden Gesamtergebnis.
Die Arbeit des serbischen Regisseurs Žika Mitrović kann bereits im Vorfeld mit großen Erwartungen verknüpft werden, immerhin handelt es sich um einen der wenigen deutschen Filme, die sich mit der Psyche von Holocaust-Überlebenden beschäftigen. Der Fall der polnischen Jüdin Lea Weiss wird zwanzig Jahre später wieder aufgerollt; einem Zeitrahmen, der für die Betroffene bereits mehr als eine Ewigkeit gewesen sein muss, immerhin laugt es mental aus, wenn man dazu verurteilt ist, immer wieder vergessen zu wollen und auch zu müssen. Die Inszenierung empfiehlt sich mit einem sehr klaren Aufbau, wenngleich der Eindruck entsteht, dass die Geschichte nicht immer sehr plausibel ist. Der Verlauf zeigt aber mithilfe teils eindringlichster Dialoge und überaus erschütternden Bildern, dass zur NS-Zeit das Unwahrscheinlichste offenbar die neue Wahrscheinlichkeit gewesen sein muss. Die schwere Anklage gegen den Krieg und die schrecklichen Machenschaften verdichten sich zusehends, aber es gibt auch unbequeme Seitenhiebe in Richtung einer selbstzweckhaften Justiz, die mit verbundenen Augen in ein Hornissennest gestochen hat. Der Verlauf besteht hauptsächlich aus trügerischer und daher irritierender Ruhe, doch man ahnt, dass die Katastrophe nicht ausbleiben kann. Dichte Charakterzeichnungen, bizarre Traumsequenzen und verschwommene Rückblenden wissen auf heimtückische Art und Weise zu fesseln und die Besetzung wirkt innerhalb dieser Allianz besonders erstklassig, was hauptsächlich auf die Hauptrollen und die entsprechenden Charakterzeichnugen von Irene Papas und Daniel Gélin zutrifft. Die Besetzung strahlt in einer Aura internationalen Formats, in welches sich erfreulicherweise auch die bekannten deutschen Akteure einreihen.
Irene Papas überzeugt gerade wegen ihrer herben Erscheinung und ihrer Zurückhaltung nicht nur in optischer, sondern vor allem darstellerischer Hinsicht. Zunächst hat sich Lea Weiss stets im Schutzgriff und präsentiert eine Fassade, die sie nach all ihren Erlebnissen aufbauen musste, um weiter existieren zu können. Insbesondere in den beklemmenden Traumsequenzen und Situationen, in denen sie von der Staatsanwaltschaft nahezu bedrängt wird, verliert sie immer mehr die Nerven und es schießen plötzlich halluzinatorische Tendenzen wahnhafter und hysterischer Natur ein, die Abgründe erahnen lassen, die man allerdings nicht in Kontur bringen kann. Einmal verlangt sie, man solle das Fenster schließen, da sie keine Luft bekomme, was man zunächst nicht verstehen kann. Als sie immer mehr von ihren Erlebnissen preisgibt und schließlich vom schwarzen Rauch spricht, der aus dem Krematorium kommt, wird der Zuschauer plötzlich gezwungen zu erahnen. Irene Papas wirkt stets präzise und sie versteht es, den Zuschauer mitzureißen, denn sie zeichnet im Endeffekt eine Frau, die das Leben eigentlich einmal sehr geliebt hat. Dabei wird ihr jetziges Dasein noch nicht einmal von Rachegefühlen und Hass dominiert, sondern von schrecklicher Angst, die sich durch essentielle Lebensbereiche windet. Daniel Gélin spielt Bora Petrovic, den Autor des Buches, welches die Kettenreaktion nach zwei Jahrzehnten auslösen wird. Er ist der ohnmächtig-ruhige Pol, der machtlose Puffer zwischen Opfer und Justiz und gerät immer wieder zwischen die Fronten. Jeder Blick von Lea ist wie ein schwerwiegender Vorwurf in seine Richtung, jede Berührung führt ihm vor Augen, dass die alte Liaison noch längst nicht abgeschlossen ist, aber beide lassen keine Spur von Hoffnung durchschimmern.
Gélin überzeugt mit seiner wohldosierten Strategie und kreiert gemeinsam mit Irene Papas einen doppelten Boden im Zusammenspiel und beim Zeichnen glaubhafter Psychogramme. Von deutscher Seite ist mit Werner Peters ein guter Bekannter zu sehen und er wirkt abermals wie der Wolf, der Kreide gefressen hat. Alice Treff symbolisiert eine der unzähligen Steigbügelhalter des damaligen Systems und brilliert erneut mit völlig blasiertem Gehabe, das in ihrer Situation vornehmlich grotesk wirkt, aber vor allem setzt sie wieder erstaunliche Pointen im Rahmen der Dialoge. Heinz Drache bekommt man sofort zu Beginn als resoluten Vertreter von Recht und Ordnung zu sehen, und diese für den Verlauf eminent wichtige Rolle scheint ihm erneut auf den Leib geschneidert zu sein. Generell ist zu sagen, dass Drache angesichts dieses internationalen Verves keineswegs abfällt. Er verleiht Staatsanwalt Hoffmann - und damit der Justiz - die perfekte Verkörperung und überzeugt mit hartnäckigem bis rücksichtslosem Vorgehen, denn sein Blick ist in aller Konsequenz zielgerichtet, da er einem Schwerverbrecher das Handwerk legen will. Einfühlungsvermögen und Kompromissbereitschaft gehören in seinem Metier nicht zur Tagesordnung und fehlen daher beinahe vollkommen. Dass er dabei längst im Begriff ist, eine Katastrophe auszulösen, scheint er nicht zu sehen, genau wie es bei Petrovic der Fall ist, allerdings hier in unterschiedlicher Art und Weise. Als Einheit gesehen erweist sich "Zeugin aus der Hölle" trotz der teils eindringlichen Bilder und abstoßender Wendungen zunächst als eher stilles Plädoyer, auch wenn mehrere Seiten immer vehementer auf das Opfer einwirken. Laut wird es schließlich in der Fantasie des Zuschauers, der Verlauf nimmt teils unvermutete Züge an. Man wünscht sich, dass man Lea doch einfach in Ruhe lassen sollte.
Auch in Situationen, die sich immer mehr zuspitzen, ist der Weisheit letzter Schluss, dass man eigentlich selbst nichts mehr hören und sehen möchte. Doch die unbarmherzigen Vertreter der Justiz und die Naivität von Beteiligten, die es ihrer Ansicht nach nur gut meinen, zeigen in einem immer unmissverständlicher werdenden Verlauf, dass die Tragödie, wie sie denn auch immer aussehen mag, nicht ausbleiben kann, beziehungsweise ihren weiteren Verlauf nehmen muss. Harte Schwarzweiß-Kontraste und eine stets passend gewählte Musik schüren diesen Eindruck zusätzlich, und auch die Suche nach Dr. Berger, einem Phantom aus der SS-Zeit, sorgt für großes Unbehagen sowie eine unbequeme Grundspannung. Das Auftauchen schrecklicher Details von Damals nimmt in Gedanken Formen an, die für eine besondere Form der Trostlosigkeit sorgen. Dr. Berger taucht immer nur in Leas Träumen auf, bis Hoffmann und Pertovic schließlich ein Interview mit ihm sehen. Ungläubig hört man der Selbstgefälligkeit des ehemaligen SS-Offiziers zu, der permanent abwiegelt und herunterspielt. Bei Schilderungen, die auf Experimente am lebenden Objekt hindeuten, stockt einem der Atem, weil Berger mit ekelhafter Selbstverständlichkeit argumentiert, sich im Endeffekt noch als Wohltäter der Menschheit hinstellt. Das Finale hält aufgrund des dichten Aufbaus ein schlimmes Déjà-vu bereit, die erschütternde Thematik und eine schraubzwingenartige Dramatik wirken schlussendlich verstörend. Insgesamt ist Žika Mitrović ein eindrucksvoller Beitrag gelungen, der ein Mosaik zusammenfügt. Klassische und bizarre Stilmittel leiten einen empfundenen Transfer zur Realität ein, auch die Zeichnung verschiedener Psychogramme ist sehr geglückt, und es kommt zu einem runden, aber auch bedrückenden Gesamtergebnis.