DER FALL DERUGA - Fritz Peter Buch

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Percy Lister
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DER FALL DERUGA - Fritz Peter Buch

Beitrag von Percy Lister »

"Der Fall Deruga" (Deutschland 1938)
mit: Willy Birgel, Geraldine Katt, Käthe Haack, Georg Alexander, Dagny Servaes, Hans Leibelt, Erich Fiedler, Paul Bildt, Claire Winter, Walter Franck, Roma Bahn, Fritz Odemar, Ernst Karchow, Erika von Thellmann, Leo Peukert, Erich Ziegel, Beppo Brem u.a. | Drehbuch: Hans Neumann, Fritz Peter Buch, L. A. C. Müller nach dem gleichnamigen Roman von Ricarda Huch | Regie: Fritz Peter Buch

Maria Swieter, geschiedene Deruga, wird von ihrer Freundin tot aufgefunden. Die kränkliche Frau ist anscheinend ihrem Herzleiden erlegen. Als die Testamentseröffnung ergibt, dass Stephan Deruga der Alleinerbe seiner Exfrau ist, werden Ermittlungen gegen ihn angestellt. Die Exhumierung und Obduktion der Leiche belegen, dass Maria an einer Curare-Vergiftung gestorben ist....

Ein wohliges Kinoerlebnis mit allen Zutaten, die ein stilsicherer Kriminalfilm braucht: ein mysteriöser Tod durch Gift, ein charismatischer Hauptverdächtiger, eine engagierte Privatermittlerin und eine ausführliche Gerichtsverhandlung - wenn man einmal Gelegenheit erhält, in einer Filmvorführung "Der Fall Deruga" zu sehen, sollte man sie wahrnehmen und gerade zu Beginn die Ohren spitzen und sich nicht etwa von den Gassenhauern der Dreißiger Jahre ablenken lassen, die gerne als Intro gespielt werden, bis sich das Publikum gesammelt hat und dem Film aufmerksam folgt. Willy Birgel spielt die Rolle des tatverdächtigen Arztes, dem zur Last gelegt wird, seine geschiedene Frau an ihrem Sterbetag zu einer Testamentsänderung veranlasst und anschließend für ihr Ableben gesorgt zu haben. Sein leichtfüßiges Auftreten und der dunkle Charme seiner Ausstrahlung prädestinieren ihn für die Rolle des Stephan Sigismondo Enea Deruga, der laut Romanvorlage aus Bologna stammt und somit dem Bild des "verschlagenen, heimtückischen, rachsüchtigen Welschen, wie er seit dem frühen Mittelalter in der Vorstellung der Deutschen gelebt hatte," entspricht. Im Film wird auf diesen Hintergrund nie eingegangen und der einzige Italiener, der Restaurantbesitzer Verzielli, wird von Leo Peukert in der typischen (grammatikalisch falschen)Weise porträtiert, die auch das heutige Publikum noch zu Gelächter veranlasst. Freilich mag es ein Zufall sein, dass der Vorname des Barons von Truschkowitz Adolf lautet und er in der Schlussszene auf einem imposanten Flugzeug prangt. Die Allianz der beiden Diktatoren könnte jedoch für diese moderaten Änderungen Pate gestanden haben. Achselzuckend und anscheinend unbeteiligt nimmt Deruga am Mordprozess gegen ihn teil, was die Figur, welche Willy Birgel porträtiert, einmal mehr als überaus selbstsicheren Charakter präsentiert. Der Zuschauer fragt sich mehr als einmal, ob er die Gefahr nicht unterschätzt, die seiner Freiheit und seinem Leben drohen oder ob er über Insider-Informationen verfügt, die zur rechten Stunde noch für einen Paukenschlag sorgen werden.

Die österreichische Schauspielerin Geraldine Katt stemmt erst siebzehnjährig die weibliche Hauptrolle und zeichnet ihre Baroness Mingo als zielstrebige, manchmal sogar starrsinnige Kindfrau, deren romantische Schwärmerei für Dr. Deruga dazu führt, alle Beweise für seine Schuld zu hinterfragen und gegen die Interessen ihrer Familie zu handeln. Es rührt, ihre Unverdorbenheit und Hingabe zu sehen, die ein Mann wie Deruga lange nicht mehr in einem Menschen begegnet sind. Verhaltener zeigt sich Käthe Haack in der Schlüsselrolle der Marta Schwertfeger. "Sie war einfach und nicht nach der Mode gekleidet, eine unauffällige Erscheinung, die nur, wenn man sie eingehend betrachtete, Besonderheit und Reiz verriet. (...) Sie wappnete sich unter Fremden gern mit Vorsicht und Verschwiegenheit, was ihr, verbunden mit der Scheu vor der Öffentlichkeit, den Ausdruck eines kleinen Tieres im Käfig gab." Ihre Fantasie sprudelt nicht so ergiebig wie jene der Gerichtsbarkeit, die mit Vertretern der alten Schule aufwartet. So sehen wir als Verteidiger von Deruga den bewährten Hans Leibelt, während der spitzfindige Erich Fiedler auf der gegnerischen Seite zu finden ist. Beppo Brem sieht man in seiner Paraderolle als typischer Bayer, wie auch die anderen Vertreter der "einfachen Leute" die Klischeevorstellungen der Oberklasse bedienen. Der heitere Unterton, der die Zeugenvernehmungen begleitet, nimmt dem Prozess ein wenig seinen Ernst, besonders wenn man den Gleichmut des Angeklagten mit einbezieht. Die Sammlung von Indizien durch Mingo von Truschkowitz bestätigt das, was der aufmerksame Zuseher bereits weiß, macht den Film aber nicht weniger spannend. Dem Altersunterschied zwischen den beiden Hauptdarstellern geschuldet, aber sich auch an der Romanvorlage orientierend, gibt es am Ende kein neues Liebespaar, wie bei Ricarda Huch nachzulesen ist: "Für Mingo war es gut so, das fühlte sie mit jedem Augenblick deutlicher. Eine kurze Zeit leidenschaftlicher Wonne hätte sie vermutlich, wenn sie Deruga geheiratet hätte, mit einem Leben voll Enttäuschungen und mannigfacher Bitterkeit erkauft; denn was für Schätze sein Herz auch bergen mochte, ihr gegenüber wäre er bald der alternde, launenhafte, überdrüssige, erloschene Mann geworden."

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