DER DRITTE HANDSCHUH - Eberhard Itzenplitz

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Percy Lister
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DER DRITTE HANDSCHUH - Eberhard Itzenplitz

Beitrag von Percy Lister »

"Der dritte Handschuh" (Deutschland 1967)
mit: Willi Rose, Gerhard Lippert, Sabine Eggerth, Alois Garg, Ernst Ronnecker, Heinz Peter Scholz, Mady Rahl, Walo Lüönd, Ilse Künkele, Edda Seippel, Lotti Krekel, Charles Wirths, Günter Mack, Walter Hoor, Wolfgang Peau, Bruno Vahl-Berg, Peter Martin Urtel, Ellen Frank, Stanislav Ledinek u.a. | Drehbuch: Bernhard und Charlotte Horstmann (= Stefan Murr) nach ihrem Roman "110 - Hier Mordkommission" | Regie: Eberhard Itzenplitz

Wendelin Dreyer, langjähriger Angestellter der Kassandra-Werke, betritt das Bankhaus Fries & Co. mit der Anweisung, Lohngelder in Höhe von einer Viertelmillion DM abzuholen. Kurz zuvor bekam er unangenehmen Besuch zuhause, weswegen er am Bankschalter nervös und wortkarg auftritt. Als er Stunden später noch nicht bei seiner Firma eingetroffen ist, verständigt sein Vorgesetzter die Kriminalpolizei. Wenig später findet ein Streifenwagen Dreyers Auto in der Nähe des Hafens. Was hat es mit dem letzten Besucher auf sich, der von mehreren Zeugen als unerwünschter Gast beschrieben wird? Was weiß Dreyers Tochter Ingrid und warum findet die Spurensicherung einen einzelnen Handschuh auf dem Rücksitz von Dreyers Wagen?

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Was die Rialto-Wallace-Filme fürs Kino waren, markierten die Durbridge-Mehrteiler fürs Fernsehen: das Gütesiegel für spannende Unterhaltung mit den bekannten Stars der damaligen Zeit. Im Jahr 1967 musste das Publikum vor dem heimischen Bildschirm allerdings auf den liebgewonnenen Nervenkitzel, der sich über mehrere Fernsehabende zog, verzichten. Um seine Zuschauer bei Laune zu halten, engagierte der WDR fast das komplette Durbridge-Team, um einen spannenden Zweiteiler aus der Feder des Autorenpaares "Stefan Murr" umzusetzen. Durch das hanseatische Setting, das den richtigen Rahmen für die Geschichte um das Verschwinden eines Geldboten schaffte, verstärkte sich der Realismus der Handlung. Die Bedeutung der Indizien, die in den Stücken des Altmeisters in geradezu ikonischer Weise betont wurde, wird in "Der dritte Handschuh" mit understatement behandelt, weswegen es insgesamt zu weniger geheimnisumwitterten Zügen kommt. Wie in den Straßenfegern der Vorjahre, vermittelt der Zweiteiler eine klassische Alltagssituation, die bald schon in unerklärliche, kriminell motivierte Ereignisse münden wird. Mit einer gemütlichen Frühstücksszene beginnt die Handlung so natürlich wie möglich. Die Tochter des Hauses hat es eilig und lässt weichgekochtes Ei und Geschirr stehen, während ihr Vater noch einen schnellen Blick in die Morgenzeitung wirft. Was er da liest, lässt ihn erstarren und seinen Aufbruch zur Arbeit verzögern. Ein unerwarteter Besucher am Straßenrand, der sich am Briefträger vorbei auf das Grundstück schleicht; ein ballspielender Junge, der eine verdächtige Beobachtung macht und zwei Kriminalbeamte, die sich über die Schlagzeile des Tages ("Hotelbrand nach sechs Jahren geklärt") unterhalten, versprechen ein spannendes Rätselvergnügen, wie es der Zuschauer von Produktionen dieser Art erwartet. Die Idylle wird aufgrund einer subtilen Gefahr aufgebrochen und bald schon erblickt das Publikum durchs Garagenfenster, wie eine Leiche in den Kofferraum des Wagens gehoben wird. Der perfekte Auftakt für einhundertdreißig Minuten Krimiunterhaltung.

Willi Rose als Kriminalhauptkommissar Gottfried Cäsar Ketterle pflegt einen bewährten, auf jahrzehntelanger Berufserfahrung fußenden Ermittlungsstil, der dem damaligen gesellschaftlichen Modus der Altershierarchie entsprechend, im Umgang mit seinem tatkräftigen jungen Kollegen Werner Hornschuh einen väterlichen Ton anschlägt. Gerhart Lippert, der einen sympathischen und souveränen Eindruck hinterlässt, bringt Frische in das Schauspieler-Ensemble, das mit dem knarzigen Alois Garg als Wendelin Dreyer, dem pockennarbigen Ernst Ronnecker als schmierigem Erpresser Stockart und dem beflissenen Heinz Peter Scholz als Bankangestellter Dominke gleich mehrere sinistere Gestalten aufbietet, deren Gesichter wenig vertrauenserweckend sind. Sabine Eggerth legt die Rolle der besorgten Tochter des flüchtigen Dreyer unkompliziert an; ihre Gefühle hält sie weitgehend unter Verschluss und beweist damit, dass sie eine rationale Sicht der Dinge pflegt und sich nicht nur durch den modernen Kurzhaarschnitt vom Typ schutzbedürftige Hinterbliebene unterscheidet. Ebenso patent gestaltet Mady Rahl jenen Frauentyp, den sie so oft verkörperte: die abgebrühte Frau mit Vergangenheit, die sich nach Rückschlägen mit unbändigem Willen wieder aufrappelt und deren raue Schale eine lakonische Hülle für ihre Gutmütigkeit bildet. Das Darsteller-Team sorgt für atmosphärisch glaubwürdige Momente, wobei die Zeichnung der Figuren bis in die Nebenrollen gelungen ist. Der Handlungsfaden verdichtet sich im zweiten Teil mit zunehmendem Maße, indem es endlich unmittelbare Gefahr für einige Personen gibt, denn in puncto Leichen geht es in "Der dritte Handschuh" sehr moderat zu. Die Verdachtsmomente weisen in eine bestimmte Richtung und werden vom Hauptkommissar mit Bedacht und Scharfsinn aufgelöst, was für den bereits erwähnten Realismus der Geschichte spricht. So bildet der Zweiteiler eine Fernsehunterhaltung, die sich zwar aller konventionellen Kniffe bedient, die das Publikum von ähnlichen Formaten gewohnt ist, die jedoch wegen ihrer unverbrauchten Schauspieler angenehm zu überzeugen weiß.

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