WARTEZIMMER ZUM JENSEITS - Alfred Vohrer

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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WARTEZIMMER ZUM JENSEITS - Alfred Vohrer

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Hildegard Knef   Götz George

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● WARTEZIMMER ZUM JENSEITS (D|1964)
mit Richard Münch, Carl Lange, Heinz Reincke, Pinkas Braun, Adelheid Seeck, Klaus Kinski, Jan Hendriks, Hans Paetsch und Hans Clarin
ein Rialto Film Preben Philipsen | im Constantin Filmverleih
ein Film von Alfred Vohrer

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»Das wird sich zeigen, wer hier ein Versager war!«


In London macht sich ein Verbrechersyndikat breit, das unter dem Namen "Die Schildkröte" operiert. Ihr Konzept ist denkbar einfach: falls die unfreiwillige Kundschaft nicht für den eigenen Schutz zahlt, wird sie durch die Organisation ins Jenseits befördert. Sir Cyrus Bradley (Hans Paetsch) erhält eine Zahlungsaufforderung in Höhe von 100 000 Pfund, die er umgehend begleichen soll, ohne Scotland Yard zu benachrichtigen. Don Micklem (Götz George), der Neffe des Todeskandidaten, setzt derweil alles daran, ihn zu schützen, doch der Messerwerfer Shapiro (Klaus Kinski) führt den Auftrag der Organisation mit tödlicher Präzision aus. Beauftragt wurde er von der geheimnisvollen Laura Lorelli (Hildegard Knef), die das Bindeglied zum Kopf der "Schildkröte" darstellt und sich nach dem jüngsten Mord abgesetzt hat. Don nimmt die Verfolgung nach Triest auf...

Bei "Wartezimmer zum Jenseits" handelt es sich um einen Kriminalfilm, der von der Produktionsfirma Rialto Film hergestellt wurde, die sich in diesem zeitlichen Rahmen überwiegend für die Edgar-Wallace-Reihe verantwortlich zeigte. Da die Konkurrenz ohnehin schon ausgiebig vorhanden war und eine Epigone nach der nächsten auf den Markt brachte, wurde diese Geschichte nach dem britischen Autor James Hadley Chase verfilmt. Gesetzt wird vor allem auf die bewährten Eckpfeiler eines derartigen Beitrags, nicht aber ohne neue Möglichkeiten zu sondieren. Für die Regie setzte die Produktion mit Alfred Vohrer auf einen bewährten Jockey im Kimi-Rennen, der sich bereits durch zahlreiche Filme mit kriminalistischer Seele profilieren konnte. Diese Geschichte weicht von dem hinlänglich bekannten Whodunit-Schema ab, um leichte Thriller-Elemente zu transportieren, die in vielen Intervallen auch gut greifen. Im Ganzen ist die Story durch Alfred Vohrers Gusto, den Film mit alternativen Akzenten auszustatten, ein wenig zu verspielt ausgefallen, um die tatsächliche Brisanz in den Vordergrund zu stellen, aber dennoch funktioniert "Wartezimmer zum Jenseits" problemlos als Unterhaltungsfilm der solideren Sorte. Eine Verbrecher-Organisation versetzt die High-Society in Angst und Schrecken, denn immerhin könnte jeder der solventen Herrschaften der nächste Todeskandidat sein, vorausgesetzt es lässt sich eine Zahlungsunwilligkeit beobachten. Über dieses einfache Prinzip werden einige der wichtigsten Personen des Szenarios gleich vorgestellt, sodass der Verlauf auch direkt ans Eingemachte gehen und die erste Leiche präsentieren kann.

Schnelle und ebenso einfache Skizzierungen der beiden Lager namens Gut und Böse verhelfen dem Publikum zu einer guten Orientierung im Gesamtgeschehen, welches in atmosphärischen Schwarzweißbildern eingefangen ist. Alfred Vohrers Arbeit glänzt insgesamt durch eine überdurchschnittliche Ausstattung, interessante Schauplätze und besondere Ortswechsel, was für eine Produktion dieses Musters ungewöhnlich gehoben wirkt, aber auch nötig ist, da es sich bei der Story im Grunde genommen um keinen Überflieger handelt. Auch die Allianzen hinlänglich bekannter Krimi-Spezialisten aus dem darstellerischen Bereich, die das Genre über Jahre hinweg bereichern konnten, aber auch solcher, die man leider viel zu selten in Krimis gesehen hat, hebt Vohrers Beitrag über die Durchschnittsmarke. Die Geschichte rund um Schutzgelderpressung und heimtückischen Mord ist wie erwähnt nicht neu und daher auch kein Selbstläufer, allerdings kann der Verlauf seine Zuschauer durch gewisse inszenatorische Kniffe buchstäblich kassieren, da viel visueller Aufwand betrieben wird. Eine derartig prominente Besetzung wie hier würde jede Produktion pauschal aufwerten, wenngleich persönliche Präferenzen oder Abneigungen möglicherweise eine viel eklatantere Rolle spielen können als anderswo. Die weibliche Hauptrolle stemmt Hildegard Knef. Ihre durchaus erkennbare Leichtigkeit des Agierens fällt einer eigenartigen Umkehrreaktion zum Opfer, da sie als genrefremd identifiziert wird und eine überaus spröde Charakterisierung vornimmt. In erster Linie wirkt dieser Auftritt vor allem unkonventionell, der einen frischen Wind verbreitet, was so oder so in Erinnerung bleiben wird.

Eine Offenbarung in Sachen Agilität und Dynamik stellt Götz George dar, dessen Allround-Talent viel zu selten in Anspruch genommen wurde. Hier entsteht ein Großteil des wahrzunehmenden Schwungs über seine Interpretation, auch wenn es bei dem Duo Knef/George naturgemäß Widerstände und tiefgreifende Gegenentwürfe zu herkömmlichen Schablonen zu finden gibt. Weitere bekannte Stars des zeitgenössischen deutschen Kinos geben sich in "Wartezimmer zum Jenseits" die Klinke in die Hand. Ob Richard Münch, Pinkas Braun, Hans Clarin, Klaus Kinski, Jan Hendriks oder Carl Lange - es kommt ein besonders vertrautes Gefühl auf, wenn diese Interpreten in ihren prägnanten Szenen ihr Bestes geben. Interessant ist die Verpflichtung von Adelheid Seeck, die einen großartigen Eindruck in ihrem doch recht kurzen Auftritt hinterlässt. Auch Heinz Reincke bietet einen zumindest alternativen Ansatz bei der ermittelnden Figur an, was aber dankbar angenommen wird. In Verbindung mit der Finesse der aufmerksamen Regie, entfaltet sich ein Kriminalfilm mit Thriller-Elementen, dessen Verlauf sich bis zum Showdown durchaus sehen lassen kann. Der Film fand seinerzeit kein großes Publikumsinteresse, was sicherlich an den zahlreichen Variationen und der nicht immer ausgefeilt wirkenden Geschichte liegen mag. Versehen mit einer erstklassigen Musik von Martin Böttcher, ist auch die beeindruckende Kamera-Arbeit von Bruno Mondi zu erwähnen, und im Endeffekt wurde hier eigentlich alles richtig gemacht, allerdings steht und fällt gerade dieser Film mit der eigenen Bereitschaft, das Vohrer'sche Angebot anzunehmen oder nicht, zumal die Messlatte durch seine eigenen Krimi-Klassiker wesentlich höher angelegt ist.

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● GÖTZ GEORGE als DONALD MICKLEM in
WARTEZIMMER ZUM JENSEITS (D|1964)



Im Jahr 1964 versuchte die Rialto Film mit diesem Krimi einen Beitrag zu platzieren, der dem Publikum alternative Ansätze anbieten sollte, doch leider ohne den erhofften Erfolg. Die Verpflichtung Götz Georges für die männliche Hauptrolle bleibt in "Wartezimmer zum Jenseits" vielleicht als der gelungenste Coup dieser Produktion zurück, immerhin bietet der Interpret dem Empfinden nach immer ein bisschen mehr an, als die meisten seiner Kollegen. George ist in erster Linie als sehr physischer Darsteller wahrzunehmen, immerhin stattet er seine Parts oft mit einer besonderen Agilität und Dynamik aus, die seinen Charakteren besondere Stärken verleihen. In dieser Geschichte bekommt man mit Donald Micklem genau einen solchen angeboten, der trotz seiner privilegierten Herkunft keine herablassende Überheblichkeit oder besondere Allüren an den Tag zu legen pflegt. Zu Beginn des Films wird der Protagonist kurz per Off-Kommentar als Jura-Student ohne besondere Ambitionen oder außergewöhnliche Fähigkeiten vorgestellt, der als Neffe eines der reichsten und einflussreichsten Männer Englands irgendwann einem Millionen-Vermögen entgegensieht. Doch man lernt dank Götz Georges leichtfüßiger Performance keinen verwöhnten Snob kennen, der sich auf den Lorbeeren der anderen auszuruhen pflegt, sondern es handelt es sich um einen bodenständigen jungen Mann, der seinen eigenen Plan hat. Trotz außerordentlicher Ereignisse bleibt Don beinahe immer gelassen und Herr der Lage, auch wenn es lebensbedrohlich wird. Ohne sich mit speziellen Eitelkeiten aufzuhalten, möchte er den Tod seines Onkels auch dann noch aufklären, wenn sich andere längst mit dem Schicksalsschlag eines horrenden Erbes abgefunden hätten. Die Suche nach der Wahrheit und dem Kopf eines mörderischen Syndikats gestaltet sich als mühsam und überaus gefährlich, und bei dieser Gelegenheit stellt George erneut seine Stunt- und Kampffreudigkeit unter Beweis, die hier jedoch nicht über die für ihn kleinen Fingerübungen hinausgeht. Bei dieser Gelegenheit zeigt er natürlich auch gerne, warum seine Hemden wohl immer eine Nummer größer als bei den meisten seiner Kollegen sein mussten.

An seiner Seite und mit hohen Widerständen bewaffnet ist Hildegard Knef zu sehen; eine Kombination die dem Empfinden nach beim besten Willen nicht fruchten möchte, doch es steckt überraschenderweise mehr dahinter, als zunächst angenommen. Don interessiert sich möglicherweise nicht allzu sehr für die uniformierten Mädchen seiner Universität, vielleicht ist er auch zu selten anwesend, und lässt sich schließlich von der reifen Aura, rationalen Kälte und merklichen Abgebrühtheit einer Laura Lorelli einkassieren. Angenehmerweise nicht direkt getrimmt auf ein vermeintliches Happy End, entsteht eine sich permanent anziehende und fern haltende Eigendynamik, die unüberbrückbar erscheint, auch wenn sich deutliche Anzeichen der Zuneigung finden lassen. George agiert trotz eines deutlichen Altersunterschiedes auf erstaunlich gut ausbalancierter Augenhöhe, obwohl immer wieder ein gewisser jugendlicher Leichtsinn und eine provokative Nonchalance aufblitzt. Unerschrocken entwirrt er die Fäden, auch wenn sich bald herausstellt, dass es keine Gewinner in diesem tödlichen Spiel geben kann. Betrachtet man die überzeugende Leistung Georges, so kommt es einem richtig schade vor, dass der Berliner nie für die Wallace-Serie zur Disposition stand, denn hier ließen sich, ohne viel nachzudenken, zahlreiche Parts finden, die er gut hätte ausfüllen können, wie beispielsweise einen leichtsinnigen und gut zu manipulierenden Ray Bennet in "Der Frosch mit der Maske" oder sogar einen Dauer-Assistenten von Inspektor Perkins in späteren Vohrer-Filmen. Am Ende (und bereits während des Verlaufs) stellt sich in "Wartezimmer zum Jenseits" heraus, dass Götz George hier die richtige Wahl ist, denn er trägt den Film durch jede Turbulenz und noch so unlösbar erscheinende Aufgaben. Seine Fähigkeit, echte Typen zu kreieren, erscheint hier besonders auffällig und wohltuend, da man es mit einem Eigen-Entwurf und keiner Kopie längst dagewesener Charaktere zu tun bekommt, die nur schwer überzeugen konnten. So bleibt schließlich eine sehr gute Darbietung in einem nicht selten durchwachsen wirkenden Krimi, der sich zumindest über die Kapazitäten seiner Interpreten im Klaren ist.



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Re: WARTEZIMMER ZUM JENSEITS - Alfred Vohrer

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Hier noch der vielversprechende Trailer zur hauseigenen Rialto-Konkurrenz:


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