DAS PHANTOM VON SOHO - Franz Josef Gottlieb

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DAS PHANTOM VON SOHO - Franz Josef Gottlieb

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● DAS PHANTOM VON SOHO (D|1963/64)
mit Dieter Borsche, Barbara Rütting, Hans Söhnker, Peter Vogel, Helga Sommerfeld, Werner Peters, Hans Nielsen,
Stanislav Ledinek, Hans W. Hamacher, Otto Waldis, Harald Sawade, Kurt Jaggberg und Elisabeth Flickenschildt
eine Produktion der cCc Filmkunst | im Gloria Verleih
ein Film von Franz Josef Gottlieb

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»Ahnungen sind keine Beweise!«


Das berüchtigte Amüsierviertel von Soho ist wie gelähmt, da ein unheimlicher Serienmörder umgeht. Das sogenannte Phantom schlägt stets unbeobachtet zu und tötet seine Opfer mit einem langen Messer. Mithilfe seines Assistenten Sergeant Hallam (Peter Vogel), kann Chef-Inspektor Patton (Dieter Borsche) zumindest das Mordinstrument identifizieren. Die Spur führt in einen einschlägig bekannten Striptease-Club, in der das Opfer zuletzt gesehen wurde. Joanna Filiati (Elisabeth Flickenschildt), die Besitzerin der Bar, zeigt sich wenig erfreut darüber, die Polizei als Gäste begrüßen zu müssen, außerdem tummeln sich dort einige Kandidaten, die auf der Todesliste des Phantoms stehen. Inspektor Patton läuft die Zeit davon, zumal bereits ein neuer Mord geschehen ist, er außerdem von der Schriftstellerin Clarinda Smith (Barbara Rütting) unter Zeitdruck gesetzt wird, die selbst Erhebungen in diesem mysteriösen Fall anstellt. Wer wird die Mordserie aufklären können..?

Dieser vierte Film unter dem mittlerweile recht bekannten Banner Bryan Edgar Wallace rangiert in der Gunst vieler Fans des Kriminalfilms eher in den hinteren oder durchschnittlichen Gefilden, möglicherweise aufgrund seines eher weltlichen Touches. Die Geschichte darf sich in den weitgehend authentisch simulierten Gassen von Soho entfalten, dessen weltberühmter Ruf diesem Viertel in bedeutender Weise vorauseilt. Der Einstieg in diese von Nebel und Verkaufsschlagern der körperlichen Liebe umhüllte Gegend ist überaus atmosphärisch, zumal Bryan Edgar Wallace himself den Vorspann mit einer Art Cameo-Auftritt eröffnet. Zuvor konnte man den ersten Mord des Phantoms miterleben. Überhaupt sind diese Mord-Szenen als überaus gelungen zu bezeichnen, da sie mit einer beißenden Akustik unterlegt sind und die statisch wirkenden Bewegungen der "Geisterhände" ebenso wie das blitzende Messer in den unausweichlichen Fokus gerückt werden. Regisseur Franz Josef Gottlieb versucht hier in einem relativ eng abgesteckten Carré gleich sämtliche Register zu ziehen und stellt die wichtigsten Personen und deren Konstellationen untereinander umgehend vor. Auch wird unmissverständlich klar, dass die Verbrechen ihren Ursprung in der nebulösen Vergangenheit haben müssen. Interessanterweise ist die Musik des Farbvorspanns dieses Mal mit Gesang untermalt, welcher von den Gefahren der Halbwelt berichtet. "Das Phantom von Soho" erhält nicht nur durch die Regie des österreichischen Regisseurs klare und sich von der internen Konkurrenz abhebende Konturen, sondern auch durch den Rest der Crew und das weltlicher wirkende Thema. Die ausgefallenen Kamerawinkel und besonders auffälligen Positionen sorgen im bewegten Bild für eine zusätzliche Art der Dynamik und Agilität, sodass ein paar wenige, etwas zäh ausgefallene Intervalle nicht besonders gravierend wirken.

Ein großer Vorzug dieses Beitrags ist die hervorragende Besetzung, die zunächst durch eine große Abweichung im Rahmen der männlichen Hauptrolle auffällt. Als Chef-Inspektor Patton zeichnet Dieter Borsche einen breit angelegten Gegenentwurf zu den üblicherweise platzierten Helden des Krimi-Universums, und der gebürtige Hannoveraner stellt eine überraschend ansprechende Alternative dar, zumal der Interpret eher mit Rollen der Gegenseite des Gesetzes vertraut war. Seine sachliche, unbeirrbare, teils sarkastische Art kommt bei den Erhebungen sehr gut an, sodass beim Publikum wenig Zweifel aufkommen, dass er den Fall nicht lösen könnte. Währenddessen schleicht das beunruhigende Phantom weiter in den Gassen von Soho umher und sucht sich zielstrebig seine Opfer aus. Diese Szenen sind im Sinne der Atmosphäre wirklich außergewöhnlich stimmungsvoll inszeniert worden. Tatkräftige Unterstützung bekommt Dieter Borsche von Sergeant Hallam alias Peter Vogel, der seinen Kiez sehr genau kennt und dem Vorgesetzten somit etwas auf die Sprünge helfen darf. Vogels humorige Untertöne und vor allem die sarkastische Nüchternheit passen sich dem doch eher düsteren Treiben erstaunlich gut an, sodass diese Performance in nachhaltiger Erinnerung bleibt. Das ermittelnde Terzett wird durch Hans Söhnkers weltmännische Erscheinung in der Rolle des Scotland Yard Chefs abgerundet. Söhnker versteht es sehr geschickt, Zweifel zu säen, die Suche nach dem Mörder zu entschleunigen und sich somit im Kreis der Verdächtigen zu platzieren. Insgesamt scheint es von potentiellen Phantomen zwar nicht gerade zu wimmeln, aber dennoch bleibt die Geschichte undurchsichtig, rätselhaft und spannend, nicht zuletzt wegen der darstellerisch hochwertigen Auftritte von Werner Peters, Otto Waldis, Stanislav Ledinek, Hans W. Hamacher oder Hans Nielsen.

Ein Blick auf die Damenriege dieser Produktion offenbart eine sehr gute, differenziert agierende Aufstellung. Die weibliche Hauptrolle trägt Barbara Rütting erwartungsgemäß sicher und ihr Einsatz in diesem Film scheint kein Zufall zu sein, immerhin hatte die Berlinerin ein Abonnement auf Charaktere, die sich von üblichen Schemata abheben konnten. Da "Das Phantom von Soho" an keiner herkömmlichen Geschlechterverteilung interessiert zu sein scheint, sich außerdem eine obligatorische Findung der Protagonisten schenkt, kann Rütting ihren Part mit vollem Selbstbewusstsein ausspielen. Als Gegenmodell fungiert die attraktive Helga Sommerfeld nicht minder überzeugend und sympathisch, was man von Joanna Filiati alias Elisabeth Flickenschildt nicht behaupten kann, obwohl die ältere Dame im Rollstuhl zunächst wie ein Appell an das Mitgefühl des Publikums aussehen will. Die Inhaberin der Sansibar stellt offen zur Schau, dass es sich um eine Schlüsselfigur der Geschichte handelt, die ihr Schweigen jedoch nicht brechen wird. Flickenschildt agiert gewohnt hoheitsvoll und gefällt sich in großen Gesten und Worten, sodass ihr Auftritt eine der interessantesten Bereicherungen des zeitgenössischen Kriminalfilms darstellt. Das Phantom mordet in sehr intensiv dargestellten Momenten weiter und niemand scheint die Zusammenhänge sinnvoll ordnen zu können, obwohl die Arbeit von Inspektor Patton sehr vielversprechend aussieht, doch die Vergangenheit möchte ihre Geheimnisse nicht preisgeben. In der Zwischenzeit stattet Regisseur Gottlieb seinen BEW-Beitrag mit erotischen Capricen und dialogstarken Phasen aus, außerdem avanciert die frische Musik von Martin Böttcher zu einem der tragenden Elemente. Alles in allem handelt es sich bei "Das Phantom von Soho" um einen überaus gerne gesehenen Beitrag, dessen Verspieltheit in den Bereichen Dramaturgie und Inszenierung für besondere Akzente sorgt.

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Prisma
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Re: DAS PHANTOM VON SOHO - Franz Josef Gottlieb

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»He Du, ich zeig Dir wie man küsst, solang Du noch am Leben bist, he Du, ich zeig Dir wie man liebt, solang es Dich noch gibt...« Martin Böttchers Titelmusik, interpretiert von Tanja Berg, ist voller Ankündigungen, die auf die Gefahren und Verführungen des sagenumwobenen Viertels hinweist. "Das Phantom von Soho" verfügt über eine ganz besondere Atmosphäre, die vor allem in den Momenten greift, wenn die Titelfigur eine Gesellschaft aus der Vergangenheit in subjektiver Perspektive aus dem Weg räumt. Die Geschichte verfügt dabei über genügend Potenzial, das Publikum mitzunehmen, in Spannung und Grübeln zu versetzen, bis sich immer mehr Puzzlestücke ergeben und zusammensetzen. Diese bereits vierte Produktion aus der BEW-Reihe verfügt im Rahmen seiner Besetzung über die bislang erstaunlichsten Neuerungen. So sieht man Dieter Borsche als bissigen Ermittler, Peter Vogel als dessen scharfzüngigen Assistenten und Hans Söhnker als Chef des Polizeiapparats. Das Zusammenspiel dieses Trios ist geprägt von angenehmem Humor, weitreichenden Zweifeln und am Ende auch Erfolg, sodass sich sagen lässt, dass die Ausrichtung und die Chemie absolut stimmt. Die weiblichen Parts sind mit Barbara Rütting, Helga Sommerfeld und der großartigen Elisabeth Flickenschildt hervorragend besetzt, Letztere gibt sogar einige Lehrstunden im Rahmen der geschliffenen Dialogarbeit. Hans Nielsen, Stanislav Ledinek oder Werner Peters runden das tödliche Treiben überzeugend ab. Gottliebs Film ist exzellent besetzt, darüber hinaus mit vielen Einfällen gespickt, die für Zustimmung sorgen können, wenngleich man vielleicht nicht leugnen kann, dass es hier und da etwas zu vorhersehbar zugeht, eben weil eine alternative Linie eingeschlagen wird. Schaurige Momente werden hier weitgehend durch anrüchige Locations und schlüpfrige Situationen ausgetauscht, was einfach die nötige Atmosphäre des Karrees unterstreichen will, und es wird immer wieder packend genug, um die Story ins Herz zu schließen. Am Ende handelt es sich trotz besserer Konkurrenten vielleicht um meinen persönlichen Favoriten der Reihe in Schwarzweiß.

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Prisma
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Re: DAS PHANTOM VON SOHO - Franz Josef Gottlieb

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Hier noch der vielversprechende Trailer zu einem meiner liebsten Krimis der 60er-Jahre:


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