FRAUENSTATION - Rolf Thiele

Sexwellen, Kriminalspaß und andere Krautploitation.
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Prisma
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FRAUENSTATION - Rolf Thiele

Beitrag von Prisma »




Horst Buchholz

FRAUENSTATION


● FRAUENSTATION (D|1975)
mit Stephen Boyd, Lillian Müller, Marina Langner, Eva Berthold, Barbara Valentin, Herbert Fux, Pirko Zenker und Karin Dor
eine Cinema 77 Produktion von Hans Pflüger | im Verleih der Centfox
nach der gleichnamigen Romanvorlage von Marie Louise Fischer
ein Film von Rolf Thiele

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»Manchmal wird die ganze Gynäkologie zu einem Alptraum!«


In der gynäkologischen Abteilung einer Klinik werden Chefarzt Professor Overhoff (Stephen Boyd) und sein Oberarzt Doktor Schumann (Horst Buchholz) nicht nur mit freudigen Ereignissen, sondern auch Schicksalsschlägen der Patientinnen konfrontiert. Alleine die tägliche Arbeit würde schon ausreichend an die Substanz gehen, doch es kommt auch zu privaten Ressentiments zwischen den beiden Ärzten. Overhoff leidet an einem Schuldkomplex, der lange zurückliegt und seine Arbeit beeinträchtigt, außerdem macht dem alleinerziehenden Vater seine pubertierende Tochter Eva (Pirko Zenker) zu schaffen. Schumann hingegen hat Probleme anderer Art, denn seine exaltierte, gut zwanzig Jahre jüngere Frau Claudia (Lillian Müller) macht ihm mit kaum nachvollziehbaren Verhaltensweisen das Leben schwer. Beide tragen ihre privaten Sorgen mit in den Klinikalltag, was ihnen wechselseitig missfällt. Nachdem sich Claudia eines Tages auch noch in den Klinikalltag einmischt und schwere Vorwürfe erhoben hat, kommt es zum Eklat...

Rolf Thieles "Frauenstation" gilt als einer von mehreren sogenannten Abschreibungsfilmen und wurde innerhalb eines eiligen Zeitraums von nur vier Wochen abgedreht. Wesentlich länger musste er allerdings auf seine Uraufführung warten, denn es dauerte gute zwei Jahre, bis der Film durch Centfox in die bundesdeutschen Kinos gebracht wurde - dies allerdings mit mäßigem beziehungsweise gar keinem Erfolg. Die Produktionsgesellschaft Cinema 77 war auf das Herstellen derartiger Abschreibungsfilme spezialisiert, und auch wenn sie den Steuerzahler somit indirekt Geld kosteten, ist es hoch interessant, dass diese Beiträge in ihrer teils starbepackten Form überhaupt existieren, zumal eigentlich kaum jemand ernsthafte Hoffnungen in wirtschaftliche Erfolge dieser Projekte setze. Beim vagen Blick auf die Thematik scheint sich bereits im Vorfeld heraus zu kristallisieren, dass Regisseur Rolf Thiele der richtige Mann für eine solche Angelegenheit sein dürfte, aber zunächst dominieren Neugierde und Spannung angesichts einer möglichen Überraschung die teils bizarr bebildert wirkende Szenerie. Bereits nach wenigen Intervallen lässt sich leider sagen, dass auch dieses diffus angelegte, eigentlich kritische Thema nur Alibi-Funktion besitzt und trotz Modifikation nur ein typischer Thiele-Film dabei herausgekommen ist, der von einfältigen Dialogen geradezu beherrscht wird. Insbesondere seine späten Werke tragen eine viel zu eindeutige, beinahe verzweifelte Handschrift und grenzen sich - abgesehen von inszenatorischen Kapriolen - kaum mehr von einheitlichen Gebilden dieser Zeit ab, die es sich lediglich zur Aufgabe gemacht hatten, Populärthemen aufzugreifen, um sie schlussendlich gewinnbringend auszuschlachten. Bei Thieles tunnelartigem Bearbeitungsstil war der Lack aber definitiv ab und es werden in der Peripherie anzusiedelnde Inhalte daraus. "Frauenstation" bewegt sich mühevoll zum anvisierten springenden Punkt, bei dem man sich nicht nur einmal fragt, was in eigentlich Wirklichkeit abgehandelt werden soll. Die prominenten Hauptdarsteller lassen sich dem Empfinden nach willenlos vor eine Karre spannen, die erwartungsgemäß und ohne Gnade in einer Zirkusmanege zur Schau gestellt wird.

Horst Buchholz als Oberarzt Dr. Rainer Schumann liefert eine dem Film angemessene Performance ab. Weit entfernt von seinen beeindruckenden darstellerischen Zeiten, sieht man den Frauenschwarm a. D. in einer ungewöhnlich überspitzt wirkenden Rolle, der er jedoch eine gewisse Nachhaltigkeit verleihen kann, da man schließlich etwas geboten bekommt, was vielleicht nicht unbedingt zu erwarten war. Der Mythos des Halbgottes in Weiß beginnt unter seiner Handhabe in einem irritierenden Licht zu bröckeln, bis die Dramaturgie mit Hochdruck daran arbeitet, den überheblich wirkenden Herrn als beinahe zweifelhaft einzustufen. Umso besser, denn die fehlenden stilistischen und inszenatorischen Konturen können so etwas ausgeglichen werden. Leider bleibt Buchholz im Gesamtgeschehen aber nur eine Schachfigur, die keinen Offizier richtig angreifen kann, was für viele seiner KollegInnen auch gilt. Des Weiteren spielen Stephen Boyd, Lillian Müller und Karin Dor tapfer gegen eine schwerwiegende Langatmigkeit an, die bereits ab dem Mittelteil nicht mehr abgewendet werden kann. Die Norwegerin Lillian Müller wird hier unglücklicherweise verschenkt, da Thiele es nicht versteht, sie ihren (erwarteten) Fähigkeiten entsprechend einzusetzen und sie in diesem Zusammenhang erneut dazu verdammt, ein Abziehbild ihrer schönen Hülle sein zu müssen. Hinzu kommt, dass sich ihre Rolle trotz Schlüsselfunktion im komplexen Labyrinth der Geschichte verliert. Was Stephen Boyd hingegen abzuliefern hat, ist angesichts seiner durchaus soliden darstellerischen Fähigkeiten schon frustrierend, denn er hat lediglich seinen immer noch wohlklingenden Namen zur Verfügung zu stellen. Zahlreiche Szenen mit seiner Filmtochter und die damit verbundenen Dialoge waren für damalige Verhältnisse vielleicht so angelegt, dass sie dem Zuschauer von einst die Schamesröte ins Gesicht treiben sollten, doch leider bleibt nichts zurück außer aufgeplusterten Wortwechseln, die alleine aus diesem Grund in Erinnerung bleiben werden - oder auch nicht.

Karin Dor ist in "Frauenstation" in einer Rolle zu sehen, die man in dieser Fasson sicherlich nicht alle Tage geboten bekommen hat. Zunächst ist löblich zu erwähnen, dass sie hier erneut den Beweis ihrer Vielseitigkeit liefert, denn sie konnte sich praktisch in jede erdenkliche Rolle hinein versetzen und mit ihr eins werden, was hier allerdings nicht als reines Kompliment zurückbleiben bleiben kann, da sie Polemik, Exaltiertheit und Affektiertheit einfach nicht kleidet. Sie selbst hat ihre schöpferischen Tiefpunkte in Interviews zwar anderswo ausmachen wollen, doch mitunter findet man ihn bei genauer Betrachtung auch irgendwie hier, unter Rolf Thieles fahriger Regie, die oft zu kompliziert wirkt, da die Langeweile bis hin zur Unkenntlichkeit verschachtelt und verschlüsselt erscheint. Der Verlauf plätschert zähflüssig vor sich hin und geht einige ungünstige Allianzen mit brisanten und sogar zeitlosen Problemen ein, ohne dabei zu berücksichtigen, dass sich die nötige Sachlichkeit und Sterilität mit Einförmigkeit und Ergebnislosigkeit kreuzt wo sie nur kann. Aufgefrischt mit ein paar mechanischen Originalszenen aus dem Klinikalltag - außerdem theatralische Veranschaulichungen aus deutschen Schlafzimmern - windet sich dennoch (oder sogar deswegen) Leerlauf durch diese Geschichte, die vom Prinzip her keinesfalls so diffus und uninteressant sein müsste. Thiele als Jongleur moralischer Aspekte und bestehender Missstände versagt auf ganzer Linie; auch seine bewährte Abhandlung der Rolle der Frau wirkt eher wie eine unappetitliche Exhumierung seiner althergebrachten Inszenierungen. Positiv zu erwähnen bleibt das prinzipielle Heranwagen an Themen, die vornehmlich in gesellschaftliche Korsetts und tiefes Schweigen gehüllt waren, doch man kommt nicht um das Ausformen des Gedankens herum, wie diese Geschichte wohl unter alternativer Regie ausgesehen hätte, wenngleich erneut eingeräumt werden darf, dass sie unter solchen Umständen wohl gar nicht erst existieren würde.

Rolf Thiele spart es sich weitgehend auf, in die notorische Erotik-Trickkiste zu greifen und verliert sich wie so oft in vagen Andeutungen, um eine Inangriffnahme der angekratzten psychologischen Ebene zu meiden, sodass man in "Frauenstation" wenig Neues von dieser Seite angeboten bekommt. Es ist sehr schade, doch ebenso blanke Realität: die Geschichten, die im Vorfeld oft wie Gold wirkten, werden unter seiner Leitung häufig zu Stroh. Dramaturgisch wenig ausgereift, haben die Protagonisten mit Problemen zu kämpfen, die sich auch fernab des Klinikalltags finden, welcher nach und nach nur noch Alibifunktion zu haben scheint. Spannungen zwischen Göttern in Weiß, sprich Horst Buchholz und Stephen Boyd, spielen sich kaum auf medizinischer Ebene ab, sondern die Brisanz soll darüber entstehen, dass insbesondere Privates und Berufliches vermischt wird. Der abgehandelte Konfliktstoff ist durchaus als solcher zu verstehen, aber dennoch spült sich die gesamte Angelegenheit von selbst weich, da die Personen im Rahmen ihrer Charakterzeichnungen schwächeln. Unterm Strich bleibt trotz hoher Erwartungen wenigstens Routine zurück, außerdem gelingt es der Regie phasenweise recht anschaulich, Spannungen zu visualisieren. Als besonders eingängig ist die musikalische Untermalung von Bernd Kampka zu bezeichnen, die abgehandelte Themen oft in einen herben Kontrast zu stellen weiß, wenngleich sich diese Momente nur sporadisch zeigen. "Frauenstation" war einer der letzten Versuche Rolf Thieles, unter Beweis zu stellen, dass er durchaus in der Lage sein konnte, problembehaftete Sujets unkonventionell anzupacken. Bedauerlicherweise stellt sich auch hier heraus, dass es ihm nicht mehr möglich gewesen ist, sich selbst neu zu erfinden und im Endeffekt zu viel Augenwischerei betrieben wird. Die Produktion wirkt über die volle Distanz lediglich bruchstückhaft und vermittelt daher einen kontroversen Endeindruck. Somit ist "Frauenstation" vielleicht als einer der besten schlechten Filme von Rolf Thiele zu bezeichnen, der sich zugegebenermaßen nicht komplett ohne Reiz präsentiert.

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Richie Pistilli
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Re: FRAUENSTATION - Rolf Thiele

Beitrag von Richie Pistilli »

Eigentlich wollte ich bereits vor einigen Tagen mein Feedback aus dem alten Forum posten, aber leider ist dieses aktuell mal wieder nicht erreichbar. :x
Obwohl ich den Film gerade erst vor ca. einem Jahr zum ersten Mal gesehen habe, kann ich mich ehrlich gesagt schon nicht mehr konkret an den Inhalt erinnern. Weiß nur noch, dass mein Fazit wie bei den meisten Thiele-Filme ausfiel: Im Großen und Ganzen ganz nett, aber sowohl die Handlung als auch die involvierten Rollencharaktere ließen mich etwas ratlos zurück (Getreu meinem persönlichen Thiele-Motto: Was wollte uns der Regisseur mit seinem Film sagen?). :?

Mein glasklarer Thiele-Favorit bleibt weiterhin DER TOD EINES DOPPELGÄNGERS, der mir sowohl handlungsmäßig als auch optisch sehr zusagte.

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Prisma
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Re: FRAUENSTATION - Rolf Thiele

Beitrag von Prisma »



Nach allem, was ich von Rolf Thiele gesehen habe, gefällt mir "Der Tod eines Doppelgängers" auch am besten, da er eben nicht die ganz typische Handschrift des Regisseurs trägt. "Venusberg" mag ich auch, doch dann wird es auch schon ziemlich dünn. Nicht, dass ein paar seiner Filme nicht ebenso viele gute Momente aufweisen konnten, aber die Gesamtwerke konnten mich so gut wie immer kaum überzeugen. Am schlimmsten finde ich "Rosemaries Tochter", denn der ist nicht nur misslungen, sondern völlig entgleist. Mit "Frauenstation" kam ich ganz gut klar, auch wenn es erwartungsgemäß nicht der große Wurf war, denn dafür wird auch hier zu viel herumgeplänkelt und der Film bleibt Aussagen schuldig. Die Frage, was der Regisseur eigentlich sagen will, stellt sich natürlich häufiger, ist aber oft nicht gerade einfach zu beantworten, weil sich viele Fragmente vermischen, die man dann selbst nicht ordnen will, da das Dargebotene oftmals schlicht und einfach zu uninteressant oder dick aufgetragen, meinetwegen auch abstrus ist. Nicht einmal thematisch, sondern hauptsächlich inszenatorisch. Unterm Strich bleibt es aber schon interessant, Filme wie diesen mal gesehen zu haben.

Italo
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Re: FRAUENSTATION - Rolf Thiele

Beitrag von Italo »

Ich mag FRAUENSTATION sehr! Teures Schmuddelkino mit großer Starbesetzung.

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Prisma
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Re: FRAUENSTATION - Rolf Thiele

Beitrag von Prisma »

Italo hat geschrieben:
Mi., 16.06.2021 23:40
Ich mag FRAUENSTATION sehr! Teures Schmuddelkino mit großer Starbesetzung.

Schmuddelkino ist für meine Begriffe zwar ein bisschen zu viel versprochen, aber teuer produziert worden und starbesetzt ist er allemal.

Percy Lister
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Re: FRAUENSTATION - Rolf Thiele

Beitrag von Percy Lister »

"Frauenstation" (Deutschland 1976)
mit: Horst Buchholz, Lillian Müller, Stephen Boyd, Karin Dor, Marina Langner, Eva Berthold, Pirko Zenker, Sibylle Binder, Ina Lane, Brigitte Stein, Carina Kreisch, Alexandra Moser, Barbara Valentin, Veronika Faber, Herbert Fux, Alexandra Moser, Gerd Riegauer u.a. | Drehbuch: W. P. Zibaso und Ted Rose nach dem Roman von Marie-Louise Fischer | Regie: Rolf Thiele

Chefarzt Professor Overhoff gibt sich die Schuld am Tod seiner Frau, die vor wenigen Monaten bei der Geburt des gemeinsamen Sohnes starb. Seitdem weigert er sich, Operationen zu leiten und delegiert mehr und mehr Aufgaben an seinen Oberarzt Dr. Schumann. Dieser hat ebenfalls private Probleme. Seine Frau Claudia wurde von ihrer reichen Mutter, die in den Vereinigten Staaten lebt, verwöhnt und jeder persönlichen Verantwortung enthoben, sodass sie nun unfähig ist, eine normale Ehe mit dem Gynäkologen zu führen. Sie hat panische Angst vor einer Schwangerschaft und nimmt ohne Wissen ihres Mannes die Pille, was diesem jedoch von Prof. Overhoff mitgeteilt wird. Es kommt zur offenen Konfrontation, die in eine Kurzschlusshandlung mündet....

Bild Bild Bild
Rolf Thiele inszenierte seinen Film nach dem Romanbeststeller der Erfolgsautorin Marie-Louise Fischer und wollte nach eigenen Aussagen in der Darstellung des Alltags in einer Frauenstation so präzise wie möglich sein. Gedreht wurde an der Priener Thyssen- und Frauenklinik, ebenso erhielt das Filmteam fachliche Beratung durch Ärzte der Münchner Uni-Klinik. Neben dem rein technischen Aspekt achtete Thiele vor allem auf die Gewissenskonflikte, denen Ärzte tagtäglich unterworfen sind, wenn sie Entscheidungen über Leben und Tod fällen müssen. Um das Klischee der Ärzte-Romantik der "Halbgötter in Weiß" zu vermeiden, legte Thiele Wert darauf, auch operative Eingriffe zu zeigen, so u.a. einen Kaiserschnitt. Die FSK 18, die der Film von der Prüfstelle erhielt, liegt vermutlich im Realismus des Operationssaals begründet, statt in einer übermäßigen Freizügigkeit seiner Darsteller. Dabei sind die optischen Anreize durchaus vorhanden; Thiele verpflichtete gleich eine ganze Phalanx an attraktiven Damen für seinen vorletzten Film. Allen voran die Norwegerin Lillian Müller, amtierendes 'Playmate' des Herrenmagazins Playboy. Wie das Presseheft zu "Frauenstation" betont, war es ihr wichtig, nicht nur als hübscher Blickfang verpflichtet zu werden: "Ich habe nichts dagegen, mich vor der Kamera auszuziehen, aber ich möchte gerne Schauspielerin bleiben und nicht als Sex-Symbol festgenagelt werden. (...) In "Frauenstation" war es glücklicherweise nicht so, da hatte ich eine sehr differenzierte und schwere Rolle." Lillian Müller wurde auch in Thieles letzter Kinoinszenierung "Rosemaries Tochter" besetzt, einer modernen Hommage an seinen Klassiker von 1958, der trotz seiner mittelmäßigen Qualität der wohl bekannteste Film des Regisseurs ist.

Neben den eindrucksvollen Schicksalen, die im Krankenhaus nach einer neuen Weichenstellung verlangen, sind es die zwischenmenschlichen Beziehungen, auf denen der Fokus des Films liegt. Die Verwundbarkeit der Hauptprotagonisten durch herbe Enttäuschungen, eigenes Versagen oder unglückliche Fügungen greifen vom Privaten ins Berufsleben und drängen aus den vier Wänden hinaus an die Öffentlichkeit. Professor Overhoff und Dr. Schumann versuchen jeder auf seine Weise, mit diesen Schwierigkeiten fertig zu werden. Der Klinikchef und seine Tochter verhalten sich zueinander wie ein eingespieltes Ehepaar. Seit dem plötzlichen Tod der Ehefrau und Mutter hat Overhoffs Tochter Eva viele Aufgaben übernommen. Durch den Vertrauensvorschuss, die neue Verantwortung und die angebotene Belastbarkeit mit allen Sorgen der veränderten Situation, fühlt sie sich mehr Frau als ihre heimliche "Rivalin", die Kindfrau Claudia Schumann, die sie wegen ihrer Schönheit und Freiheit beneidet. Diese residiert zwischen Kissen und unzähligen Puppen, die ein Bollwerk zwischen ihr und der Welt der Erwachsenen bilden. Sie dienen als Wächter, Gesellschafter und Geheimnisträger, die unheimliche Aura der stummen Zeugen wird von Charly Steinberger bedrohlich und erdrückend in Szene gesetzt. Die geschlossenen Vorhänge schirmen Claudia von der Außenwelt ab. Wenn sie ihre Festung einmal verlässt, dann ist sie so kopflos, dass sie weder Türen abschließt, noch die Zeit im Auge behält. Ihre Hilflosigkeit erreicht den Höhepunkt, als sie wegen einer Autopanne in Tränen ausbricht. In ihrer exaltierten Mutter findet sie keine Hilfe, sondern nur eine Kritikerin, die ihr eigenes Werk mit zynischen Bemerkungen versieht.

Karin Dor gefällt sich in der Rolle der extravaganten Mutter, die den Altersunterschied zu ihrer Tochter durch auffallende Kleidung und schlagfertiges Auftreten wett macht. Sie ist fest entschlossen, die zarte Lillian Müller an die Wand zu spielen und legt durch ihr Handeln von Beginn an fest, wer hier den Ton angibt. Der Wechsel von der Haupt- zur Nebenrolle mag ihr schwergefallen sein, weswegen es durchaus denkbar ist, dass sie ihre Figur deshalb so schillernd gestaltete. Sie fürchtete wohl, dass sie neben den jüngeren Kolleginnen um Aufmerksamkeit buhlen müsse, um nicht unterzugehen und stattete ihre Rolle deshalb mit Attributen aus, die man befremdlich finden mag. Nicht von der Hand zu weisen ist die Frage, inwiefern Rolf Thiele seine Stars anleitete. Die Schwierigkeit, für jede Persönlichkeit die richtige Ausdrucksmöglichkeit zu finden, ohne dass eine Figur überzeichnet wirkt, stellte für den Regisseur mehrfach ein Problem dar, wie man am Ergebnis feststellen kann. Ebenso wie bei Kollege Brynych scheinen Szenen öfter mal aus dem Ruder zu laufen, was von wohlwollenden Kritikern dann gern als kreative Eingebung gedeutet wird. Immerhin scheint Thiele die Schraube bei den Patientenfällen heftiger angezogen zu haben, läuft es hier doch stringenter und ruhiger ab. Ungern legt sich der Regisseur fest und vermittelt Meinungen wie eine Ausgabe von Readers Digest, wobei viele Themen angeschnitten werden und dann kommentarlos im Raum schweben. Der Zuschauer bekommt laufend neuen Diskussionsstoff, während die Handlung weitergeht und bereits das nächste Schlachtfeld präsentiert. Zur Ruhe kommen die Personen selten. Selbst im Traum werden sie von düsteren Vorahnungen oder belastenden Erinnerungen verfolgt.

Horst Buchholz spielt zum ersten Mal einen Arzt, was ihm laut den Angaben im Presseheft zu "Frauenstation" großes Vergnügen bereitete: "In meiner frühen Schauspielerzeit, als ich noch nicht den schlagenden Erfolg hatte, stand ich mehrmals vor beruflichen Entscheidungen. Immer in solchen Augenblicken dachte ich: sollte ich nicht lieber doch Medizin studieren? Es kam nicht dazu, aber bis heute unterhalte ich mich immer gern mit Ärzten." Horst Buchholz' Biograf Werner Sudendorf schreibt hingegen in "Verführer und Rebell" (Aufbau- Verlag): "Es ging Buchholz um die hohe Gage. 450 000 DM waren vereinbart, davon 50 000 DM bis zum letzten Drehbuch; der Rest sollte aus den Einnahmen des Films bezahlt werden. Aber Einnahmen gab es nicht. Der Film war erkennbar spekulativ, er schielte auf den Starbonus von Buchholz und die körperlichen Reize der weiblichen Erotikdarstellerinnen, war zugleich aber viel zu verklemmt, um auf der Softpornowelle des deutschen Kinos zu segeln." Die Interaktion mit seinen attraktiven Kolleginnen wirft die Frage auf, wo sich der Berliner innerhalb des Films positioniert. Primär sieht man ihn in seiner Verantwortung als Arzt, wenn noch Zeit übrig bleibt, muss er mit den Launen seiner Frau fertig werden, zudem verlangt die Schwiegermutter, dass er im Umgang mit ihrer Tochter endlich durchgreifen und Tacheles reden soll. Sein Spiel ist solide und unaufgeregt, man merkt, dass er den Fokus auf die Mehrfachbelastung des Arztes legt, weswegen sein Intermezzo mit Marina Langner nur Randnotiz bleibt und nur ein weiterer Punkt in dem Verwirrspiel um die Ehe des Dr. Schumann ist. Die stärksten Szenen hat Buchholz ohnehin im Alleingang - ohne die holde Weiblichkeit.

Italo
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Re: FRAUENSTATION - Rolf Thiele

Beitrag von Italo »

Prisma hat geschrieben:
Sa., 19.06.2021 13:50
Italo hat geschrieben:
Mi., 16.06.2021 23:40
Ich mag FRAUENSTATION sehr! Teures Schmuddelkino mit großer Starbesetzung.

Schmuddelkino ist für meine Begriffe zwar ein bisschen zu viel versprochen, aber teuer produziert worden und starbesetzt ist er allemal.

Edles deutsches Schmuddelkino. In dem Film geht es doch nur um schmuddelige Themen in einer schönen Verpackung. Genau das richtige für ein Subkultur affines Publikum. Leider ist der Film rechtlich etwas schwierig, im Moment noch.

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