HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT - Michael Armstrong

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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doobee
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HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT - Michael Armstrong

Beitrag von doobee »

Hexen bis aufs Blut gequält
Deutschland 1970
Regie: Michael Armstrong / Adrian Hoven
Herbert Lom, Udo Kier, Olivera Katarina, Herbert Fux, Reggie Nalder
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Auf dem Höhepunkt der Hexenverfolgungen amtet Albino (Reggie Nalder) in einem kleinen Provinznest als selbsternannter Hexenjäger. Der potthässliche, sadistische Unmensch lässt haufenweise Hexen verbrennen, ohne Anklage und ohne Geständnis. Da taucht eines Tages der Junge Adlige Graf Christian von Meruh (Udo Kier), zusammen mit Folterknecht und Henker Jeff Wilkens (Herbert Fux) auf. Christian ist die Vorhut und der Lehrling des berüchtigten Hexenjägers Lord Cumberland (Herbert Lom), welcher Albino ablösen soll. Kaum eingetroffen, wird Christian Zeuge der Willkür von Albino und seines schmierigen Advocatus (Johannes Buzalski). Weil die Dienstmagd Vanessa Benedikt (Olivera Katarina) ihm nicht zu Willen sein will, bezichtigt er sie kurzerhand der Hexerei. Christian interveniert und die beiden verlieben sich ineinander. Als dann Lord Cumberland eintrifft und sein Schreckensregime verbreitet, kommen Christian erste Zweifel an der Redlichkeit seines Mentors, zumal dieser auch seine neue Liebe Vanessa als Hexe in den Kerker werfen lässt.

Das Intro würde vermuten lassen, dass wir den falschen Film erwischt haben und aus Versehen irgend einen kitschigen Heimatfilm eingeworfen haben: malerische Berglandschaften, untermalt von der schnulzigen Musik von Michael Holm (!). Doch schon sehr bald wird man Zeuge eines Ueberfalls auf ein paar Nonnen, welcher von Albino in Auftrag gegeben worden ist. Und schon geht das Exploitation-Feuerwerk los: da wird vergewaltigt, geteert, gefedert und verbrannt um den Zuschauer auf das Kommende einzustimmen. In diesem Stil geht es dann weiter, wobei die Gewaltakte nicht selbstzweckhaft erscheinen sondern vielmehr ein realistisches Bild jener Zeit sein sollen. Eine Zeit, wo im Namen der Kirche hunderttausende von unschuldigen Menschen gefoltert und getötet wurden und deren Besitztümer dann eben dieser Kirche zufielen. Eine Zeit, wo psychopathische Ungeheuer zu Hexenjägern oder Folterknechten werden und damit ihre perversen Gelüste ausleben konnten. Dies alles zeigen uns Regisseur Michael Armstrong und Produzent/Co-Regisseur Adrian Hoven, und sie gehen dabei alles andere als zimperlich zur Sache. Die Folterszenen sind teilweise sehr explizit in Szene gesetzt und für die damalige Zeit schon harter Tobak: Daumenschrauben, Streckbank, Brandeisen, Nagelstuhl, Wasserfolter, spanischer Bock, jedes Mittel ist den Folterknechten recht, um die irrwitzigsten Geständnisse aus ihren Opfern rauszupressen. Der gorige Klimax ist dabei sicher die Szene, wo Deidre von Bergenstein (Gaby Fuchs) die Zunge rausgerissen wird.

Die Kulissen, Kostüme und Folterinstrumente sind übrigens sehr authentisch und beeindrucken durch ihren detailgetreuen Nachbau.

Herbert Lom verkörpert die diabolische, frauenhassende und niederträchtige Parodie des Gesetzes Lord Cumberland mit düsterer Ueberzeugungskraft. Udo Kier meistert die tragische Figur des Christian mit Bravour, ebenso souverän ist Olivera Katarina als Vanessa. Reggie Nalder als Albino, Johannes Buzalski als Advocatus und Herbert Fux als Wilkens sind ein wahres Trio Infernal, ein Dreamteam des Grauens: sie sind total verkommene Subjekte, welche ihre Macht dazu missbrauchen um Frauen zu erniedrigen, zu foltern und zu töten.

Fazit: Sehr gelungener Witchploitation-Kracher, welcher in Sachen Sadismus und Gewalt neue Massstäbe setzte und sein Vorbild „Witchfinder General“ in dieser Beziehung bei weitem übertroffen hat. Ansonsten aber erreicht er dessen Klasse nicht. 7/10

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Richie Pistilli
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Re: HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT - Michael Armstrong & Adrian Hoven

Beitrag von Richie Pistilli »

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Hexen bis aufs Blut gequält (D)
Brenn, Hexe, brenn (D)
La tortura delle vergini (IT)
La Marque du diable (F)
Las torturas de la inquisición (ES)
Les sorcières sanglantes (BE)
Bloedige heksenjacht (BE)
Heksejægerens torturkammer (DK)
Mark of the Devil
Austria 1700


D 1970

R: Adrian Hoven / Michael Armstrong
D: Udo Kier, Herbert Lom, Olivera Katarina, Herbert Fux, Ingeborg Schöner, Gaby Fuchs, Reggie Nalder, Michael Maien, Johannes Buzalski, Dorothea Carrera, Marlies Petersen, Percy Hoven u.a.



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Deutsche Erstaufführung: 19.02.1970

Synchronkartei

Filmportal

Schnittbericht

Aufhebungssbescheid der Listensteichung

Bericht aus dem SPIEGEL 11/1970

Score: Michael Holm

OFDb



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Wo bisher der primitive Hexenjäger Albino (Reggie Nalder) sein blutiges Handwerk ausübte, übernimmt nun Lord Cumberland (Herbert Lom) nach besonderer Order des Kurfürstenturms das Regiment. Hexenverfolgung ist für Cumberland eine heilige Mission, die er eines Tages seinem gläubigen Schüler Christian von Merou (Udo Kier) weiter zu geben wünscht. Als Christian Zeuge des gnadenlosen Prozesses gegen die 18jährige Deidre (Gaby Fuchs) wird, die von einem Bischoff vergewaltigt wurde und nun mundtot gemacht werden soll, wächst jedoch sein Zweifel an der Gerechtigkeit der Sache. (Quelle: Inhaltsangabe der VHS von VMP)



Im Zuge des Erfolgs von Michael Reeves DER HEXENJÄGER (1968) entstand bereits ein Jahr später Adrian Hovens HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT, der bis heute zu weltweit bekanntesten Horro-Streifen zählen dürfte, die aus deutschen Landen stammen. Dabei wurde der Film ausschließlich 'on location' in Österreich gedreht, und zwar im Schloss Moosham sowie in Mauterndorf und Krems. Dies hat zur Folge, dass der Film neben inquisitorischen Grausamkeiten auch noch jede Menge bildgewaltige Landschaftsaufnahmen zu bieten hat, die dem Betrachter wiederum während der gnadenlose Hexenjagd immer mal wieder erholsame Momente verschaffen. Laut Adrian Hoven soll sein Film über eins der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte auf wahren Prozessakten beruhen, von denen insgesamt mehrere Millionen existieren. Entgegen der strikten Verweigerungshaltung beim Aufklären der Missbrauchsfälle, die auch bereits im vorliegenden Film unverblümt thematisiert werden, öffnete die Inqisitionsstelle des Vatikans im Jahr 1998 die Tore ihres Archivs für eingeweihte Geschichtsforscher, die seitdem die schier unendliche Menge an Prozessakten wissenschaftlich auswerten. Ob sich Adrian Hovens Erzählungen tatsächlich mit den historischen Wahrheiten deckt, lasse ich mal dahingestellt. Könnte mir gut vorstellen, dass die Geschichten im Kern auf wahren Begebenheiten beruhen, die dann aber wiederum inszenatorisch höchst ausbeuterisch ausgeschmückt wurden. Letztlich auch egal, denn das was den Film hauptsächlich zu einem unvergesslichen Meilenstein macht, sind die außerordentlichen Darbietungen der traumhaften Besetzung.


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'Küss die Hand, Herr Kerkermeister'


Diese Textzeile kommt mir jedes Mal wieder unweigerlich in den Sinn, sobald der österreichische Schauspieler Herbert Fux die Folterkammer von Schloss Moosham betritt, um dort voller Elan und Tatendrang seinen unmenschlichen Foltermethoden nachzugehen, die er im Namen der Kirche verrichtet. Eins seiner unschuldigen Opfer wird von der Schauspielerin Gaby Fuchs verkörpert, die nach einer willkürlichen Gerichtsentscheidung die komplette Torture über sich ergehen lassen muss. Neben ein paar Bewegungsübungen auf der Streckbank wird ihr neben dem Anlegen von stählernen Daumenschrauben auch noch die Zunge herausgerissen, bevor sie sich dann endgültig auf dem Scheiterhaufen des Dorfmarktplatzes in Schall und Rauch auslöst. Laut ihrer Aussage soll es sich bei dem herausgerissenen Körperteil um eine bereits mehrere Tage alte Kalbszunge gehandelt haben, die sie zur Verwirklichung der Szene in den Mund nehmen musste. Lecker! Für Udo Kier war HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT sein zweiter Spielfilm, an dem er als Schauspieler mitwirkte. Auch er überzeugt den gesamten Handlungsverlauf mit seinen schauspielerischen Fähigkeiten, die er auch immer noch heutzutage unermüdlich zeitgenössischen Filmemachern zur Verfügung stellt. Mit Olivera Katarina und Ingeborg Schöner gelang es Adrian Hoven, zwei reizende Schönheiten mit an Bord zu holen, die aufgrund ihrer natürlichen Ausstrahlung begeistern. Diese scheint aber wiederum dem hauptamtlichen Inquisitor Herbert Lohm ein Dorn im Auge zu sein, denn dieser legt gegenüber den beiden Grazien eine Umgangsweise an den Tag, die man heutzutage von toxischen, misogynen, weißen Männern kennt, die sich in privaten Frauenhasserclubs gegenseitig aufstacheln. Nicht minder garstig treibt es der US-amerikanische Schauspieler Reggie Nalder, wobei ihm Herbert Lohm in der Rolle des noch viel verruchteren Lord Cumberlands recht schnell den Rang als gnadenlosester Inquisitor des Landes abläuft. Zu guter Letzt treten auch noch Michael Maien in der Rolle des entmachteten Baron Daumer sowie Adrian Hoven als schicksalhafter Puppenspieler in Erscheinung, wobei ihre jeweiligen Rollencharaktere aber keine angenehme Zeit auf Schloss Moosham verbringen werden.


Dass es während der Dreharbeiten ständig zu Konflikten mit dem verpflichteten Regisseur Michael Armstrong kam, infolgedessen Adrian Hoven den Großteil der Regiearbeit übernahm, dürfte hinlänglich bekannt sein. Falls nicht, dann kann ich nur wärmstens den Audiokommentar sowie die Interviews im Bonusteil der Turbine-Veröffentlichung ans Herz legen sowie das Interview mit Joyce und Percy Hoven auf der BD vom SCHLOß DER BLUTIGEN BEGIERDE. Ein sehr unterhaltsamer Informationsmarathon, der sich meines Erachtens lohnt. Abschließend sei auch noch das ursprünglich von Michael Armstrong gedrehte Ende erwähnt, welches die Untoten aus den Gräbern stiegen ließ, damit diese Rache an ihren Peinigern verüben. Dieses wurde aus dramaturgischen Gründen neu gedreht und ersetzt.


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Filmplakate:
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Interview mit Udo Kier:
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Score:
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Prisma
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Re: HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT - Michael Armstrong

Beitrag von Prisma »



Ich fand "Hexen bis aufs Blut gequält" schon immer erstaunlich gut gelungen, da hier einfach sehr viele positive Komponenten zusammenkommen und der Verlauf so authentisch wirkt. Viele brutale und unmenschliche Veranschaulichungen sorgen für sehr viel Nervenkitzel, schreckliche Personen für Abscheu, hervorragende Darsteller für ein zufriedenes Kopfnicken und die Regie erweist sich als sehr kompetent in allen Basis- und Peripheriebereichen. Ich finde diesen Hexen-Reißer in jeder Hinsicht und beispielsweise viel eher als "Der Hexentöter von Blackmoor" gelungen, auch wenn ich bei Francos Werk irgendwie eine größere Affenliebe verspüre. :mrgreen:

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Richie Pistilli
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Re: HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT - Michael Armstrong

Beitrag von Richie Pistilli »

Prisma hat geschrieben:
So., 30.04.2023 22:15
Ich finde diesen Hexen-Reißer in jeder Hinsicht und beispielsweise viel eher als "Der Hexentöter von Blackmoor" gelungen, auch wenn ich bei Francos Werk irgendwie eine größere Affenliebe verspüre. :mrgreen:

Muss gestehen, dass ich auf Jess Francos HEXENJÄGER-Film irgendwie nicht richtig klar kam. Ok, meine bis dato einzige Sichtung liegt auch schon mehr als zehn Jahre zurück. Vielleicht räume ich dem Film bald mal eine zweite Chance ein. DER HEXENJÄGER von Michael Reeves hat mir wiederum recht gut gefallen, obwohl dieser meines Erachtens HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT auch nicht so ganz das Wasser reichen kann.

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Richie Pistilli
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Re: HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT - Michael Armstrong

Beitrag von Richie Pistilli »


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