DIE GROSSE LIEBE - Rolf Hansen

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Percy Lister
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DIE GROSSE LIEBE - Rolf Hansen

Beitrag von Percy Lister »

"Die große Liebe" (Deutschland 1941/42)
mit: Zarah Leander, Viktor Staal, Paul Hörbiger, Grethe Weiser, Wolfgang Preiss, Hans Schwarz jr., Agnes Windeck, Leopold von Ledebur, Julia Serda, Victor Janson, Ewald Wenck, Paul Bildt, Erich Dunskus, Erna Sellmer u.a. | Drehbuch: Peter Groll, Rolf Hansen nach einer Idee von Alexander Lernet-Holenia | Regie: Rolf Hansen

Der Fliegeroffizier Paul Wendlandt verliebt sich während eines kurzen Aufenthalts in Berlin in die gefeierte Sängerin Hanna Holberg. Als er sich nach der Abberufung zu seiner Truppe drei Wochen lang nicht meldet, ist Hanna gekränkt. Sie weiß noch nichts von seinem militärischen Engagement. Erst als sich Paul zurückmeldet, erkennt sie, dass dieser Mann sie zwar liebt, eine stabile Beziehung mit ihm jedoch schwierig ist. Dennoch beschließen die beiden zu heiraten, doch wieder ist es der Krieg, der seinen Tribut fordert....

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Der populäre Unterhaltungsfilm zog während des Zweiten Weltkriegs rund 27 Millionen Zuschauer in die Lichtspielhäuser und wurde nach Kriegsende von der Kontrollkommission der Alliierten wegen seines Propagandagehalts verboten. Für die kommerzielle Auswertung wurde der Film, der mittlerweile wieder ungekürzt verfügbar ist, mit einer Freigabe ab 18 Jahren belegt und mit einem einleitenden Kommentar versehen, um das Publikum darauf aufmerksam zu machen, dass man es nicht mit einem konventionellen Liebesfilm zu tun hat. Die enorme Popularität der schwedischen Schauspielerin im Dritten Reich zog allerdings nicht die Ernennung zur Staatsschauspielerin nach sich, wie vom Propagandaminister gewünscht, denn der Reichskanzler verweigerte seine Zustimmung. So verwundert es auch wenig, dass die Leander selten eine deutsche Frau spielte. Selbst in dem Paradefilm "Die große Liebe" hat sie einen dänischen Familienhintergrund, der wohl ihren leichten Akzent erklären oder ihre Sonderstellung unter den Miminnen markieren soll. Zudem wird sie dadurch zur interessanten Abwechslung im Gros der blonden Schauspielkolleginnen. Aufschlussreich ist es für den heutigen Betrachter, den Film aus der zeitlichen Distanz unter die Lupe zu nehmen und hinter die Mechanismen der NS-Filmindustrie zu blicken.

Während die Motivation hinter der Geschichte zur Entstehungszeit jene war, die Zuschauer und besonders die Zuschauerinnen auf einen langen und entbehrungsreichen Krieg einzustimmen, der Trennung und Verlust alltäglich machen würde, fällt heute vor allem die Dreieckskonstellation ins Auge, die der Handlung Tragik und einen besonderen Reiz verleiht. Es sind weniger Hanna und Paul, die das Herz rühren, denn allzu offensichtlich bricht der Faden zwischen ihnen trotz mehrerer Abschiede nicht ab, sondern es ist Alexander Rudnitzky, dessen Befindlichkeit zum Nachdenken anregt und für Anteilnahme sorgt. Professor Jens Thiele, der mehrere Essays für die fünfbändige Reihe "Fischer Filmgeschichte" verfasste, wundert sich in seiner Abhandlung über den beschaulichen Rahmen, in den der Film eingebettet ist: "Der Bombenalarm entpuppt sich als Stifter von Freundschaften und gibt Gelegenheit zum Schwadronieren über die Schönheiten des Nachthimmels; der Luftschutzkeller bringt Menschen zusammen, lässt sie sich besser verstehen - ein Ort gemütlicher Plauderrunden; knappe Lebensmittel beeinträchtigen manchmal die Umgangsformen, aber man arrangiert sich. (...) Und im Krieg: da geht es zu wie im Pfadfinderlager (Feldflugplatz) oder in der Sommerfrische (Baden im Atlantik); selbst das Lazarett besitzt die freundliche Geborgenheit eines Erholungsheims in den Alpen."

Im Grunde liegt zu keinem Zeitpunkt eine ernsthafte leibliche Bedrohung des Glücks von Hanna und Paul vor, da das Unangenehme nicht gezeigt oder beiläufig abgehandelt wird (Tod von Wendlandts Freund Etzdorf an der Front). Das große Fragezeichen liegt meines Erachtens in dem, was Alexander feststellt: Im Grunde passen die Sängerin und der Fliegeroffizier nicht zusammen. Der Mann, der mit dem sprichwörtlichen Glück gesegnet ist und den es hinaus in die Welt zieht, trifft in Hanna auf eine Frau, deren Beruf es gleichfalls erforderlich macht, auf gepackten Koffern zu sitzen. Sie trägt die Verantwortung für ihre Mitarbeiter und Kollegen ebenso wie Paul für seine Kameraden. Beide sind in ein organisiertes Umfeld eingebettet und können sich nicht von Launen leiten lassen, die das Gefüge zum Einsturz bringen könnten. Zweifellos verlangt die NS-Doktrin, dass es die Frau ist, die sich aus ihrer Pflicht stiehlt, um nur mehr für einen Menschen da zu sein und Alexanders Anklage wirkt deshalb wie ein eigennütziges Klagen über die verlorene Liebe seines Lebens. Schroff wird ihm von Paul jede Meinungsäußerung zu Hannas Zukunft abgesprochen. Dabei ist es Alexander, der Hanna durch ihr (Berufs-)Leben begleitete und ihr wie ein Bruder mit Rat, Tat und offenem Ohr zur Seite stand.

Viktor Staal und Paul Hörbiger flankieren Zarah Leander zwischen Bühne und Privatleben und versuchen, jeder auf seine Art, Punkte zu sammeln. Während der Musiker (Hörbiger als Urwiener, der jedoch in Budapest geboren wurde) "unendlich gutmütig und verträglich, bald streitbar und wild entschlossen, aus kleinen und großen Krachs die Konsequenzen zu ziehen", wie in einem zeitgenössischen Porträt von Friederike Mat zu lesen ist, Trost in seinen Kompositionen findet - in der Ferne zieht Sam aus "Casablanca" auf -, ist der Flieger in seinem Element, wenn er seinen Tatendrang im Luftkrieg ausleben kann. Als comic relief fungiert Grethe Weiser, deren mütterlich-kecke Art besten Berliner Pragmatismus in die Handlung bringt. Der zügige Wechsel der Schauplätze (Berlin, Paris, Rom) unterbricht die Trübsal, die Leander laut Drehbuch blasen muss. Die Historikerin Anna Maria Sigmund ("Die Frauen der Nazis") berichtet, dass die Mimin "ihre Filme in den schallisolierten Babelsberger Studios in vollkommener Abgeschiedenheit drehte." Parallel zu den Auswirkungen des Krieges in der Realität ertönen in den Filmstudios Engelschöre und die Leander zelebriert ihr bekanntestes Lied ("Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn") wie eine entrückte Göttin des Lichts.

Die Musik nimmt einen wichtigen Stellenwert in der Geschichte ein, weil sie symbolisch und kommentierend die Handlung begleitet. Das Bemerkenswerte daran ist die Zweideutigkeit der Texte, welche Bruno Balz zu den Kompositionen von Michael Jary verfasste. Balz, der selbst von der Gestapo arg in die Zange genommen worden war, lässt sich in seinem "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn" die Möglichkeit offen, das Lied auch im umgekehrten Sinn zu lesen. Die Welt nach Hitler, nach dem Krieg, wenn der Himmel wieder blau ist und jene Träume wahr werden, die unter den gegebenen Umständen nicht gelebt werden können. Hanna Holberg zelebriert den musikalischen Höhepunkt des Films als Abschied, sie wird sich von der Bühne zurückziehen und nie wieder auftreten. Ihre Mission ist erfüllt und sie fährt den Lohn für die Zeit des Wartens ein. So scheint es jedenfalls auf den ersten Blick, denn wer genauer hinsieht, bemerkt die Zwischentöne. Der Krieg ist weiterhin in vollem Gange und ein Rückzug der aktiven Hanna aus dem Geschehen, befriedet die Konflikte zwischen dem Paar zwar fürs Erste, ein dauerhaftes privates Glück wird es allerdings auf absehbare Zeit nicht geben. Bezeichnenderweise sorgt gerade der Abschuss des Fliegerhauptmanns Wendlandt für eine Versöhnung.

Die drei Wochen Zwangspause von der Front werden als Glücksfall angenommen, was in den Augen der Machthaber eigentlich schon defätistisch sein müsste. In diesem Sinn handelt Wendlandts Freund Etzdorf weitaus linientreuer, indem er auf eine private Beziehung verzichtet und auf diese Weise ohne seelischen Ballast in den Kampf ziehen kann, wo er jederzeit damit rechnen muss, sein Leben zu verlieren. Wolfgang Preiss zeichnet den Charakter als umgänglich, pragmatisch und unsentimental, wobei er die Abläufe mit einer humorvollen Distanz betrachtet, weil sein strukturiertes Vorgehen kein emotionales Schlingern zulässt. Agnes Windeck fungiert als liebenswürdige Fußnote in Hannas Leben und sorgt dafür, dass sich die erfolgreiche Sängerin von ihrer weichen, fraulichen Seite zeigt, wobei die deutsch-dänische Freundschaft betont und der angeblich gute Wille einer gewünschten Völkerverständigung herausgestrichen wird. Im Gegensatz zu den nordischen Schwestern und Brüdern werden die Vertreter der "Welschen" in Rom als überkandidelt, ungeduldig und hektisch gezeigt. Solche Klischeedarstellungen werden sich später im Heimatfilm der Fünfziger Jahre noch zuhauf finden, wobei sie dort gezielt für humorige Auflockerung sorgen sollen.

FAZIT: Seelenvolles Liebesdrama als Lehrstück für Durchhaltewillen, Leidensfähigkeit und Geduld, garniert mit bedeutungsvollen Schlagern im berühmten Kontra-Alt der schwedischen 'Garbo'. Konventionelle Unterhaltung, die dem aufgeklärten Zuschauer eine leicht zu konsumierende Lehrstunde in psychologischer Beeinflussung der Massen erteilt.

Italo
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Registriert: Fr., 30.10.2020 08:29

Re: DIE GROSSE LIEBE - Rolf Hansen

Beitrag von Italo »

Welch Zufall. Den Film habe ich mir vor zwei Tagen bestellt.
Ich habe auf Youtube den AUsschnitt gesehen, in dem Zarah Leander "Ich weiß es wird einmal ein Wunder geschehen" singt. DAs fand ich so beeindruckend, dass ich mir den Film bestellen musste.

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