MORD OHNE MÖRDER - Wendy Toye, David Eady, George More O'Ferrall

Gruselschocker aus Großbritannien, Spanien, Frankreich usw.
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Percy Lister
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MORD OHNE MÖRDER - Wendy Toye, David Eady, George More O'Ferrall

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"Mord ohne Mörder" (Three Cases of Murder) (Großbritannien 1955)

Obwohl die DVD-Edition unter dem Namen von Edgar Wallace vermarktet wird, was einige Puristen dazu bringt, die Veröffentlichung zu boykottieren, sollte dieser Etikettenschwindel keinen Grund darstellen, von einem Kauf abzusehen.
Die drei britischen Krimi- und Suspense-Perlen aus dem Jahr 1955 wurden erstmals 1963 im deutschen Fernsehen gezeigt und bedienen sich so namhafter Synchronsprecher wie Eckart Dux, der u.a. Norman Bates in "Psycho" seine Stimme lieh. Eingerahmt werden die Episoden von einer stimmigen Einleitung und Kommentaren von Eamonn Andrews. In gestochenem Schwarzweiß zollen die Geschichten der Welt des regennassen Film Noir Tribut bzw. tauchen tief in die Fieberwahnwelt eines Edgar Allan Poe ab. Namhafte Darsteller wie André Morell oder Orson Welles sprechen für die Güte der Produktion, die ihrem Publikum Einblicke in jene Alpträume gibt, die Alfred Hitchcock zum gleichen Zeitraum innerhalb seiner Fernsehreihe "Alfred Hitchcock presents" mit schwarzem Humor zum bitteren Ende führte.

Percy Lister
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Re: MORD OHNE MÖRDER - Wendy Toye, David Eady, George More O'Ferrall

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"In the Picture"
mit: Alan Badel, Hugh Pryse, Leueen Mac Grath, Eddie Byrne, Ann Hanslip | Drehbuch: Ian Dalrymple nach einer Erzählung von Roderick Wilkinson | Regie: Wendy Toye

Der Museumsangestellte Jarvis schätzt ein Gemälde mehr als alle anderen: es zeigt ein einsames Landhaus, zu dem ein in Nebel eingehüllter Weg führt. Das Bild stammt von einem unbekannten Künstler und wird durch eine Glasscheibe geschützt, die immer wieder aus ungeklärten Gründen zersplittert. Eines Tages begegnet Jarvis vor dem Gemälde einem elegant gekleideten Mann, der ihn um Feuer bittet. Der Fremde erklärt, das Bild wäre unvollkommen, da es der Maler versäumt hätte, das Fenster ganz links zu beleuchten. Er bittet Jarvis, näher heranzutreten und sich selbst davon zu überzeugen....

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Der Wunsch, hinter die Dinge sehen zu können und Traumbilder Wirklichkeit werden zu lassen, wird oft als ungehörig bestraft. Nicht umsonst suggeriert das schlechte Gewissen dem männlichen Protagonisten, er wäre dem Teufel in die Hände gefallen und zur Verdammnis verurteilt. Dabei ist es nur eine Parallelwelt, die seine Neugier weckt, als er sich von der Faszination einer geisterhaften Landschaft in den Sog des geheimnisvollen Gemäldes ziehen lässt. Alan Badel, der übrigens in allen drei Geschichten einen Auftritt hat, verströmt einen dandyhaften Charme, der es dem von Hugh Pryse gespielten Museumsführer schwer macht, den Bann zu durchbrechen und das unheilvolle Territorium zu verlassen. Die groteske Welt der Einsiedler wird ironisch und unsentimental geschildert und zieht die Schlinge immer enger um Jarvis' Hals. Regisseurin Wendy Toye inszeniert mit leichter Hand und bringt eine gehörige Prise britischen Humors in die Geschichte, die das Grauen zu etwas ganz Alltäglichem werden lässt und die Zutaten des klassischen Gothic-Horrors mit einer energischen Handbewegung wegwischt. Die Oscar-nominierte Spielleiterin unterstreicht auf augenzwinkernde Weise, dass es zum Gelingen solcher nasty little stories eine grundsätzliche Empfänglichkeit braucht.

Percy Lister
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Re: MORD OHNE MÖRDER - Wendy Toye, David Eady, George More O'Ferrall

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"You killed Elizabeth"
mit: John Gregson, Emrys Jones, Elizabeth Sellars, Philip Dale, Maurice Kaufmann, Alan Badel, Christina Forrest u.a. | Drehbuch: Donald Wilson nach einer Erzählung von Brett Halliday | Regie: David Eady

Die Freunde Edgar und George kennen sich seit ihrer Kindheit. Immer schon hatte Edgar die Nase vorn, er war erfolgreicher, beliebter und tüchtiger. Sein einziges Manko: übermäßiger Konsum von Alkohol sorgt bei ihm für stundenlange Amnesien, die ihn schon oft in Schwierigkeiten gebracht haben. Während er auf Geschäftsreise ist, lernt George die hübsche Elizabeth kennen. Als er sie seinem Freund vorstellt, passiert das, was er insgeheim bereits befürchtet hat: Elizabeth wendet sich Edgar zu. Rasend vor Eifersucht schlägt George auf Edgar ein. Stunden später betritt dieser die gemeinsame Wohnung, mit Blut an den Händen und am Mantelrevers. Kurz darauf melden die Morgenzeitungen den Mord an einer jungen Frau....

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Das große Plus von Geschichten dieser Art ist das Wechselspiel der Sympathien, mit dem der Zuschauer entgegen seiner Erwartungen konfrontiert wird. Sobald ein Charakter in einer bestimmten Schublade abgelegt worden ist, reißt das Drehbuch diese wieder auf, um ihn mit einem unsanften Griff in eine völlig konträre Ablage zu katapultieren. George und Edgar tauschen innerhalb der knapp 33 Minuten mehrmals die Rollenvorgaben und halten dadurch die Messlatte der Spannung und des Überraschungstwists hoch. Dem stringenten Buch gelingt es, einen runden Mordfall zu schildern, bei dem die Vorgeschichte ebenso erzählt wird, wie die Ausflüchte der betreffenden Personen eine Dynamik entwickeln, die bald eskaliert und hinterhältige Wendungen bereithält. Emrys Jones als George darf sich vom schüchternen, bescheidenen Freund zum rücksichtslosen und rachsüchtigen Gegner Edgars entwickeln und straft jene Lügen, die ihn aufgrund der klaren Figurenzeichnung unterschätzt haben. Die straffe Regie von David Eady vermeidet Längen und wickelt den Kriminalfall temporeich und schlüssig ab. Der klassische Fall bedient sich der Analyse von Indizien, Zeiten und Alibis und steuert schnurgerade auf die vermeintlich glatte Lösung hin, die erneut einen Pferdefuß bereithält.

Percy Lister
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Re: MORD OHNE MÖRDER - Wendy Toye, David Eady, George More O'Ferrall

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"Lord Mountdrago"
mit: Orson Welles, Helen Cherry, Alan Badel, André Morell, Peter Burton, Evelyn Hall, David Horne, Arthur Wontner u.a. | Drehbuch: Sidney Carroll nach einer Geschichte von William Somerset Maughan | Regie: George More O'Ferrall

Lord Mountdrago brüskiert den Oppositionellen Owen vor den versammelten Abgeordneten und ruiniert damit dessen Karriere. Owen schwört Rache und kündigt an, Mountdrago ebenfalls bloßstellen zu wollen. Der selbstbewusste Mann lacht zunächst über die Drohung seines Gegners, doch er immer häufiger von Alpträumen heimgesucht wird, sucht er Rat bei einem Psychiater, dem er berichtet, dass Owen den Inhalt seiner Träume zu kennen scheint. Lord Mountdrago beschließt, ein für alle Mal im Traum mit Owen abzurechnen und als dieser bei der nächsten Parlamentssitzung abwesend ist, scheint
sein Plan aufgegangen zu sein....

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Die Angst des Mannes der Öffentlichkeit, sich lächerlich zu machen, sein Gesicht zu verlieren und die damit verbundene Berechtigung, seine politischen Vorschläge durchzusetzen, erhält vor der Kulisse des ehrwürdigen Parlaments doppeltes Gewicht. Der Verlust seiner Souveränität bringt den unerschütterlichen Glauben an seine politische Mission zwar nicht ins Wanken, zehrt aber an seinen Nerven und seiner Nachtruhe. Der Traum als Ausdruck unverarbeiteter Erlebnisse, gleicht mehr und mehr einem Schlachtfeld. Zwischen Lord Mountdrago und Mr. Owen entwickelt sich eine unheimliche Symbiose von Ursache und Wirkung, wobei es darauf ankommt, wer den längeren Atem hat. Der Kontrast zwischen der Würde und dem Ernst des House of Lords und den peinlichen Situationen, in die Mountdrago in seinen Traumerlebnissen gerät, befeuert das Missverhältnis der beiden politischen Kontrahenten, ohne sich in der Realität große Kämpfe zu leisten. Die subtile Grausamkeit der üblen Nachrede oder der schlechten Wünsche überschattet das Leben eines Mannes, der bisher unangreifbar wie eine Eiche seinen Standpunkt halten und den eigenen Einfluss ausbauen konnte. Owen scheint das personifizierte und bisher verdrängte schlechte Gewissen in Mountdragos Leben geworden zu sein, ein fataler Faktor, wie sich herausstellen wird.

Orson Welles stand im Laufe seiner Karriere immer wieder vor finanziellen Engpässen und wirkte deshalb in vielen Produktionen anderer Regisseure mit, um seine eigenen Filmprojekte zu finanzieren. Man denke nur an die Rolle des Harry Lime in "Der dritte Mann", die ihn unter der Regie eines Kollegen zum weltbekannten Leinwandstar werden ließ. Sein Lord Mountdrago ist ein Gewinn für die Kriminalgeschichte aus der Feder des für seine exzellenten Gesellschaftsromane bekannten W. Somerset Maughan. Welles schafft es, einen komplexen Charakter zu entwerfen, dessen Präsenz manchmal fast die Leinwand zu sprengen droht. Kraftvoll, wortgewandt, zynisch, arrogant und zugleich zweifelnd, irritiert und paralysiert tritt er seinem Publikum entgegen, wobei er niemals endgültig in einem Gefühlszustand verharrt, sondern stets im Wandel begriffen ist. Immer wieder bäumt er sich gegen seinen Widersacher auf, überrascht durch ausgelassene Heiterkeit, verharrt dann wieder schweigend in Gedanken und zeigt Genugtuung über seinen vermeintlichen Sieg. "Lord Mountdrago" ist großes Drama und inszeniert seinen prominenten Hauptdarsteller wie in Shakespeares Stücken, die er mit so viel Leidenschaft zu gestalten wusste. Ein Kabinettstück aus dem vielseitigen Œuvre des talentierten Künstlers.

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