BLECHSCHADEN - Wolfgang Petersen

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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BLECHSCHADEN - Wolfgang Petersen

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● TATORT | FOLGE 08 | BLECHSCHADEN (D|1971)
mit Klaus Schwarzkopf, Wolf Roth und Walter Richter
Gäste: Ruth Maria Kubitschek, Friedrich Schütter, Volker Eckstein, Eva Astor, Herbert A. E. Böhme und Götz George
eine Gemeinschaftsproduktion der ARD | mit dem ORF | eine Sendung des NDR
Regie: Wolfgang Petersen

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»10,000 kostet das Schweigen!«


Der Bauunternehmer Alwin Breuke (Friedrich Schütter) und seine Freundin Monica (Eva Astor) haben einen Wochenendausflug in Travemünde verbracht. Auf dem Weg zurück überfährt Breuke einen Radfahrer in einem unkonzentrierten Moment und begeht Fahrerflucht. Um den tödlichen Unfall zu verschleiern, fährt er mit seinem Wagen absichtlich gegen die Hauseinfahrt, doch seine Frau (Ruth Maria Kubitschek) beobachtet diesen Vorfall vom Fenster aus. Am nächsten Tag berichtet sie dem in der Firma ihres Mannes angestellten Ingenieur Joachim Seidel (Götz George), der auch ihr Liebhaber ist, von dieser seltsamen nächtlichen Beobachtung und man will die Gunst der Stunde nutzen, um die Ehe in lukrativer Art und Weise beenden zu können. Wenig später meldet sich ein Erpresser bei Alwin Breuke, der offensichtlich Bescheid über den Unfall weiß. In der Zwischenzeit treffen Kriminalhauptkommissar Finke (Klaus Schwarzkopf) und sein neuer Assistent Jessner (Wolf Roth) ein und beginnen mit den Ermittlungen, doch schon bald sehen sie sich mit der nächsten Leiche konfrontiert...

Die achte "Tatort"-Folge "Blechschaden" beinhaltet zwei nennenswerte Premieren. Nicht nur ,dass diese Folge der erste Beitrag Wolfgang Petersens für die erfolgreich angelaufene Reihe war, sie führte auch die Figuren des Kriminalhauptkommissars Finke und dessen Assistenten Jessner ein. Bei der Erstausstrahlung am 13. Juni 1971 wurde mit einer Quote von etwa 60,0 % ein sehr guter Wert erzielt und die Episode offenbart trotz der überdurchschnittlichen Länge von über 100 Minuten kaum Längen. Petersens strukturierte Regie und die präzise gestaltete Figur des Kommissar Finke durch Klaus Schwarzkopf prägt diesen Fall in sehr nachhaltiger Weise, und es ist für den Zuschauer ein Leichtes, sich uneingeschränkt darauf einzulassen, denn von erwartungsgemäßen Startschwierigkeiten ist hier nichts zu merken. Der Kriminalfall behandelt ein bekanntes Hauptthema, das sehr sehenswerte Erweiterungen im Bereich mehrerer Nebenhandlungen erfährt und der klare Aufbau geht interessante Allianzen mit überraschenden Kehrtwendungen und nicht vorhersehbaren Ereignissen ein. Selbstverständlichkeiten innerhalb einer Kriminalgeschichte, sollte man meinen, doch schon oft wurde der Zuschauer insbesondere in laufenden Serien eines schlechteren belehrt. Thematisiert wird das uralte Thema Seitensprung eines gut situierten Herren, der Gefahr läuft, seine besten Jahre demnächst gesehen zu haben. Sein attraktiver Jungbrunnen stellt so gut wie alles dar, was seine eigene Ehefrau längst nicht mehr herzugeben weiß und durch die latente Angst entlarvt zu werden, kommt es zu einer tödlichen Sekunde der Unachtsamkeit, was die Basis für diesen intelligent konstruierten Verlauf darstellt. Das Opfer des Verkehrsunfalls wird zugunsten der Diskretion und gesellschaftlichen Reputation einfach auf offener Straße liegen gelassen und es bäumt sich eine gute Portion Tragik auf, da sich kurze Zeit später herausstellt, dass der junge Mann bei adäquater Hilfe nicht hätte sterben müssen.

Interessant ist erneut das weitere Vorgehen des Täters, der trotz Zuständen von Hektik und Angst dennoch auf Verschleierungstaktiken kommt, und diese auch auszuführen weiß. Wie das Leben und der Film es jedoch wollen, kann es das perfekte Verbrechen, oder jenes, das durch unterlassene Hilfeleistung dazu werden wird, einfach nicht geben, da hier stumme Zeugen und kleine Erpresser im Hintergrund lauern. Die Riege der Gastdarsteller ist in "Blechschaden" als durchaus prominent zu beschreiben, vor allem da hier Götz George in einer der Episoden-Hauptrollen zu sehen ist, der zehn Jahre später selbst zum beliebten "Tatort"-Kommissar Horst Schimanski avancieren sollte. Als Ingenieur Seidel, eine Art Provinz-Casanova, ist der gebürtige Berliner in einer seiner überzeugendsten Rollen-Profile zu sehen, das man ihm zu jeder Zeit abnimmt. Sein Pokerspiel mit zu hohen Einsätzen bringt einige Personen aus seinem Umfeld in arge Bedrängnis, sodass er schnell als einer derjenigen identifiziert wird, der möglicherweise Opfer werden, oder Täter sein könnte. Eine hervorragende Präzisionsleistung liefert wie zu erwarten Ruth Maria Kubitschek, die ebenfalls das zu absolvieren hatte, was insbesondere in Kriminalserien oder derartigen Frauenrollen von ihr verlangt wurde. Die brüskierte Ehefrau, die ihrem Mann ihre komplette Tatkraft jahrelang zur Verfügung gestellt und dementsprechend nur zurückgesteckt hat, steht aufgrund eines jüngeren Modells plötzlich vor den Scherben ihrer Ehe. Hier gibt es den Zusatz, dass sie selbst einen Liebhaber hat, der die Kuh allerdings auch nur solange melken will, wie es sich für ihn lohnt. Kubitschek wendet erneut ihre schauspielerischen Waffen in Form sparsamer Regungen und stumpf wirkender Emotionen an und sie zeichnet das lückenlose Bild einer Frau, die mittlerweile vielleicht schon zu allem bereit wäre, nur um ihre selbst konstruierten Luftschlösser aufrecht zu erhalten.

Weitere ansprechende Darbietungen zeigen Friedrich Schütter, der zusehends nervösere, beziehungsweise manische Tendenzen annimmt, weil sich die Schlinge immer weiter zuzieht, oder Eva Astor als amouröser Zeitvertreib sowie Volker Eckstein, der als Halbstarker mit reaktionärem Gehabe negativ bei der Polizei auffällt. Das Gespann Klaus Schwarzkopf und Wolf Roth wirkt zunächst ungleich, sodass man zunächst eher von einem Arrangement ausgehen darf. Der Kommissar stutzt seinen teils über-ambitionierten Kollegen gerne zurecht und degradiert ihn offen zu einem Untergebenen, der Wasserträger-Arbeiten übernehmen muss. Dennoch lässt sich eine gute Zusammenarbeit herausfiltern und letztlich ist ein Duo zu begleiten, dass zu den vielleicht besten und greifbarsten der frühen Phase gehört. Wolfgang Petersen bietet mit "Blechschaden" eine gut ausgearbeitete Kettenreaktion an, die sich zum Ende hin vielleicht als etwas vorhersehbar herausstellt, aber viele Finessen im Bereich der Kriminalhandlung und der Charakterzeichnungen aufzeigt. Da der Fall mit nackten, respektive toten Tatsachen beginnt, ist der Zuschauer über alles orientiert und wird zum Komplizen gemacht. Im späteren Verlauf mündet die Geschichte in nebulöse Konturen, in denen sich die Personen nicht mehr auf einem Silbertablett servieren, was Kommissar Finkes eigentlich ruhige Herangehensweise forciert. Ohnehin ist es interessant dabei zuzusehen, wie er eben aufgrund seiner einfach wirkenden Methoden von seinem jeweiligen Gegenüber unterschätzt wird. Petersens erste von sechs Arbeiten innerhalb der "Tatort"-Reihe überzeugt wegen der inszenatorischen Sicherheit, der optimalen Verstrickung der Handlungsstränge und nicht zuletzt im Bereich der Schauspieler-Führung. Weniger Effekte, aber dafür originelle Kniffe, beispielsweise mit der Kamera, sorgen für Tempo und eine solide Grundspannung, sodass man diesem achten Fall bestimmt nicht nur als Fan der Serie etwas abgewinnen kann.

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