NACHTSCHATTEN - Niklaus Schilling

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
Antworten
Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3768
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

NACHTSCHATTEN - Niklaus Schilling

Beitrag von Prisma »



NACHTSCHATTEN


● NACHTSCHATTEN (D|1972)
mit Elke Hart, John van Dreelen, Max Krügel, Ella Timmermann
eine Visual Filmproduktion | im Freunde d. Dtsch. Kinemathek Verleih
ein Film von Niklaus Schilling

Nachtschatten (9).jpg
Nachtschatten (2).jpg
Nachtschatten (3).jpg
Nachtschatten (4).jpg
Nachtschatten (5).jpg
Nachtschatten (6).jpg
Nachtschatten (7).jpg
Nachtschatten (8).jpg
Nachtschatten (1).jpg

»Was ist mit dem Moor? Sag es mir!«


Der Hamburger Musikverleger Jan Eckmann (John van Dreelen) interessiert sich für ein zum Verkauf stehendes Haus in der Lüneburger Heide, wo er die Bekanntschaft mit der überaus mysteriös wirkenden Besitzerin namens Elena Berg (Elke Hart) macht. Bei den ergebnislosen Verhandlungen über das Objekt ist es Mitternacht geworden und Jan nimmt das Angebot an, bei der in Schwarz gekleideten Frau zu übernachten. Im Traum sieht er Elena in bizarren Sequenzen an seinem eigenen Grab stehen. Die Faszination um Elena wird durch diese eigenartigen nächtlichen Vorkommnisse nur noch mehr verstärkt, bis sich beide schließlich etwas näher kommen. Elena wird von allen Dorfbewohnern gemieden, wenn nicht sogar gefürchtet, da es heißt, dass sie ihren eigenen Ehemann vor geraumer Zeit umgebracht haben soll, der seinerzeit spurlos im Moor verschwand. Nach reiflicher Überlegung entschließt sich der Musikverleger, die geheimnisvolle Elena zur Rede zu stellen...

Niklaus Schillings "Nachtschatten" feierte seine Premiere 1972 bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin, doch vermutlich ist mit feiern bei diesem wenig zuschauerfreundlichen Beitrag etwas zu viel versprochen. Doch zunächst zur gängigen Klassifizierung. Dieser Film des Schweizer Regisseurs wird hauptsächlich dem Grusel- oder Horrorgenre hinzu gerechnet und gerade für deutsche Verhältnisse sollte löblich erwähnt werden, dass derartig selten in Angriff genommene Projekte überhaupt eine Umsetzung fanden. Schilling ist bekannt für seine Affinität im Bereich des Experimentierens und auch hier werden einige sehr anschauliche Kostproben geboten, die jedoch leider nur einen Bruchteil der Spielzeit in Anspruch nehmen können. Im Endeffekt weckt dieser in romantischer Morbidität strahlende Beitrag viele falsche Erwartungen, der in Verbindung mit einem seelenruhigen oder schleppenden Verlauf keinen bedeutsamen Gesamteindruck zurücklassen wird, wenngleich die aufkommende Irritation doch dazu führen kann. Der Versuch, hauptsächlich die Bilder nur durch Insider-Verstärker sprechen zu lassen, erweist sich als schwerwiegender Fehler und überhaupt werden alle atmosphärisch gelungenen Komponenten von den vielen inszenatorischen Schwächen dieses Beitrages überlagert. Auch nach mehrmaligem Anschauen erschließen sich Intention, Ursache und Wirkung nur zähflüssig und das nicht, weil die geschilderten Inhalte dieser Geschichte zu kompliziert oder zu verschachtelt wären. Hier gibt eine ganz einfache Erklärung, die mit der überaus deutlichen Sprache dieser Produktion zusammenhängt: es erschließen sich so gut wie keine Berührungspunkte im handwerklichen Bereich, auch der Plot bleibt nur potentiell interessant weil das mystische, beziehungsweise bedrohliche Element keine intensive Abhandlung erfahren hat und sich nur in vagen Andeutungen verliert. Bei "Nachtschatten" bekommt man vor allem im schauspielerischen Bereich eine eiskalte Dusche serviert. Die statischen Darbietungen provozieren eine seltene Art der Fassungslosigkeit, die entweder bestätigt oder in das komplette Gegenteil umschlagen und unerklärlich anziehend wirken wird. Auch die hölzernen Dialoge, die sich penetrant in konturlose Andeutungen und Belanglosigkeiten eines Kammerspiels hüllen, wirken nach kurzer Zeit vordergründig beirrend, wenngleich sie zum Hinhören animieren.

Elke Haltaufderheide spielt hier unter ihrem Künstlernamen Elke Hart und zunächst bleibt einmal festzustellen, dass alleine ihre außerordentliche Erscheinung der Geschichte sehr zuträglich ist. Die blonde Verführung in Trauerkleidern wirkt spätestens wenn sie ihr Ensemble gegen Sommerkleider ausgetauscht hat beinahe wie eine schwarze Witwe, die sich mit Vorliebe in einen mysteriösen Schimmer hüllt und in Orakeln spricht, was den Zuschauer dazu auffordern soll, sie noch unergründlicher zu finden. Leider ist der Darstellungsstil wie erwähnt eigentümlich, doch wenn man die Arbeiten von Elke Hart kennt, darf man zweifellos davon sprechen, dass ihre Aura irgendwann packt und aufgeht. Was anfangs anziehend und verlockend wirkt, wird im weiteren Verlauf zurückweisend und bedrohlich, wenngleich dies alles nur mit viel Fantasie herauszufiltern ist. Einen besonders schwerwiegenden Fall einer unwirschen Besetzung stellt der Niederländer John van Dreelen dar, denn sein unmotiviertes Schauspiel wirkt hier nahezu einschüchternd. Das Verhältnis zwischen Elena und Jan entwickelt bei der merkwürdigen Entstehungsgeschichte leider keine bei der Stange haltende Brisanz, aber vor allem keine nachhaltige Spannung. Alles bleibt wie ein Phantom, das sich zu allem Überfluss nicht zeigen möchte. Interessant wird es, wenn es zum Einsatz von Edvard Griegs Musik kommt, welche die Bilder zu dem formen, wozu sie gemacht sind. Licht und Schatten, Umrisse, Silhouetten und die trügerisch einladende Landschaft lassen die gewünschte mystische Komponente aufkommen, sorgen daher für eine unbeschreibliche Form der Mystik. Der Film transportiert von Anfang bis Ende den Eindruck eines klassischen Kammerspiels, bei dem lediglich zwei Personen die Initiative ergreifen und sich hin und wieder den Luxus erlauben werden, passiv zu bleiben. Schillings subtile Botschaften wirken bei intensiver Betrachtung recht ambitioniert und wirksam, vor allem, weil er sich einer Einfachheit bedient, die genüsslich dazu verleitet, den gesamten Verlauf zu unterschätzen.Auch die stets wünschenswerte Übertragung von Kompetenzen in Richtung Publikum sollte löblich erwähnt werden. Doch was muss im Endeffekt geschehen, wenn Botschaft, Metaphorik, Sinnhaftigkeit und die zugegebenermaßen intelligente Abhandlung des Stoffes im Würgegriff einer vollkommen kargen Abhandlung untergehen? "Nachtschatten" kann letztlich trotz aller Kritik als überaus mutiger Beitrag bezeichnet werden, der mit einer Ruhe irritiert, die zum Himmel schreit. Nicht uninteressant.

Antworten