DAS BEKENNTNIS DER INA KAHR - Georg Wilhelm Pabst

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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DAS BEKENNTNIS DER INA KAHR - Georg Wilhelm Pabst

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DAS BEKENNTNIS DER INA KAHR


● DAS BEKENNTNIS DER INA KAHR (D|1954)
mit Curd Jürgens, Elisabeth Müller, Albert Lieven, Vera Molnar, Margot Trooger, Ingmar Zeisberg,
Jester Naefe, Hilde Körber, Hanna Rucker, Renate Mannhardt, Ulrich Beiger und Friedrich Domin
ein Ω Film | im Neue Film Verleih
ein Film von Georg Wilhelm Pabst

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»Ich will leben!«


Ina Kahr (Elisabeth Müller) steht in einem medienwirksamen Prozess unter Mordanklage. Der Vorwurf lautet, sie habe ihren Ehemann Paul (Curd Jürgens) vergiftet. Erwartungsgemäß fordert die Staatsanwaltschaft trotz leidenschaftlicher Plädoyers der Verteidigung und ihres Vaters (Friedrich Domin) die Todesstrafe, da die Mordverdächtige im gesamten Prozess ihr Schweigen trotz zahlreicher Angebote nicht brechen wollte. Im Gefängnis nimmt der Prozess schließlich doch eine Wendung, da Ina Kahr angesichts der drohenden Strafe, und eingeschüchtert durch die schrecklichen Zustände hinter Gittern, endlich eine Aussage machen möchte. Was also geschah wirklich mit Paul Kahr..?

Im Gerichtssaal ist bereits der letzte Verhandlungstag angebrochen, doch die Angeklagte irritiert alle Beteiligten mit eisernem Schweigen. Fatal an dieser Tatsache ist, dass sie es ganz offensichtlich nicht zu ihrem Vorteil tut, sondern die drohende Todesstrafe wegen Mordes in Kauf nimmt. Soll das Gericht also das vollstrecken, wozu die Angeklagte keinen Mut hat? Szenen der Verzweiflung und Sensationsgier diktieren die ersten Szenen von Georg Wilhelm Pabsts Melodram, das mit einer großen Starbesetzung ausgestattet wurde. Die zerbrechlich und ebenso kultiviert wirkende Elisabeth Müller als Ina Kahr wird dem Zuschauer schließlich ohne jede Vorwarnung als, allem Anschein nach, schon bald überführte Mörderin vorgeführt. Ihr Schweigen bewegt das Gericht und selbst die sonst unerbittliche Staatsanwaltschaft zu milden Tönen und diplomatischen Angeboten, selbst der Vater der Titelfigur stößt an seine Grenzen und wirbt für Gnade. Zunächst ist die größte Überraschung, dass es keine Überraschung geben wird, denn der Staatsanwalt beantragt die Todesstrafe. Trostlose Szenen aus dem Frauengefängnis schließen sich an, wimmernde und flehende Stimmen die lauthals nach dem Leben rufen, lassen ein Gefühl des Unbehagens entstehen, doch bald schließen sich Atempausen in Form von Rückblenden der strahlenden Vergangenheit an, die neben dieser Funktion zum Verständnis und zur Aufklärung beitragen werden. Die Regie orientiert sich bei dieser Geschichte eher an melodramatischen, als an klassisch kriminalistischen Inhalten, doch es wird eine gute Dosierung eingehalten, sodass der Verlauf keine allzu einseitigen Züge annimmt. Der Legende nach ist es immer die Vergangenheit, die doch am schönsten ist, auch hier wird diese These bereitwillig bedient bis es zu frühen Brüchen innerhalb der mutmaßlichen Idylle kommt, da man regelrechte Provokationen vernimmt, die das Schicksal in eindeutiger Manier herausfordern.

Warnungen vorm bösen Mann fangen plötzlich an zu kursieren und einige Wendungen nehmen ihren vorhersehbaren Lauf, schließlich hat man den anfänglich gezeigten Vorhof zum Schafott noch genau vor Augen. Die darstellerischen Leistungen können sich in "Das Bekenntnis der Ina Kahr" durchaus sehen lassen. Curd Jürgens zeigt sich gewohnt aufbäumend und vereinnahmend, damit er seiner zweifelhaft angelegten Figur mit aller Routine gerecht werden kann. Seine Partnerin Elisabeth Müller stellt sich als Glücksgriff für die Produktion heraus, denn angenehmerweise kokettiert sie hier weniger exzessiv mit eintöniger Körpersprache, als mit diskretem Temperament. Dem Produktionsjahr entsprechend, bleiben groß angelegte, brisante Szenen aus, zum Mittelteil hin driftet die Angelegenheit sogar tendenziell, wenn auch nur kurz, zur Herz-Schmerz-Variante ab, um dann aber wieder geregelte Bahnen im Sinne des Themas aufzunehmen. Diese zugegebenermaßen nötigen, da erklärenden Maßnahmen steckt man als Zuschauer leicht weg und fühlt sich angesichts der Thematik auch nicht getäuscht. Zwischen Müller und Jürgens entsteht in diesem Zusammenhang eine gute Dynamik, wobei Peter Kahr sie eigentlich mit allen Damen des Szenarios entwickelt, aber auch die Nebenschauplätze werden von den vielen bekannten Stars sehr gut behauptet. Zu nennen sind vor allem Albert Lieven und Friedrich Domin, die quasi als Fahnenträger der Hoffnung fungieren. Nette Kurzauftritte sieht man des Weiteren von Vera Molnar, Ingmar Zeisberg oder Margot Trooger, aber es lässt sich generell sagen, dass jede Rolle perfekt sitzt. Elisabeth Müllers Erklärungen stellen also eine einzige Rückblende dar, die sie zum Teil mit ihrer Stimme aus dem Off begleitet, oder man sie in Großaufnahme hinter Gittern sieht. Inszenatorisch bleibt der Film in handelsüblichen Gefilden und die große Sensation bleibt weitgehend aus, auch wenn die Regie sehr bedacht auf einen gut konstruierten, wenn nicht sogar maßregelnden Verlauf und ein dramatisiertes Finale hinarbeitete.

Percy Lister
Beiträge: 348
Registriert: Sa., 14.11.2020 16:15

Re: DAS BEKENNTNIS DER INA KAHR - Georg Wilhelm Pabst

Beitrag von Percy Lister »

"Das Bekenntnis der Ina Kahr" (Deutschland 1954)
mit: Elisabeth Müller, Curd Jürgens, Albert Lieven, Friedrich Domin, Margot Trooger, Ingmar Zeisberg, Ulrich Beiger, Vera Molnar, Renate Mannhardt, Hanna Rucker, Jester Naefe, Hilde Körber, Wilmut Borell, Sophie Strehlow, Johannes Buzalski, Ernst Stahl-Nachbaur, Hilde Sessak, Peter Arens u.a. | Drehbuch: Erna Fentsch nach dem gleichnamigen Roman von Hans-Emil Dits | Regie: Georg Wilhelm Pabst

Ina Kahr steht unter der Anklage, ihren Ehemann Paul vergiftet zu haben. Das hohe Gericht fordert die Todesstrafe, da die mutmaßliche Mörderin beharrlich schweigt. Selbst ihr Verteidiger Dr. Pleyer kann nicht verhindern, dass das Todesurteil gegen Ina Kahr ausgesprochen wird. Unter dem Eindruck der Hinrichtung ihrer Zellennachbarin entschließt sich die Frau endlich, ihrem Anwalt zu erzählen, was in jener Nacht geschah, als Paul Kahr starb....

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Das Spätwerk des bekannten Regisseurs Georg Wilhelm Pabst ("Die Büchse der Pandora") jongliert zwischen den Genres und wechselt vom Gerichtsdrama zum Melodram, das mit kriminalistischen Elementen versetzt ist. Vor allem appelliert der Film an das Gefühl und trägt damit der zeitgenössischen Erwartungshaltung Rechnung. Umso bemerkenswerter sind die ersten fünfundzwanzig Minuten, die einen schonungslosen Blick auf die hässliche Seite eines Gerichtsprozesses werfen. Statt brillanter Plädoyers oder argumentativer Beweisführung sehen wir Verzweiflung über das Schweigen der Angeklagten, Aufrufe zur Besinnung in letzter Minute und über allem die nahe Vollstreckung der Todesstrafe, die damals noch als Sühne für einen Mord Anwendung fand. Elisabeth Müller als Ina Kahr ebnet in ihren stummen Szenen den Weg für eine ernsthafte Aufarbeitung ihres Falls, der in Rückblenden aus ihrer Perspektive geschildert wird. Sie entscheidet sich für die Wahrheit und nimmt ihr Leben noch einmal in die Hand, womit sie sich von der bereits hoffnungslosen Frau in der Nebenzelle abgrenzt, die von Todesangst über die bevorstehende Hinrichtung gequält wird. Die karge Trostlosigkeit dieser Szenen untermauert eindrucksvoll den Alltag im Todestrakt eines Zuchthauses, das die letzte Konsequenz der gesprochenen Rechtsordnung durchzuführen hat und dabei nicht gänzlich frei von Emotionen bleibt. Sobald Ina Kahr das geistige Gefängnis durch die Schilderung ihrer Beziehung zu Paul verlässt, taucht das Geschehen in hellere Farben und zeigt eine junge Frau voller Tatendrang und Hoffnung. Die gemeinsame pharmazeutische Arbeit mit ihrem Vater verleiht ihr Selbstbewusstsein, zu dem sich nach der Begegnung mit dem blonden Hünen eine romantische Note gesellt, die sie blind für die Warnungen ihres Umfelds macht. Die kunstvolle Bildsprache untermauert die Folgen dieses Aufeinandertreffens recht deutlich: Pauls Gesicht liegt beim ersten Kuss des Paares im Schatten; nach der Vermählung gehen Ina und Paul nicht in den Sonnenuntergang, sondern in den nebligen, dunklen Wald, wobei die Kamera besonders lange auf diesem Bild der düsteren Vorahnung verharrt. Die Vorboten des Unglücks zeigen sich auch im Besuch, den Ina der ersten Frau von Paul macht. Ihr Wohnbereich ist durch ein Gitter von der Außenwelt abgetrennt, ein kunstvoll geschmiedetes zwar, aber eine deutliche Anspielung auf den Käfig ihrer Ehe.

Sie verharrt darin, obwohl ihr Mann längst anderweitig unterwegs ist. Die Implikation der Parallelen zwischen den Frauen schafft ein gemeinsames Band und zeigt, wie eine nach der anderen an Paul Kahr zerbricht. Sein sprunghaftes, egozentrisches Verhalten, das mit mangelndem Talent und unausgesprochenen Selbstzweifeln einhergeht, machen ein Zusammenleben mit ihm unmöglich. Eine Riege namhafter Schauspieler trägt den fast hundert Minuten langen Film, wobei neben der dezenten und beherrschten Darstellung von Elisabeth Müller, vor allem der labil-aufbrausende Curd Jürgens ins Auge fällt, der sich charmant und abweisend zugleich zeigt und dem Laster frönt, während er sich zugleich einen Engel wünscht, der ihn auffängt. Albert Lieven gibt den engagierten Anwalt, in dessen Blick Zuneigung aufblitzt, was man bei dem disziplinierten Mimen selten sieht; Friedrich Domin erweist sich als loyaler Vater, der für seine Tochter kämpft und streitet; Margot Trooger hält ihre Erregung über das Fehlverhalten ihres Mannes mühsam unter Kontrolle und überzeugt erneut als Dame der Gesellschaft. Die dunkelhaarige Ingmar Zeisberg ist das Pendant zu Curd Jürgens und nimmt sich, was sie braucht, während sie geschäftliche Vorteile und zukunftsweisende Verbindungen im Auge behält. Jester Naefe und Vera Molnar sind die gefährlichen Frauen in Jürgens' Umgebung, deren Anziehungskraft für den Augenblick ist, wobei sich ihr Raffinement nicht allein aus tollen Beinen und schmachtenden Lippen ergibt. Jede ernsthafte Beziehung unterliegt einem baldigen Ablaufdatum, weil die Unverbindlichkeit eines der Prinzipien von Paul Kahr ist und seinem Wunsch nach ständig neuen Stimulanzien entspricht. Das Personenkarussell dreht sich immer schneller und so wundert es nicht, dass es mit einem gewaltigen Krach zum Stehen kommt. Der Kreis schließt sich und lässt die alptraumhaften Erfahrungen der weiblichen Hauptfigur wie ein Sittenbild ihrer Zeit erscheinen. "L'homme fatal" Curd Jürgens entzündet eine Spirale des Unglücks und der Zerstörung, die ihm selbst eine Befreiung ist, jedoch einen Schatten über die Zukunft seiner Witwe wirft. Der Kampf um Ina Kahrs Leben wird von allen Beteiligten eindrucksvoll ausgefochten und zeigt beliebte deutsche Stars der Fünfziger und Sechziger Jahre in der Blüte ihrer Schaffenskraft.

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