DER SATAN LOCKT MIT LIEBE - Rudolf Jugert

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DER SATAN LOCKT MIT LIEBE - Rudolf Jugert

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Belinda Lee

DER SATAN LOCKT MIT LIEBE


● DER SATAN LOCKT MIT LIEBE (D|1960)
mit Joachim Hansen, Heinz Engelmann, Peter Capell, Osman Ragheb, Dorothee Parker, Panos Papadopulos und Ivan Desny
eine Wolfgang Hartwig Produktion der Rapid Film | im Union Filmverleih
ein Film von Rudolf Jugert

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»Jetzt verzehrt die Schlange das Kaninchen!«


Nach seiner Flucht aus dem Gefängnis trifft der Verbrecher Carlos (Ivan Desny) per Zufall auf den wohlhabenden Robert (Joachim Hansen), den er um ein Haar seines Geldes beraubt hätte. Erst später stellt sich heraus, dass er es besser getan hätte, denn er braucht den Betrag von 20.000 Dollar, um außer Landes gelangen zu können. Mit seiner Lebensgefährtin, der Sängerin Evelyn (Belinda Lee), hat er vor, nach Australien zu fliehen. Dabei soll der zwielichtige Kapitän (Heinz Engelmann) helfen, der Carlos noch einen freundschaftlichen Dienst schuldig ist und außerdem Gefallen an Evelyn findet. Doch die Schiffscrew macht unerwartete Schwierigkeiten. Während der geflohene Verbrecher, der mittlerweile mehr und mehr von der Polizei in die Enge getrieben wird, immer skrupelloser vorgeht, soll seine Freundin ihm das Geld von Robert beschaffen. So weit scheint alles glatt zu laufen, doch es kommt zu ungeahnten Komplikationen...

Bei "Der Satan lockt mit Liebe" handelt es sich erneut um einen Film, dessen Titel ein wenig in die Irre leitet. Zwar wird hier ausgiebig mit Liebe gelockt, aber der Satan erscheint bei seiner Vorgehensweise hin und wieder ein bisschen zu katholisch zu sein. Man könnte eine Produktion erwarten, die in Richtung Erotik führt, was angesichts des Produktionsjahres 1960 allerdings nicht der Fall ist. Eher kann man Rudolf Jugerts Beitrag als Kriminal-Drama bezeichnen. Jugert, der bereits zuvor mit Belinda Lee, dem mittlerweile großen Star europäischer Produktionen, in "Die Wahrheit über Rosemarie" zusammenarbeitete, inszeniert sie auch hier äußerst beeindruckend und packend. So scheint die Regie genau gewusst zu haben, dass der zu verfilmende Stoff seine Originalität nur in Verbindung mit seiner verführerischen Hauptdarstellerin erlangen kann, und daher setzt man beinahe ausschließlich auf das unbändige Zugpferd der Produktion. Was die Handlung angeht, bleibt der Film eigenartig spartanisch und auch einige Charaktere, beziehungsweise Darsteller dieser dennoch gut aufgebauten Geschichte, gehen neben der übermächtigen Belinda Lee schlicht und einfach unter. Trotz des eigenartig unergiebigen Stoffs wirkt das Gesamtbild unter Rudolf Jugerts Leitung alles andere als uninteressant. Oft fühlt man sich so, als sei man aufgrund der Schauplätze, der Thematik und der Gestaltung in einem frühen Edgar-Wallace-Film, und hier kommen innerhalb des klassischen Nostalgie-Kinos dieser Zeit beachtliche Bilder zum Vorschein.

Es ist wieder einmal äußerst erstaunlich, wie es Belinda Lee versteht, eine derartige Leinwand-Dominanz aufzubauen. Belinda Lee wurde seinerzeit als spektakuläre Neuentdeckung des deutschen Films vermarktet, wenngleich sie sich im europäischen Kino bereits einen guten Namen machen konnte, denn die britische Schauspielerin war zu jener Zeit bereits der große Star ihrer Produktionen. In ihren deutschen Filmen wurde sie stets vollmundig und groß angekündigt und schafft es mit Leichtigkeit, der oftmals angestaubten und konservativen Herangehensweise in zeitgenössischen Produktionen ein internationales Flair zu vermitteln. In ihr sieht man dem Empfinden nach viele Darstellerinnen oder unterschiedliche Frauen, was sie so wandlungsfähig und kompatibel für unterschiedliche Riollen erscheinen lässt. Sie vereinnahmt die Szenerie auch ohne exponierte Einstellungen und beflügelt die Fantasie und die Vorstellung des Zuschauers; eine der wohl erotischsten und verführerischsten Schauspielerinnen, die man zur damaligen Zeit finden konnte. Dabei gibt ihre Rolle nicht annähernd so viel her, wie sie im Endeffekt herausschlagen konnte. Evelyn fasziniert, obwohl oder gerade weil sie ein Ganovenliebchen ist und man gespannt darauf wartet, auf welche Seite sie sich schlagen wird. Ihr Kalkül und ihre unberechenbaren Kehrtwendungen erscheinen glaubhaft, auch wenn sie für die etwas spröde Geschichte letztlich keinen großen Nutzen bringen. Ihre Vereinnahmung geschieht ohne große Anstrengungen und gipfelt in einem besonders starken Finale.

Neben Belinda Lee sind einige bekannte Darsteller des deutschen Kinos zu sehen und erneut gestaltet sich eine beachtliche Umkehrreaktion um die attraktive Britin. Neben ihr sind es plötzlich die Herren der Schöpfung und vermeintlich größeren Stars der Manege, die wie schmückendes Beiwerk wirken; ein Schicksal, das beinahe ausschließlich für Frauen abonniert war. Das beste Beispiel stellt in diesem Zusammenhang Joachim Hansen dar. Oftmals ohnehin spröde und ungelenk anmutend, kann er hier durch mehr Dynamik punkten, sodass er in "Der Satan lockt mit Liebe" deutlich überzeugender als andernorts wirkt. Heinz Engelmann ist ebenso wie in "Das Gasthaus an der Themse" als zweifelhafter Kapitän eines noch zweifelhafteren Kutters zu sehen, dem man die Kreation seiner nicht immer integer wirkenden Person abnimmt. Von Ivan Desny geht letztlich die eigentliche Bedrohung aus, was gleich zu Beginn deutlich herausgearbeitet wird, als er am Bahnhof ein kleines Kind als Geisel nimmt, da das Polizeiaufgebot ihn in die Enge getrieben hat. Allerdings flacht die Geschichte um den entflohenen Sträfling bald schon deutlich ab, da es im Endeffekt nur darum geht, wie er es schaffen kann, außer Landes zu kommen. Jeder der erwähnten Schauspieler fällt Evelyn in die Hände, alle verfallen dieser Frau, die nur wenig dazu tun muss. Das vorhandene Potential des Spannungsaufbaus wird in diesem Bereich allerdings nicht stringent herausgearbeitet, sodass man muss sich schon etwas gedulden muss, bis es zum ersten wirklichen Paukenschlag kommt, der glücklicherweise nicht ausbleibt.

Die interessante Frage des Films bleibt die nach der Wurzel allen Übels: ist es die verführerische Frau, der alle willenlos verfallen, oder ist es das kriminelle Potential, das jeden mit in den Dreck zieht? Die Geschichte lässt zwar einige Fragen offen, doch man kann die Inszenierung im handwerklichen Bereich als sehr ansprechend und sogar überdurchschnittlich bezeichnen. Alles Weitere wirkt beinahe eigenartig oder eher angenehm Lee-kopflastig, wahrscheinlich um dem Titel des Films und dem Zuschauer gerecht zu werden. Die Atmosphäre wird durch die aussagekräftigen Schauplätze begünstigt. Bevor der Vorspann einsetzt, befindet man sich auf einem Zug, der auf einen Tunnel zusteuert. Als er einfährt und es dunkel wird, setzt der Vorspann ein. Überhaupt findet man sich in längeren Sequenzen am Bahnhof wieder, die Hafenstadt mit all ihren Gassen und Winkeln erhält ein geheimnisvolles Panorama durch harte Schwarzweiß-Kontraste, Licht, Schatten und Nebel. Auch der Hafen, das Schiff und die halbseidene Bar, in der Belinda Lee einen deutschen Schlager im Playback singt, tragen einen bedeutenden Teil zu der gelungenen Atmosphäre bei. Besonders gut kommt die Rolle der Polizei an, die kompetent wirkt und mit zynischen Zeitgenossen in Lauerstellung verweilt. Insgesamt ist die eigentlich schnörkellose Geschichte geschickt mit einer handwerklich ansprechenden Arbeit von Rudolf Jugert glatt gebügelt worden, die im Ganzen aber vor allem wegen Belinda Lee sehenswert ist. Falls man sie als Schauspielerin nur hervorragend nennen will, muss man sie als Frau tatsächlich überragend nennen.

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