EIN TOTER HING IM NETZ - Fritz Böttger

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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EIN TOTER HING IM NETZ - Fritz Böttger

Beitrag von Prisma »




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● EIN TOTER HING IM NETZ (D|1960)
mit Helga Franck, Alexander D'Arcy, Harald Maresch, Dorothee Parker, Rainer Brandt, Helga Neuner und Barbara Valentin
eine Wolfgang Hartwig Produktion der Rapid-Film | Intercontinental Film GmbH | im Verleih der NF
ein Film von Fritz Böttger

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»Ach, ist es hier nicht wie im Paradies?«


Acht amerikanische Revuetänzerinnen sind auf dem Weg zu ihrem neuen Engagement, für das sie gerade frisch gebucht wurden. Auf der Reise nach Singapur kommt es allerdings zur Katastrophe, denn die Maschine stürzt über dem offenen Meer ab. Wie durch ein Wunder überleben die acht Frauen und ihr Manager, doch sie treiben in einem Rettungsboot geradewegs ins Nirgendwo. Die Nerven liegen blank, und kurz vor dem Verdursten geschieht ein weiteres Wunder. Es ist Land in Sicht. Die Überlebenden können sich auf eine dem Anschein nach verlassene Insel retten, doch sie machen eine grauenhafte Entdeckung. Ein Professor, der diese Insel bewohnt, hängt tot in einem riesigen Spinnennetz. Von nun an ist niemand mehr sicher, denn das Entsetzen lauert überall...

Der Schauspieler und Drehbuchautor Fritz Böttger inszenierte in seiner kurzen Karriere als Regisseur lediglich drei Spielfilme, wobei dieser Streifen bereits seine letzte Arbeit darstellt. "Ein Toter hing im Netz" gehört sicherlich zu der Art Filme, die beim ersten Anschauen den Eindruck einer regelrechten Trash-Granate aus dem Bilderbuch vermitteln, doch es darf auch nicht unterschlagen werden, dass es sich um einen der ganz seltenen deutschen Versuche handelt, in das Horror-Genre einzusteigen. Ob dieser Ausflug auf die Insel der Alpträume unterm Strich gelungen ist, oder nicht, darf jeder Zuschauer selbst entscheiden. Von handwerklicher, inszenatorischer und darstellerischer Seite hat man es augenscheinlich mit einer Billig-Produktion zu tun, die seinerzeit von der Kritik verrissen wurde, immerhin ist hauptsächlich spekulativer Sex im Oktagon wahrzunehmen. Rückblickend können Fritz Böttgers Genre-Film gewisse Qualitäten nicht abgesprochen werden, und sei es, man reduziert diese ganze Veranstaltung lediglich auf den immensen Unterhaltungswert. Dieser Beitrag ist insgesamt nicht gerade darum bemüht, seinen trashigen Charakter zu verschleiern und setzt auf zahlreiche Schauwerte und Horror-, beziehungsweise Schock-Elemente, die in ihren Etappen auch funktionieren. Für das Produktionsjahr 1960 bleibt schlussendlich anzumerken, dass man es durchaus mit einem unkonventionellen Beitrag zu tun hat, der nicht zuletzt wegen der Insel-Thematik sehr viel Exotik versprüht. Erspart man diesem Flick prüfende oder kritische Blicke und legt ihn nicht gerade unter ein Mikroskop, erschließen sich dennoch sparsame Kulissen und ein kopflastiges Script, außerdem wird einem die zweite Garnitur an Darsteller_innen auf einem Silbertablett serviert. Musikalisch kommt es zu zeitgenössischen Klängen und solchen aus dem Archiv, die in Teilen aus dem Edgar-Wallace-Debüt "Der Frosch mit der Maske" entliehen wurden.

Besetzungstechnisch markiert "Ein Toter hing im Netz" einige Licht- und zahlreiche Schattenseiten. Lediglich Helga Franck, die 1963 unter mysteriösen Umständen, durch einen Sturz aus dem fünften Stock einer Münchner Wohnung ums Leben kam, wirkt hier recht überzeugend, vor allem vergleichsweise. Dennoch hat man es insbesondere bei den Revuetänzerinnen mit einheitlichen Rollen zu tun, die sich kaum voneinander unterscheiden. Eher lassen sich etliche Gemeinsamkeiten feststellen, so beispielsweise der auffällige Entkleidungsdrang oder die naturgemäße Freizügigkeit, die irgendwie wie eine Haupt-Komponente dieser Story wirkt. In den meisten Phasen haben die Damen schließlich ängstlich durch die oft schäbigen Kulissen zu irren, in welchen ihre vornehmste Aufgabe es sein wird, sich zu produzieren, herum zu räkeln und sich in leichtere Monturen zu werfen. Ja, das Leben einer gestrandeten Tänzerin ist schon ziemlich eingeschränkt und schrecklich langweilig ohne eine ausreichende Verfügbarkeit an Männern, so wird es zumindest suggeriert. Für die zickigen Einlagen und diverse Sticheleien und Handgreiflichkeiten sorgt die üppige Barbara Valentin. Zu einem späteren Zeitpunkt taucht irgendwann auch noch Rainer Brandt auf und bereichert die Angelegenheit mit gewohnt flotten Sprüchen, die man aus seiner Arbeit als Synchron-Sprecher kennt, wenngleich diese Allüren nicht immer punktgenau sitzen. Barmherzig wie er nun mal ist, stellt er sich gleich allen Damen bereitwillig zur Verfügung, sucht aber insgeheim nach einem aufrichtigen Mädchen. Zumindest nach eigenen Angaben. In dieser Art wird es samt Catfight weitergehen, was die Zeit vertreibt, selbst wenn eigentlich gar nichts mehr passiert. Alexander D'Arcy und Harald Maresch runden das Geschehen auf ihre Art und Weise ab, allerdings bleibt zu sagen, dass dieser Geschichte ein paar größere Namen bestimmt gut getan hätten.

Alles in allem handelt es sich bei diesem Werk in all seiner Bescheidenheit um einen ungewöhnlich mutigen Beitrag, egal welchem Genre man ihn schließlich zuordnen möchte, auch bezüglich des frühen Produktionsjahres. Für einen Horror-Film reinster Seele reicht die Maskerade jedoch bei Weitem nicht aus, wovon der Erotik-Einschlag geschickt ablenken soll. Spannung und Nervenkitzel kommt leider nur in ausgewählten Sequenzen auf, obwohl einige Kamera-Einstellungen für gute Momente, nicht zuletzt wegen des wirkungsvollen Schwarzweiß-Schattenspiels. Die Spinne und das Monster lehren sicherlich keinen das Fürchten, aber wenigstens gibt es wie gesagt einige Passagen, in denen die gewünschte Atmosphäre aufkommen will. So beispielsweise, wenn die Krallen des Monsters nach den (angeblich) unschuldigen Frauen greifen, oder sie durch die Wildnis gejagt werden. Bis zum kleinen Finale hat man es aber leider mit einer guten halben Stunde Leerlauf zu tun, in der quasi nichts Signifikantes passiert, außer dass sich die Damen umkleiden, im Meer planschen, sich in der Sonne räkeln und ihren wenigen Männern Privat-Shows bieten, was zumindest einladend wirkt. Über Wahrscheinlichkeiten sollte in "Ein Toter hing im Netz" vielleicht nicht zu diskutiert werden, was sich aber nicht auf die Story selbst bezieht. Trash-Fans, Deutschtümelisten und Komplettisten werden dieses Horror-Experiment aus deutschen Landen sicherlich mit offenen Armen empfangen, bei dem die Produktionsgelder offenbar aus Liechtenstein kamen, und ihm gewiss einiges abgewinnen können, da der Unterhaltungswert stimmt und eine gute Portion fortschrittsorientierter Mut zu erkennen ist. So ist rückblickend zu betonen, dass es doch wirklich schön ist, dass solche Kuriositäten überhaupt existieren, die dazu animieren, sie mit einem doppelten Augenzwinkern wahrzunehmen. "Ein Toter hing im Netz" kann man sich ruhig einmal angesehen haben.

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Richie Pistilli
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Re: EIN TOTER HING IM NETZ - Fritz Böttger

Beitrag von Richie Pistilli »

Schnittbericht: US-Fassung (geschnitten) vs. Deutsche Kinofassung (ungeschnitten)


https://www.schnittberichte.com/schnitt ... ?ID=425640

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Sid Vicious
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Re: EIN TOTER HING IM NETZ - Fritz Böttger

Beitrag von Sid Vicious »

Nächsten Monat ist es zwei Jahre her, dass der Film ungekürzt in einem wunderschönen und seeeehr großem Kinosaal mitten im Ruhrgebiet lief.
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Prisma
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Re: EIN TOTER HING IM NETZ - Fritz Böttger

Beitrag von Prisma »

Hat er denn durch die andere Dimension der großen Leinwand eher billig gewirkt, oder konnte er sich sehen lassen?

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Richie Pistilli
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Re: EIN TOTER HING IM NETZ - Fritz Böttger

Beitrag von Richie Pistilli »

Aufgrund ungünstiger Zugverbindungen und erheblichen Verzögerungen im Programmablauf konnte ich den Film zwar nicht zu Ende sehen, aber dennoch bestätigen, dass der ausgelassene Inselgaudi auf der großen Leinwand alles andere als billig wirkt. Ok, das spinnenähnliche Wesen entpuppte sich zwar unverändert charmant, aber dafür beeindruckte die Inselatmospähre umso mehr.

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Sid Vicious
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Re: EIN TOTER HING IM NETZ - Fritz Böttger

Beitrag von Sid Vicious »

Ich saß im Kinofoyer und habe RECHTSEXTREMISMUS - RANDERSCHEINUNG ODER RENAISSANCE? gelesen. :oops: Der Klett sagte, dass es ein großer Fehler sei, da ich den Film mit Sicherheit nicht mehr in dieser Form auf der großen Leinwand sehen könne. Anschließend gab es Kuchen und Tiramisu bis zum Abwinken. :konfetti: Heute würde ich in den Vorführraum gehen, den Film schauen und hernach wesentlich weniger fressen.
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Prisma
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Re: EIN TOTER HING IM NETZ - Fritz Böttger

Beitrag von Prisma »

Richie Pistilli hat geschrieben:
Sa., 30.01.2021 21:03
aber dafür beeindruckte die Inselatmospähre umso mehr.

Ich mag das Setting Insel ja auch immer sehr gern, da es solchen Geschichten in den meisten Fällen die besondere Note des Unausweichlichen gibt. Da fallen mir ohne groß zu überlegen gleich zahlreiche Geschichten ein, die vor allem durch das angebotene Insel-Flair wesentlich atmosphärischer und spannender gewirkt haben. Diese Islemare-Rapid-Filme konnten mit dem Ambiente wohl auch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, da es sich aus Kostengründen wohl anbot, dort gleich mehrere Filme herzustellen und abzudrehen. Mir hätte der auf der großen Leinwand sicherlich auch gefallen, aber ich bin bei solchen Gelegenheiten ja bekanntlich immer etwas zu langsam. :mrgreen:

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Richie Pistilli
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Re: EIN TOTER HING IM NETZ - Fritz Böttger

Beitrag von Richie Pistilli »

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Ein Toter hing im Netz (D)
L'abbraccio del ragno (IT)
La tela del ragno (IT)
Le mort dans le filet (F)
Horrors of Spider Island (UK)
Horrors of Spider Island
The Spider's Web


Deutsche Erstaufführung: 16.04.1960

Synchronkartei

Schnittbericht

OFDb




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Prisma hat geschrieben:
So., 31.01.2021 13:32
Ich mag das Setting Insel ja auch immer sehr gern, da es solchen Geschichten in den meisten Fällen die besondere Note des Unausweichlichen gibt. Da fallen mir ohne groß zu überlegen gleich zahlreiche Geschichten ein, die vor allem durch das angebotene Insel-Flair wesentlich atmosphärischer und spannender gewirkt haben. Diese Islemare-Rapid-Filme konnten mit dem Ambiente wohl auch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, da es sich aus Kostengründen wohl anbot, dort gleich mehrere Filme herzustellen und abzudrehen.

Eigentlich handelt es sich bei EIN TOTER HING IM NETZ um einen sowohl unspektakulären als auch spannungsarmen Film, dem obendrein ein unausgegorenes Drehbuch zugrunde gelegt wurde. Aber aufgrund des edlen B-Movie-Charmes, der zum damaligen Zeitpunkt in unseren Breitengraden als eher ungewöhnlich bezeichnet werden kann, und der grandiosen Insel-Atmosphäre bereitet mir der schlüpfrige Film trotz seiner Schwächen ein jedes mal wieder aufs neue Spaß. Die Schauspieler*Innen reißen mit ihren Darbietungen zwar wahrlich keine Bäume aus, propagieren dafür aber umso mehr ihre neu gewonnene Freiheit, die sie dann auch stolz und unverklemmt zur Schau stellen.
Ein herrlich naiver Unfug.



Prisma hat geschrieben:
So., 31.01.2021 13:32
Mir hätte der auf der großen Leinwand sicherlich auch gefallen, aber ich bin bei solchen Gelegenheiten ja bekanntlich immer etwas zu langsam. :mrgreen:

Das optimieren wir zukünftig noch ein wenig... :)




Sid Vicious hat geschrieben:
Sa., 30.01.2021 23:39
Ich saß im Kinofoyer und habe RECHTSEXTREMISMUS - RANDERSCHEINUNG ODER RENAISSANCE? gelesen. :oops: Der Klett sagte, dass es ein großer Fehler sei, da ich den Film mit Sicherheit nicht mehr in dieser Form auf der großen Leinwand sehen könne. Anschließend gab es Kuchen und Tiramisu bis zum Abwinken. Heute würde ich in den Vorführraum gehen, den Film schauen und hernach wesentlich weniger fressen.

Hättest Du nur mal auf den guten Onkel Klett gehört, wobei ich Dir aber auch das Gleiche gesagt habe. Weder Kaffee, noch Tiramisu hätten mich von dieser seltenen Gelegenheit abhalten können.

Dafür hast Du einen anderen TOTEN gesehen, der nicht unbedingt in einem Spinnenetz festhing. ;)



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US Trailer:

Zuletzt geändert von Richie Pistilli am Mo., 05.04.2021 11:09, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: EIN TOTER HING IM NETZ - Fritz Böttger

Beitrag von Prisma »

Richie Pistilli hat geschrieben:
Mo., 01.02.2021 19:18
Eigentlich handelt es sich bei EIN TOTER HING IM NETZ um einen sowohl unspektakulären als auch spannungsarmen Film, dem obendrein ein unausgegorenes Drehbuch zugrunde gelegt wurde.

Ja, das ist wohl nicht zu leugnen. Als ich den Film das erste Mal vor 8 Jahren gesehen habe, war ich wenig begeistert und habe ihm seine Schwächen auch nicht so leicht verzeihen wollen, wenn ich mich richtig erinnere. Ich wusste aber gleich, dass der Film nicht nur eine einmalige Ansicht bleiben würde, denn dafür baut er eine zu eigenartige Faszination auf. Zumindest bei mir oder unter Umständen. Ich sehe derartige Experimente heute sehr gerne und finde es auch anerkennungswürdig, dass sie zwischen häufig einheitlichen Gebilden oder hauptsächlich bedienten Genres überhaupt existieren. Deswegen stimme ich Dir beim Thema Spaß und Charme vollkommen zu.

Richie Pistilli hat geschrieben:
Mo., 01.02.2021 19:18
Das optimieren wir zukünftig noch ein wenig... :)

Ja, das müssen wir wirklich :!: ;)

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