DER WÜRGER VOM TOWER - Hans Mehringer

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
Antworten
Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3833
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

DER WÜRGER VOM TOWER - Hans Mehringer

Beitrag von Prisma »




Bild

● DER WÜRGER VOM TOWER (D|1966)
mit Ellen Schwiers, Charles Regnier, Hans Reiser, Kai Fischer, Ady Berber, Gerhard Geisler, Birgit Bergen und Christa Linder
eine Erwin-Dietrich-Produktion der Urania Film | im Pallas Filmverleih
ein Film von Hans Mehringer

WvT (1).png
WvT (2).png
WvT (3).png
WvT (4).png
WvT (5).png
WvT (6).png
WvT (7).png
WvT (8).png
WvT (9).png

»Das ist einfach ein unglaublicher Skandal!«


Die reiche Witwe Mrs. Wilkins (Gisela Lorenz) wird auf dem Nachhauseweg brutal ermordet. Zugeschlagen hat ein berüchtigter Auftragskiller (Ady Berber), den man "Würger vom Tower" nennt. Der Toten entwendete er einen wertvollen Smaragd, der einst in mehrere Fragmente aufgeteilt wurde. Da es noch weitere Personen gibt, die diesen Smaragd besitzen sollen, nimmt Inspektor Harvey (Hans Reiser) an, dass die anderen Eigentümer ebenfalls in Lebensgefahr schweben. Er behält Recht, denn der nächste Mord lässt nicht lange auf sich warten. Als Jane Wilkins (Christa Linder), die Tochter des ersten Opfers behauptet, ihre Mutter habe nur eine Kopie getragen, wird auch die junge Frau verschleppt. In unheimlichen Katakomben unter dem Tower wird sie von einer Gruppe maskierter Verbrecher gequält, um etwas über den Verbleib des Originals heraus zu bekommen...

Diese Produktion, die seinerzeit ganz im Fahrwasser bekannter und erfolgreicher Kriminalreihen entstanden ist, wurde von Regisseur Hans Mehringer inszeniert, der in seiner Karriere lediglich drei Arbeiten als Regisseur vorzuweisen hat. Es ist nicht zu leugnen, dass sich diese Unerfahrenheit oder mangelnde Routine in vielerlei Hinsicht in diesem oft holprigen Verlauf und im fertigen Produkt zeigt, sodass die Vorfreude auf diesen Film, der alleine aufgrund seines wohlklingenden Titels sehr einladend wirkt, leider schnell ausgebremst wird. Zu sehen ist schließlich ein Kriminalfilm, dessen launisches, teils abenteuerlich wirkendes Script kaum für Überraschungen sorgen kann. In diesem Zusammenhang muss die Vorhersehbarkeit genannt werden, die leider vordergründig dadurch entsteht, dass die Regie die mühsam angebahnte Spannung nicht aufrecht erhalten kann. Die Aneinanderreihungen mancher Szenen bleiben oft diffus, wenngleich sich in ausgewählten Intervallen tatsächlich sehr starke und atmosphärische Bilder, originelle Kamera-Einstellungen und gruselige Schauplätze zeigen. Bei vielen Zusammenhängen stellt sich im Endeffekt heraus, dass sie keine Selbstläufer darstellen, folglich wichtige Informationen zum Verständnis der kompletten Angelegenheit fehlen, und es ist offensichtlich, dass sich die Produktion pauschal auf ihre vorhandenen Stärken verlässt, die auf die Spieldauer bezogen jedoch nicht ausgleichend genug wirken. Blickt man auf die Besetzungsliste, so fällt gleich auf, dass dieser Beitrag ohne die üblichen Verdächtigen für die Hauptrollen auszukommen hat, was sich im Grunde genommen nicht nachteilig auf die laufende Geschichte auswirken muss.

Allerdings stellt sich leider unmittelbar heraus, dass die Charaktere größtenteils einheitlich wirken und sich dementsprechend auch nicht merklich voneinander abheben können. Auch dass es dem Empfinden nach nur Nebenrollen gibt, macht es wesentlich schwerer, sich im Dickicht des hier angebotenen Personen-Karussells zurechtzufinden. Dieser Eindruck entsteht noch nicht einmal wegen zu komplexer Züge, sondern alleine wegen der Tatsache, dass die Personen zu wenig Möglichkeiten erhalten, sich erinnerungswürdig in den Fokus zu spielen. Das Potential eines Charles Regnier wird unglücklicherweise nicht genutzt, er erweist sich sogar als eine Art Spannungskiller. Ellen Schwiers, die es erfahrungsgemäß überall spielend schaffte, ihren Figuren genügend Verve einzuhauchen, bleibt unerklärlich blass und zurückhaltend. Kai Fischers kann nicht die übliche Intensität aufbauen, die sie ihren Figuren einzuhauchen pflegte, sodass man leider sagen muss, dass dieses Trio sich in anderen Kriminalfilmen besser profilieren konnte. Hans Reiser als Ermittler hinterlässt kaum einen bleibenden Eindruck, was durch eine typfremde Synchronstimme nur verstärkt wird. Ady Berber, der hier leider schon in seiner letzten Rolle zu sehen ist, sorgt für ein paar unheimliche Momente, die anderswo jedoch mehr greifen konnten und die sympathische Christa Linder erfreut wenigstens das Auge. Rollt man den Film noch einmal von vorne auf, so beginnt der nebulöse Fall sehr atmosphärisch mit dem Mord im Treppenhaus und dem plötzlichen Auftauchen des unheimlichen Würgers.

Auch dass viel London-Sightseeing aus dem Archiv und glücklicherweise auch Außenaufnahmen zu sehen sind, transportiert ein anfängliches Flair, vor allem in den unterirdischen Katakomben, die eine bizarre Ästhetik vermitteln können. Auch einige Ermordungsszenen sind in ihrer Darstellung ganz gut gelungen, insbesondere jene, die in den Gläsern einer Brille zu sehen sind, doch insgesamt wirkt der Verlauf zu arg gestreckt, was durch die größtenteils unpassende Musik noch hemmungslos unterstützt wird. Thematisch gesehen, wirkt die Mordserie wegen der wertvollen Smaragde gar nicht einmal so uninteressant, aber die Zusammenhänge wurden nicht clever herausgearbeitet und aufgeschlüsselt. In diesem Zusammenhang hätten auch die beteiligten Personen eine verständlichere Durchleuchtung erfahren müssen. Beinahe albern und hemmungslos kopiert wirkt die maskierte Bande, die sich in den Katakomben verbirgt, und es bleibt letztlich ein Rätsel, wieso sie überhaupt eine Daseinsberechtigung vom Drehbuch erhalten hat. Handelsüblicher Humor ist rar gesät und innerhalb kleiner Kostproben nicht wirklich mitreißend, vor allem untergraben die unzureichenden Dialoge die komplette Geschichte in ungünstiger Art und Weise. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis bei diesem drittgarniturigen Ritt durch die Ungewissheit ist, dass hochkarätige Schauspieler und klassische Stilmittel noch lange keinen guten oder überzeugenden Film machen. Bei "Der Würger vom Tower" handelt es sich leider um ein in jeder Hinsicht und vor allem vergleichsweise kaum geglücktes Experiment, das die Gesetzte des Kriminalfilms in wichtigen Basisbereichen nicht konsequent achtet und es weitreichend an eigenen Impulsen fehlt.

Benutzeravatar
Richie Pistilli
Beiträge: 3623
Registriert: Sa., 31.10.2020 17:25
Wohnort: Provinzmetropole an Rhein und Mosel
Kontaktdaten:

Re: DER WÜRGER VOM TOWER - Hans Mehringer

Beitrag von Richie Pistilli »

Prisma hat geschrieben:
Di., 12.01.2021 19:30
(...) doch insgesamt wirkt der Verlauf zu arg gestreckt, was durch die größtenteils unpassende Musik noch hemmungslos unterstützt wird.

Beitrag über den Soundtrack des Schweizer Jazzmusikers Bruno Spoerri:


Soundtrack von BRD-Filmnoir-Klassiker: Sleazy Swing für den Würger
https://taz.de/Soundtrack-von-BRD-Filmn ... /!5908119/



Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3833
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: DER WÜRGER VOM TOWER - Hans Mehringer

Beitrag von Prisma »



"Der Würger vom Tower" hatte ich seinerzeit erst ziemlich spät kennen gelernt, und die bereits x-fach zuvor gesehenen Epigonen haben sicherlich einen Vorteil, alleine schon wegen der Häufigkeit der Sichtungen. Ein gut umgesetzter Film würde diesen Rückstand allerdings locker wettmachen können, doch bei Hans Mehringers Kriminalfilm ist dies leider nicht der Fall, weil dem Streifen schlicht und einfach die Möglichkeiten und Überzeugungskraft fehlen. Das Script ist sehr schwach, die Geschichte daher nur leidlich spannend, die Vorhersehbarkeit macht der Konstruktion wirklich schwer zu schaffen und im Endeffekt fühlt sich alles sehr zweitklassig an, auch die Musik. Das Konstrukt verfügt im erweiterten Sinn über einige stimmige Momente, aber diese atmosphärischen Intervalle können die vielen Ungereimtheiten nicht kaschieren. Interessant ist die Tatsache, dass die gebuchten Darsteller im Genre so gut wie nie die Hauptrollen in den entsprechenden Produktionen inne hatten, doch das Fehlen einer klassischen Combo mit Zugpferd-Charakter ist hier auch nicht das Problem, sondern Darbietungen, die hölzern oder schwach abgestimmt wirken. Hinzu kommen übertrieben wirkende und insgesamt wenig mitreißende Tendenzen. Die Geschichte wirkt wie ein Konglomerat aus diversen Artverwandten mit ein paar wenigen neuen Impulsen, was in der Gesamtheit nicht überzeugend wirkt. Wird für mich wohl immer einer der Filme bleiben, die ihr Schattendasein weiter fristen müssen, da sie einfach nicht mehr herzugeben wissen.

Antworten