FLUCHT INS DUNKEL - Arthur Maria Rabenalt

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Percy Lister
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FLUCHT INS DUNKEL - Arthur Maria Rabenalt

Beitrag von Percy Lister »

"Flucht ins Dunkel" (Deutschland 1939)
mit: Ernst von Klipstein, Joachim Gottschalk, Hertha Feiler, Paul Hoffmann, Siegfried Schürenberg, Annemarie Sauerwein, Theo Shall, Gerhard Bienert, Fritz Böttger, Hilla Hofer, Aribert Grimmer, Ludwig Schmid-Wildy u.a. | Drehbuch: Philipp Lothar Mayring nach dem Roman "Gespenst im späten Licht" von Karl Unselt | Regie: Arthur Maria Rabenalt

Dr. Paul Gildemeister und sein Arbeitskollege Engelbrecht treffen sich im Jahr 1914 an der französischen Kriegsfront. Beide waren vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs für die Firma Laroche tätig. Während Dr. Gildemeister von dem Gedanken besessen ist, seine Forschungsergebnisse aus seinem alten Labor in Senlis zurückzuholen und deshalb fahnenflüchtig wird, kehrt Engelbrecht nach dem Krieg nach Deutschland zurück und meldet sich bei Barbara Wrede, der ehemaligen Freundin von Dr. Gildemeister. Sie und ihr Bruder leiten das Werk mehr schlecht als recht und erwägen den Gedanken, die Firma ans Ausland zu verkaufen. Engelbrecht will dies unter allen Umständen verhindern, da er ebenso wie sein Freund Dr. Gildemeister - der inzwischen in einem französischen Kriegsgefangenenlager lebt - von der Idee überzeugt ist, eine Aluminiumlegierung produzieren zu können, die reißfest wie Stahl, aber weitaus günstiger in der Herstellung ist. Er fälscht eine Bankvollmacht, um die Wertpapiere von Dr. Gildemeister zu beleihen und arbeitet verbissen an der Erfindung, die für ihn und das Werk lebenswichtig ist.....

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden alle Kopien des Films vom Oberkommando der alliierten Siegermächte beschlagnahmt und die Aufführung unter Verbot gestellt. Heute beansprucht die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung die Auswertungsrechte. Der Film wurde wegen seines dem Gedanken der Völkerverständigung widersprechenden Inhalts als Vorbehaltsfilm eingestuft. Seine öffentliche Aufführung ist seitdem nur eingeschränkt möglich, ich konnte "Flucht ins Dunkel" vor einigen Jahren im Berliner Zeughaus-Kino sehen. Obwohl als Propagandafilm für das Dritte Reich produziert, erscheint der Film weitaus gemäßigter als man es aufgrund der einleitenden Worte erwartet hat. Ein politisch und geschichtlich versiertes Publikum des 21. Jahrhunderts sollte in der Lage sein, diese Produktion sehen zu können, zumal der jeweilige Kontext eines Films viel über Entstehung und Zweck aussagt. Man darf zeitgeschichtliche Dokumente nicht ignorieren, sondern sie als Ergänzung und zum besseren Verständnis für die Aufarbeitung einer Epoche sehen, die von Menschenhand geschaffen und von Menschenhand zerstört worden ist. Die tendenziöse Art, eine Handlung aufzuarbeiten, die listige Botschaft, die mal mehr, mal weniger unterschwellig vermittelt wird, sagt viel über das Gedankengut und die Ziele der Machthabenden aus und kann vom heutigen Publikum als Anreiz zur Diskussion über den Einfluss der Medien genutzt werden. Deshalb ist es gut, wenn der "Giftschrank" geöffnet wird und der Allgemeinheit gezeigt wird, auf welche Weise und zu welchem Zweck Kinobesucher manipuliert worden sind.

Die Grundprinzipien, auf denen die Geschichte aufbaut, sind Freundschaft, Fleiß, Einsatz und Loyalität - Eigenschaften, die nichts von ihrer Gültigkeit verloren haben. Während Dr. Gildemeister allein durch sein Aussehen verschroben wirkt und wie ein Stehaufmännchen alle Widrigkeiten meistert, sympathisiert der Zuschauer vor allem mit dem Laboranten Engelbrecht, dem es gelingt, den Betrieb wieder hochzubringen. Er verschafft sich Respekt ohne Repression, fördert Mitarbeit auf Augenhöhe und bringt sich selbst hundertprozentig ein, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Es geht ihm darum, ein Projekt zu verwirklichen und er tritt bescheiden in den Hintergrund, als das Ziel erreicht ist. Der Wunsch des Publikums, Engelbrecht würde länger von den Früchten seiner Arbeit profitieren können, muss unvermeidlich wegen "höherer Ideale" zurückstehen. Die Rolle, welche Hertha Feiler verkörpert, fügt sich ebenso in das zeitgenössische Schicksal: die treue Frau, die unbeirrt an die Rückkehr ihrer ersten Liebe glaubt, wird für die bange Wartezeit am Ende belohnt. Der Hinweis an das weibliche Publikum ist klar: Echte Liebe wird durch einen Lern- und Anpassungsprozess vertieft und überdauert auch eine lange Trennungsphase (durch Krieg oder Gefangenschaft), ein prominentes Beispiel bildet hier "Die große Liebe" mit Zarah Leander. Der Kontrast zwischen den "leichten Mädchen" im Nacht-Club, die unsichere Verhältnisse mit unverbindlichen Männern haben, während die solide Barbara von seriösen, wohlmeinenden Männern umgeben ist, verlagert den Schwerpunkt des Interesses auf die weibliche Heldin.

Siegfried Schürenberg kann in seiner ansprechenden Darstellung zeigen, dass ihm nicht nur das Komödienfach liegt, sondern er sich auch für leisere Töne hervorragend eignet. Seine Rolle ist sehr freundlich angelegt und ergänzt das Trio im Wrede-Labor auf angenehme Weise. Das Augenmerk liegt schwerpunktmäßig auf der Darstellung von Joachim Gottschalk, der zwei Jahre nach "Flucht ins Dunkel" zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn den Freitod wählte, was Joseph Goebbels in seinem Tagebuch lapidar kommentiert: "Am Abend kommt noch die etwas peinliche Nachricht, dass der Schauspieler Gottschalk, der mit einer Jüdin verheiratet war, mit Frau und Kind Selbstmord begangen hat. Er hat offenbar keinen Ausweg mehr aus dem Konflikt zwischen Staat und Familie finden können. Ich sorge gleich dafür, dass dieser menschlich bedauerliche, sachlich fast unabwendbare Fall nicht zu einer alarmierenden Gerüchtebildung benutzt wird. Wir leben in einer sehr harten Zeit, und das Schicksal nimmt den Einzelmenschen manchmal erbarmungslos vor. Es ist gut, wenn man in einer solchen Zeit ein festes Fundament besitzt und auf diesem festen Fundament ebenso fest verankert steht, damit die Stürme der Zeit einen nicht umwerfen können." Das Schicksal der Beteiligten an umstrittenen Filmproduktionen ist in vielen Fällen mindestens so bemerkenswert wie das Projekt selbst, weil es den Blick hinter die Kulissen der Fassade freigibt, der oft ganz anders aussieht als jene Bilder, die über die Kinoleinwände flackern und eine deutliche Botschaft vermitteln wollen, die angeblich durch nichts zu erschüttern ist.

Percy Lister
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Re: FLUCHT INS DUNKEL - Arthur Maria Rabenalt

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Hier noch das Filmplakat:

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