FRAU IRENE BESSER - John Olden

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Percy Lister
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Registriert: Sa., 14.11.2020 16:15

FRAU IRENE BESSER - John Olden

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"Frau Irene Besser" (Deutschland 1961)
mit: Luise Ullrich, Rudolf Prack, Albert Lieven, Ellen Schwiers, Oliver Grimm, Margitta Scherr, Peer Schmidt, Helga Schlack, Paul Henckels, Carl Wery, Siegfried Schürenberg, Harald Maresch, Hermann Thimig, Willi Rose, Gerd Frickhöfer, Oskar Paulig, Karl-Heinz Gerdesmann u.a. | Drehbuch: Jochen Huth nach dem Revue-Roman von Hans Habe | Regie: John Olden

Irene Besser eilt mit ihren beiden Kindern zum Bahnhof: Nach dreizehn Jahren kehrt ihr Mann Martin aus russischer Kriegsgefangenschaft heim. In den Jahren der Abwesenheit ist sich die Familie fremd geworden, Sohn Peter war noch nicht geboren, als Martin an die Front musste. Irene hat es durch Fleiß und geschäftliches Geschick zu einem eigenen Warenhaus gebracht und in dem Juristen Dr. Werther einen neuen Lebensgefährten gefunden. Martin Besser findet sich nur schwer wieder im Alltag zurecht. Die erwachsene Tochter lehnt seine Bevormundung ab und seine alte Position als Prokurist bei einer kleinen Puppenmanufaktur wäre Martin weitaus lieber als eine Aufgabe in der Firma seiner Frau. Irene sieht sich in einem Zwiespalt zwischen ihrem Mann und ihrem langjährigen Partner und auch im Besser-Konzern tun sich Probleme auf....

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Das Thema der Spätheimkehrer war in den Fünfziger Jahren ein bestimmender Faktor in vielen Familien, die dadurch einen gravierenden Einschnitt erfuhren. Nicht jeder fand ein trautes Heim vor. Viele Paare hatten sich einander entfremdet, die Frau war an die berufliche und finanzielle Selbständigkeit gewöhnt und hatte oft auch einen neuen Partner gefunden. Die Männer mussten ihren Weg in der seit ihrem Abschied stark veränderten Gesellschaft erst wieder finden, nicht selten gab es Konflikte und Trennungen. John Olden inszenierte den Roman von Hans Habe mit zwei erfolgreichen deutschen Kinostars, die sich in ihrem Rollenfach bereits etabliert hatten und jeweils ein charakteristisches Image bedienten. Ullrich verkörperte patente, geradlinige und willensstarke Frauen, die mit beiden Beinen im Leben standen, während Prack seit dem Heimatfilmklassiker "Schwarzwaldmädel" als Traummann des Genres galt, obwohl er teilweise deutlich älter als seine Filmpartnerinnen war. Luise Ullrich muss sich zwischen zwei Männern entscheiden, was ihr sichtbar schwer fällt, verkörpern sie doch jeweils unterschiedliche Eigenschaften, die sie an einem Partner schätzt. Albert Lieven ist das Gegenteil des konservativen Rudolf Prack: souverän, gelassen und entschlussstark. Er gibt Irene Besser eine Rückversicherung, die sie gern annimmt, weil sie auf seinen Rat vertraut und seinen Wagemut schätzt. Er verhinderte in all den Jahren, dass sie ihren Zweifeln nachgab und leitete sie dazu an, mehr Risiken einzugehen, die schlussendlich zum Erfolg führten. Während Prack an das Gestern denkt, hat Lieven das Morgen vor Augen und erlaubt sich keine Sentimentalitäten. Irene Besser zögert und spielt auf Zeit, weiß aber, dass es auf Dauer so nicht weitergeht.

Ellen Schwiers als Flugbegleiterin Franziska fängt Martin Besser auf, als er sich verloren fühlt, wobei er ihre Gesellschaft zwar schätzt, in Gedanken aber ständig bei seiner Familie ist. Es ist von vornherein eine konstruierte Beziehung zwischen einer modernen, mobilen Frau und einem tief in seinen Werten verwurzelten Mann. Schwiers schafft es mit ihrem strahlenden Lächeln spielend, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, auch wenn sie ihre Rollenvorgabe diesmal mehr in Schranken weist als sonst. Sie dient im Prinzip nur dazu, aufzuzeigen, dass auch Martin Besser einen Neuanfang wagen könnte, doch letztendlich laufen ihre Bemühungen ins Leere, weil die Familienbande doch stärker sind als die Sympathie, welche Martin für sie empfindet. Von Ellen Schwiers ist man erbitterte Kämpfe gewöhnt, doch diesmal verzichtet sie selbstlos auf etwas, das vom Drehbuch ohnehin vage gehalten wurde, um Martin Besser einen "moralischen" Vorsprung zu geben, wenn es vor Gericht um das Sorgerecht für den Sohn geht. Im Bemühen um eine sentimentale Lösung fegt der Film die meisten Einwände, die gerade noch wie Felsbrocken auf dem Weg lagen, fort und überlässt es Carl Wery als Schiedsrichter über die Familiensituation zu entscheiden. Traditionelle Muster greifen hier wie einst im Heimatfilm und lassen die Differenzen für kurze Zeit vergessen, wobei die Frage offen bleibt, wie es künftig um die Leitung der Firma bestellt sein wird, nachdem sich der Ehemann selbst als überfordert in einen kleineren Betrieb verabschiedet hat. Die Harmonie zielte auf das damalige Publikum, das vergessen wollte und in der Wiederherstellung der Zeit vor dem großen Schrecken (und dem eigenen Versagen) ihren Seelenfrieden suchte.

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