DIE WAHRHEIT ÜBER ROSEMARIE - Rudolf Jugert

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DIE WAHRHEIT ÜBER ROSEMARIE - Rudolf Jugert

Beitrag von Prisma »




Belinda Lee

DIE WAHRHEIT ÜBER ROSEMARIE


● DIE WAHRHEIT ÜBER ROSEMARIE (D|1959)
mit Walter Rilla, Jan Hendriks, Hans Nielsen, Paul Dahlke, Edith Schultze-Westrum, Karl Schönböck, Karl Lieffen,
Claus Wilcke, Lina Carstens, Wolfgang Büttner, Georg Lehn, Hans Elwenspoek, Bobby Todd, Johannes Buzalski, u.a.
eine Dieter-Fritko-Produktion der Rapid Film | im Verleih der Union Film
ein Film von Rudolf Jugert

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»Ich werde mein Verhalten im Verkehr in Zukunft den Vorschriften besser anpassen!«


Frankfurt am Main in den Fünfzigerjahren. Der rätselhafte Mord an der Edelhure Rosemarie Nitribitt (Belinda Lee) sorgt für Schlagzeilen und Spekulationen. In der Nacht zum 01. November 1957 wird die einschlägig bekannte Frau tot in ihrer Wohnung aufgefunden, erwürgt von einem Unbekannten. Zu ihrer Stammkundschaft zählten viele wohlhabende Männer aus Politik und Wirtschaft, sodass der Kreis der potentiellen Verdächtigen endlos erscheint. Rosemarie arbeitete sich von ganz unten empor und verdiente sich ein kleines Vermögen, doch sie litt unter Isolation und Einsamkeit. Ihre ehemalige Wirtin Frau Huber (Lina Carstens), ihre Masseurin Frau Kroll (Edith Schultze-Westrum) und ihr hilfsbereiter Bekannter Heinz Pohlmann (Jan Hendriks) zählen zu den wenigen Vertrauten, die übrig geblieben sind, doch auch bei ihnen lässt sich im Nachhinein ein Mord-Motiv ausfindig machen...

Rudolf Jugerts skandalträchtiger Film möchte schon alleine aufgrund des sehr eindeutig klingenden Titels für Aufsehen, bestenfalls Aufklärung sorgen, doch auch mit dieser alternativ angelegten Herangehensweise dürfte es nicht leichter werden, dem neugierigen Publikum neue Erkenntnisse zu liefern. Der der damals wie heute ungeklärte Kriminalfall hielt die Bundesrepublik seinerzeit in Atem, birgt aber nach wie vor das Potenzial, für Hochspannung zu sorgen, da es bei den Erhebungen zu einem Fließband von Ungereimtheiten kam. Der Film präsentiert sich zunächst sehr ambitioniert, kommt aber nicht über die Verlockung hinweg, seinen völlig spekulativen Charakter hemmungslos auszuspielen, funktioniert daher vornehmlich als sehr gelungener Unterhaltungsfilm. Die Regie inszeniert bei dieser nicht gerade einfachen Anforderung nicht uninteressant und bedient sich eines einfachen Konzepts, den kompletten Film mit einem selbstläuferischen Epizentrum auszustatten, beziehungsweise den kompletten Verlauf um die schöne Engländerin Belinda Lee zu konstruieren. Etappenweise sind Studien zu sehen, es werden Hintergründe und Veranschaulichungen geboten, und die in Rückblenden angelegte Geschichte wirkt als Kriminalfilm teils ungelenk, da die Weichen für einen Sensationsreißer gestellt wurden, der dem Empfinden nach die interessantere Variante darstellt, zumal es kaum neue Erkenntnisse im Mordfall Nitribitt wahrzunehmen gibt. Die Produktion ist wesentlich zufriedenstellender und nüchterner ausgefallen als Rolf Thieles ein Jahr zuvor erschienene und eher satirisch angehauchte Konkurrenz namens "Das Mädchen Rosemarie", mit Nadja Tiller in der Titelrolle. Die Episoden des Werdegangs von Rosemarie werden unter Jugert kurz und prägnant zusammengefasst, sodass man sich auch ohne besonderes Hintergrundwissen relativ gut orientiert fühlen dürfte, bis sich das Hauptaugenmerk auf die beteiligten Personen aus dem Bekannten- und Kundenkreis der stadtbekannten Prostituierten verlagert.

Hierbei sind überaus gerne gesehene und bekannte Darsteller zu sehen, die meistens nur in kurzen Auftritten agieren, da alles und jeder der atemberaubenden Titelfigur untergeordnet ist. Im Gegensatz zu Kollegin Nadja Tiller zeigt Belinda Lee mithilfe ganz einfacher Register eine überzeugende Durchschlagskraft. Lee, die 1961 schrecklich jung im Alter von nur fünfundzwanzig Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam, präsentiert hier ein Konglomerat aus allen erdenklichen weiblichen Attributen und wird bei dieser Darbietung restlos überzeugen und faszinieren. Unter Betrachtung der damaligen Verhältnisse spielte sie das, was man von anderen, arrivierten Interpretinnen vielleicht nicht geboten bekommen hätte, aber die Verpflichtung von Belinda Lee erklärt sich aus vielerlei Hinsicht von selbst, nicht zuletzt, weil sie der Produktion ein wenig internationales Flair verleihen kann. Ausgestattet mir einer überaus offensiven Form der Weiblichkeit, wirkt ihre Darstellung dynamisch und verführerisch zugleich. Man darf vielleicht ohne zu viel zu übertreiben sagen, dass sie dem Mythos Nitribitt ein bemerkenswert neues und erfrischendes Gesicht gegeben hat. Die Darstellung der Rosemarie verläuft ausschließlich über das üblicherweise leichtfüßige Schauspiel von Belinda Lee sehr überzeugend, und es wird zum Spektakel, ihre unzähligen Facetten erleben zu können. Unter den weiteren Schauspielern findet man nur noch solche, die in die zweite Reihe verwiesen wurden. Im Grunde genommen ist dieser rein funktionelle Umgang mit den ansonsten nicht so kleinen Namen der Besetzungsliste ein gutes Mittel, sie dem Zuschauer als Verdächtige zum Fraß vorzuwerfen. Walter Rilla, Hans Nielsen, Paul Dahlke, Jan Hendriks oder Karl Schönböck wirken als Garanten für Qualität somit fast vertan, befeuern allerdings jeglichen ausgesprochenen und unausgesprochenen Verdacht, bis sich ihre Spuren meist wieder verlieren. In sehr interessanten Parts sieht man einige der übrigen Damen.

Lina Carstens fungiert als gute Seele der Geschichte und Edith Schultze-Westrum hinterlässt den bleibenderen Eindruck als Rosemarie Nitribitts teils gespenstisch wirkende Haushälterin. Für damalige Verhältnisse ist "Die Wahrheit über Rosemarie" in Teilen recht gewagt ausgefallen. Zwar bekommt man nur andeutungsweise Haut und nackte Tatsachen zu Gesicht, doch der schlüpfrige Charakter ergibt sich schließlich aus Wort und Tat. Die Geschichte an sich wirkt am Ende so, als habe sie die vollmundige Ankündigung des Titels vergessen, aber wo keine tatsächlichen Indizien und Beweise zu finden sind, kann auch ein Rudolf Jugert nicht zaubern. So bleibt es bei bekannten Tatsachen aus Erhebungen und einigen Mutmaßungen, die allerdings für die Würze des Geschehens sorgen. Zum Finale hin zeigt der Film ungewöhnliche Stärken, bündelt und verwertet das hin und wieder liegen gelassene Potenzial in voller Kraft. In einer Traumsequenz erscheinen Rosemarie nochmals alle hier vorgestellten Mordverdächtigen, die zu ihr mit verzerrter Stimme sprechen und die sie bedrohen. Angst und Verzweiflung gewinnen durch schräge Kamera-Perspektiven Gestalt und werden in bizarrer Manier greifbar, bis sie ihrem Mörder erleichtert die Tür öffnet. Dies allerdings war kein Traum, sondern bittere Realität. Ruft man sich nochmals den deutschen Titel der Produktion vor Augen, so muss man sich letztlich eingestehen, dass das Tatmotiv bei einer solch vielversprechenden Ankündigung nicht herausgearbeitet werden konnte, wenngleich das Prinzip, dass es könne jeder gewesen sein könnte, bei einem ungeklärten Mordfall natürlich absolut naheliegend ist. Im Endendeffekt wünscht man sich vielleicht zu sehr das Unmögliche, nämlich Gerechtigkeit. Die Produktion verfügt über einen sehr klaren und nachvollziehbaren Aufbau, sodass sich unterm Strich sagen lässt, dass man es mit einer der interessantesten Nitribitt-Verfilmungen zu tun hat, die über eine Titelfigur verfügt, die für Brisanz, Feuer, Spannung und vor allem Mitgefühl sorgt.

Percy Lister
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Registriert: Sa., 14.11.2020 16:15

Re: DIE WAHRHEIT ÜBER ROSEMARIE - Rudolf Jugert

Beitrag von Percy Lister »

Mit der Verpflichtung der englischen Schauspielerin Belinda Lee bewies die "Rapid-Film" Gespür für eine getreue Umsetzung der Handlung. Sie ist eine Offenbarung und man ist sogleich von ihr angetan. Es ist schwer, sich eine deutsche Darstellerin für die Rolle der Rosemarie vorzustellen. Zu konservativ ist das Image, das der deutsche Film für seine weiblichen Stars in den Fünfziger Jahren bereithielt. Die damenhafte Nadja Tiller schaffte es nicht, alle Facetten der Edelhure einzufangen; man nahm ihr den Aufstieg aus der Gosse nicht ab. Belinda Lee zeigt die Wandlungsfähigkeit der Rolle mit einer Leinwandpräsenz, die es ihr ermöglicht, selbst bewährte Routiniers wie Walter Rilla oder Hans Nielsen zu Nebendarstellern zu degradieren. Ihre sinnliche Ausstrahlung, die exotische Note ihres Gesichts, das an Marisa Mell erinnert und ebenso hart und entschlossen, wie süffisant und fröhlich wirken kann, sorgt dafür, dass man sie in privater Urlaubsstimmung mit Zöpfen gleich anziehend findet wie im Abendkleid hinter dem Steuer ihres Mercedes Cabriolets. Sie biedert nicht um die Gunst des Publikums, sondern geht ihren eigenen Weg; mal ist sie kratzbürstig und ungerecht, dann wieder sucht sie nach Nähe und Zuwendung. Im Zusammenspiel mit ihren Kollegen gelingt es ihr, jede Person individuell zu behandeln. So bleiben die einzelnen Paarungen nachhaltig im Gedächtnis und unterstreichen die Möglichkeiten, die Rosemarie für sich gesucht hatte.

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