DER TEUFEL SPIELTE BALALAIKA - Leopold Lahola

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DER TEUFEL SPIELTE BALALAIKA - Leopold Lahola

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DER TEUFEL SPIELTE BALALAIKA


● DER TEUFEL SPIELTE BALALAIKA / LES RÉVOLTÉS DU BAGNE (D|F|1961)
mit Anna Smolik, Charles Millot, Götz George, Pierre Parel, Sieghardt Rupp, Peter Neusser,
Günther Jerschke, Wilmut Borell, Franz Muxeneder, Peter Lehmbrock und Rudolf Forster
eine Produktion der Peter-Bamberger-Film | im UFA Filmverleih
ein Film von Leopold Lahola

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»Das einzige Privateigentum das wir noch haben, ist unser Leben!«


Nach Ende des Zweiten Weltkrieges in einem sibirischen Kriegsgefangenenlager für deutsche und japanische Gefangene: Leutnant Fusow (Pierre Parel) führt ein eisernes Regiment und verschärft die ohnehin schon harten Arbeitsbedingungen empfindlich. Wenn das Soll nicht erfüllt wird, muss ab sofort auch Nachts gearbeitet werden. Die Arbeiter müssen bis an die Grenzen ihrer physischen und mentalen Kräfte gehen und bekommen gerade so viel Verpflegung, um überleben zu können. Fluchtversuche und Aufruhr sind aussichtslos. Die einzigen Lichtblicke in dieser trostlosen Gegend stellen der jüdische Offizier Seidenwar (Charles Millot) und dessen Frau Elena (Anna Smolik) dar, die als Österreicherin mit jüdischen Wurzeln seinerzeit selbst in einem KZ war. Das Paar behandelt die Kriegsgefangenen mit Respekt und leistet heimliche Hilfe. Als ein Fluchtversuch geplant wird, steht das Paar vor einer schwierigen Entscheidung...

Bei "Der Teufel spielte Balalaika" handelt es sich um den ersten Spielfilm des slowenischen Dramatikers und Regisseurs Leopold Lahola und man bekommt ein sehr beachtliches Debüt zu sehen. Lahola, der seinerzeit selbst in einem Internierungslager arbeiten musste, zeigt sehr eindringliche Bilder des harten Alltags und viele Facetten der Willkür, allerdings nicht ohne den Zuschauer mit einem potentiellen Hoffnungsschimmer zurückzulassen. Hilfreich hierbei ist die recht harte Bildgestaltung, außerdem transportieren die kargen und sterilen Settings Kontraste und fabrizieren Stimmungen. Es scheint, als könne man die Nähe zu den Personen fühlen und die bittere Kälte dort spüren. Japanische und deutsche Zwangsarbeiter sind auf engstem Raum zusammengepfercht worden, logischerweise bilden sich Gruppen, bei denen eine sich anbahnende Solidarität zueinander von der Obrigkeit unterdrückt wird. Um Unruhen im Keim zu ersticken, geht Lagerleiter Fusow mit härtesten Mitteln vor und im Endeffekt treibt er die Arbeiter so weit, dass dort beinahe jeder seine eigenen Kameraden für ein warmes Essen verraten würde, falls sie konspirierten. Als gutes Stilmittel der Inszenierung erweist sich das sichere Verwenden der bestehenden Sprachbarriere. Jedes Lager hat ein Sprachrohr und die oftmals harten Worte von russischer Seite müssen in die Landessprache übersetzt werden. Eine von Fusows langen Reden wird von Elena Seidenwar ins Deutsche übersetzt, doch bei Wendungen wie beispielsweise: »Hurensohn!« verweigert sie den Befehl. Der japanische Übersetzer spricht in dieser Situation nur einen ganz kurzen Satz zu seinen Leuten, sodass Leutnant Fusow aggressiv nachfragt, ob das schon alles gewesen sei. Der Japaner antwortet, dass es eben nicht mehr Wörter in seiner Sprache seien und als Zuschauer denkt man sich, dass er seinen Landsleuten ebenso gut »der Hurensohn soll sein Maul halten!« übersetzt haben könnte. Insgesamt setzt die Regie also auf die Kraft der Sprache und die der Bilder, unnötige Effekte spart sich der Verlauf daher weitsichtig auf, damit die trostlose Atmosphäre vollkommen alleine zu greifen beginnen kann, und das geschieht durchgehend von Anfang bis Ende.

Anna Smolik ist hier nach "Und ewig singen die Wälder" in ihrem zweiten und bereits letzten Spielfilm zu sehen. Die interessante Österreicherin, die hauptsächlich in TV-Produktionen und am Theater agierte, hat leider nur eine sehr übersichtliche Filmografie vorzuweisen, die Anfang der Siebziger Jahre abrupt mit dem Rückzug ins Privatleben endete. In "Der Teufel spielte Balalaika" ist sie Elena, die einzige Frau weit und breit und somit Projektionsfläche für viele Wünsche und Bedürfnisse der Männer. Auch Elena ist eigentlich nur da, um Befehle auszuführen, jedoch behandelt sie die Arbeiter nicht wie wertlose Arbeitsmaschinen. Couragiert stellt sie sich gegen Entscheidungen und das Regiment der Lagerleitung, außerdem muss sie einen versuchten körperlichen Übergriff in Wodka-Laune über sich ergehen lassen, sodass sie ihren eigenen Weg geht, sich aber nicht von der Verachtung gegen das System und dessen Helfershelfer leiten lässt. Begleitet wird sie hier von ihrem Mann, der von Charles Millot ebenfalls sehr überzeugend dargestellt wird. In den Gesichtern lässt sich zwar Resignation und Erschöpfung herauslesen, aber es kommt zu keiner Kapitulation. Eine besonders dichte Leistung liefert Pierre Parel als aggressiver Leutnant Fusow, der Hass und Verachtung offen zur Schau stellt. Viele seiner Ansichten und Reden wirken sehr schockierend, was im Endeffekt die aushöhlende Spannung der Geschichte unterstützt. Von deutscher Seite sieht man damals noch sehr unverbrauchte Akteure wie Götz George, Peter Neusser oder Sieghardt Rupp, außerdem den großartigen Rudolf Forster als österreichischen Offizier aus Kaiserzeiten. Die Darsteller liefern dichte Psychogramme, die einen Großteil des düsteren Tenors ausmachen. Von Seiten der Inszenierung herrscht eine spürbare und gewollte Destruktivität und die Regie setzt nur äußerst sporadische Hoffnungsschimmer, um deutlich herauszuarbeiten, dass die Auswirkungen des Krieges wieder einmal nur Verlierer hervorgebracht hat. Die Schauplätze sind authentisch, die Musik charakteristisch und insgesamt handelt es sich um einen Film, der seinen ernsthaften Ambitionen vollkommen gerecht geworden ist. Leopold Lahola ist mit einfachen Mitteln ein nachdenklich wirkender Film gelungen, der von seiner Thematik her naturgemäß schwer verdaulich, aber in seiner Intensität sehr überzeugend wirkt. Beachtenswert!

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