NIGHT TRAIN TO VENICE - Carlo U. Quinterio

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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NIGHT TRAIN TO VENICE - Carlo U. Quinterio

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Hugh Grant   Tahnee Welch   Malcolm McDowell   in

NIGHT TRAIN TO VENICE


● NIGHT TRAIN TO VENICE / TRAIN TO HELL (D|1993)
mit Evelyn Opela, Samy Langs, Rachel Rice, Ralf Herforth, Renee Künzel, Robinson Reichel und Kristina Söderbaum
eine Take Munich Filmproduktion
ein Film von Carlo U. Quinterio

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»Willkommen im Reich der Lüste!«


Aufgrund pikanter Aufzeichnungen über eine Gruppe von Neonazis, die in Venedig Angst und Schrecken verbreiten, reist der Autor Martin Gamble (Hugh Grant) mit dem Orient-Express an den Ort des Geschehens. Die Unterlagen möchte er seinem Verleger überbringen, damit die dunklen Machenschaften aufgedeckt werden können. Allerdings ahnt Martin noch nicht, dass sich die gewaltbereite Gruppe der Neonazis ebenfalls in diesem Zug befindet. Ebenfalls mit von der Partie ist die Schauspielerin Vera Cortese (Tahnee Welch), die mit der Tochter ihres verstorbenen Mannes ebenfalls nach Venedig reist. Sie scheint auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit zu sein. Schon in der ersten Nacht im Zug verliebt sie sich in Martin, doch die Unbekümmertheit wird nicht von langer Dauer sein, da Veras Tochter plötzlich spurlos verschwindet...

»Träume. Halluzinationen. Alles was wir uns nicht erklären können, jagt uns Furcht ein!« Dieser beinahe kryptisch angehauchte Satz ist von Evelyn Opela respektive Ursula Heyer zu vernehmen und es bringt diese Fahrt in die Ungewissheit bereits nach kurzer Spieldauer irgendwie auf den Punkt. Die Geschichte sollte nach Intention der Regie offenbar tatsächlich wie in einem Traum konstruiert sein, doch leider nimmt man als Zuschauer leider nur einen kompletten inszenatorischen Alptraum wahr. Viele Inhalte gleichen unangenehmen Halluzinationen und man bekommt erhebliche Schwierigkeiten, das Geschilderte in eine sinnvolle Ordnung zu bringen, sodass dieser unwirsche Inszenierungsstil und globale Rundumschlag der Dramaturgie nichts als Verwirrung stiftet, die jedoch nicht in die Kategorie der Stilmittel verfrachtet werden kann. Harte Schnittfolgen und die zusammenhanglos eingefügten Bilder einer noch unbekannten Parallelhandlung lassen diesen Verlauf genau wie die inkohärent wirkenden Eindrücke zu einem Schnipsel-Sammelsurium werden. Bilder, die allem Anschein Botschaften überbringen oder einen metaphorischen Charakter transportieren sollen, um einen vermeintlich tieferen Sinn herzustellen, floppen auf ganzer Linie. Die Geschichte wirkt hektisch, unruhig und schrecklich ziellos, hinzu kommen darstellerische Leistungen der unteren Sphären, außerdem Dialoge, die von der Einfältigkeit geschrieben wurden. Zu allem Überfluss tauchen auch noch peinliche Kolportage-Inhalte auf und es führt einfach kein Weg daran vorbei, dieses unappetitliche Wirrwarr abzuschreiben.

Plötzlich ist zu vernehmen, dass dies alles nur ein Traum sei, doch es gelingt nicht, ohne Probleme aufzuwachen. Kurz und schlecht: Carlo U. Quinterios inszenatorischer Alptraum entwickelt leider eine verdächtige Methode und die simple Erkenntnis, dass es sich um absolut sinnloses Material und vollkommen verschwendete Zeit handelt. Ein überaus angenehmer Ortswechsel gestattet dem vermutlich überwiegend strapazierten Publikum, aus diesem Zug der verzerrten Träume auszusteigen, doch die offensichtlichen Neurosen der Protagonisten gehen leider weiter. Venedig. Pittoreske Bilder der Stadt und der Umgebung können eine willkommene, wenn auch leider nur kurze Atempause verschaffen, sodass man sich sammeln darf, um dieses Happening der unbegrenzten Einfälle weiter durchstehen zu können. Teile der Besetzung waren von vorne herein interessant genug, sich auf dieses noch nicht einmal so uninteressant klingende Experiment einzulassen. Über Hugh Grant darf man sicherlich generell streiten und hier seien besser keine großartigen Worte über seine Leistung verloren, da es einfach schwer ist, seiner Leistung etwas Positives abzugewinnen. Wie er einst selbst erwähnte, handle es sich hierbei um seinen miserabelsten Film überhaupt, und diese Aussage ist bedingungslos zu unterstreichen. Tahnee Welch staffiert das Szenario mit klassischer Attraktivität aus, mehr gibt es zu ihr leider nicht zu sagen. Malcolm McDowell schleicht verheißungsvoll umher und soll mutmaßliche Botschaften vermitteln, was trotz aller Bemühung leider nicht so recht gelingen mag.

Evelyn Opela überzeugt mit weiblicher Reife, schafft es allerdings nicht, die Rolle der eitlen Diva bestimmend genug zu formen, was auch der kurzen Auftrittsdauer geschuldet ist. Interessant und gleichzeitig beinahe erschreckend ist die Partizipation und der damit verbundene Schwanengesang der berüchtigten Ufa-Legende Kristina Söderbaum, die sich nach dieser Farce aus dem Filmgeschäft verabschiedete. Mit Entsetzen sieht man eine Darbietung, die nichts weiter als die traurige Gewissheit hergeben will, dass eine Karriere unter schlechtesten Voraussetzungen beendet wurde. Insgesamt ist die zunächst nicht uninteressant wirkende Besetzung Teil eines schwerwiegenden Debakels geworden, denn große und kleinere Akteure stolpern hilflos und verzweifelt in einem Labyrinth der Gedankensprünge umher, das sich zu allem Überfluss gegen Ende noch mit abstoßenden Bildern interessant zu machen versucht. Die sich aufbäumende NS-Thematik erscheint nicht nur verwirrend, sondern auch geschmacklos in der Umsetzung und peinlich in der Intention. »Ich kann mich überhaupt an nichts erinnern!«, sagt Hugh Grant in einer Szene, und damit dürfte er den offensichtlichen Wunsch eines jeden Zuschauers ausgesprochen haben, doch eine Amnesie ist hier so gut wie ausgeschlossen. "Night Train To Venice" oder "Happening der Inkohärenz" ist im Endeffekt misslungen und ein Flop, wie man ihn nicht häufig geboten bekommt. Um es also ein wenig versöhnlicher zu formulieren: Carlo U. Quinterio macht es den (vermutlich wenigen) Zuschauern seines Films nicht gerade leicht, ihn zu verstehen.

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