DER ROTE SCHATTEN - Sidney Hayers

Gruselschocker aus Großbritannien, Spanien, Frankreich usw.
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Prisma
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DER ROTE SCHATTEN - Sidney Hayers

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Anton Diffring   Erika Remberg   Yvonne Monlaur   in

DER ROTE SCHATTEN


● CIRCUS OF HORRORS / DER ROTE SCHATTEN (GB|1960)
mit Donald Pleasence, Jane Hylton, Kenneth Griffith, Conrad Phillips, Vanda Hudson, Yvonne Romain, Colette Wilde, u.a.
eine Produktion der Lynx Films Ltd. | im Rank Filmverleih
ein Film von Sidney Hayers


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»You could be beautiful, if you would trust me!«


England 1947. Dem plastischen Chirurgen Dr. Rossiter (Anton Diffring) unterläuft ein gravierender Kunstfehler, bei dem eine seiner Patientinnen entsetzlich entstellt wird. Um einer Anklage zu entgehen, flieht er nach Frankreich. Dort angekommen, trifft er auf den Zirkusdirektor Vanet (Donald Pleasence), der ihn bittet, seine Tochter Nicole zu operieren, da ihr Gesicht seit einem Bombenangriff entstellt ist. Als Vanet einem tragischen Unfall zum Opfer fällt, übernimmt Dr. Rossiter den Zirkus und führt ihn unter falschem Namen. Nach und nach stellt der neue Direktor bevorzugt weibliche Kriminelle mit Schönheitsmakeln ein, denen er mit chirurgischen Eingriffen zu einem anderen Aussehen verhilft. Falls sich die jungen Artistinnen aber dazu entschließen, sich von ihm Meister loszusagen, kommt es von von Seiten Dr. Rossiters zu tödlichen Demonstrationen in der Manege...

Der schottische Regisseur Sidney Hayers lieferte mit "Der rote Schatten" einen nicht uninteressantes Genre-Hybrid aus mehreren Bausteinen, das sich sowohl im Kriminal- oder Gruselfilm, als auch im gepflegtem Horror wohlfühlen darf. Das Werk wird hier und da mit Georges Franjus etwa zeitgleich entstandenem Klassiker "Augen ohne Gesicht" verglichen, was sich nach der Ansicht vielleicht eher vom Prinzip her bestätigen will, beim direkten Vergleich aber zugunsten des französischen Vertreters ausgeht. Nichtsdestotrotz ist ein Film entstanden, der atmosphärisch dicht und phasenweise sehr spannend geworden ist, allerdings braucht der Zuschauer hier keine Nerven aus Drahtseilen zu haben. Der 1960 in die Lichtspielhäuser gebrachte Flick weist einige Besonderheiten auf, die durchaus erwähnenswert erscheinen. Allem voran steht wohl die sehr ungewöhnliche Tatsache, dass man die Hauptrollen zwei deutschsprachigen Darstellern anvertraute, die von Anton Diffring und Erika Remberg hervorragend gelöst sind, außerdem wurden überdurchschnittlich viele Szenen mit Hilfe des britischen Billy Smart’s Circus angefertigt, die das nötige Flair aufkommen lassen. Die gebürtige Österreicherin Remberg lernte am Set überdies ihren späteren Ehemann Sidney Hayers kennen, mit dem sie bis zu dessen Tod verheiratet war. Die angewandte mad scientist Thematik war bereits zu dieser Zeit sicherlich keine unbekannte mehr, erfüllt aber nicht zuletzt wegen Anton Diffrings dichter Darstellung ihren Zweck sehr nachhaltig, sodass die nötigen Momente aufkommen, die das Potential besitzen, zu strapazieren, wenn auch eher konservativ. Für echte Hingucker sorgen die Ermordungsszenen. Nicht nur, weil sie vor Publikum stattfinden, sondern vor allem weil sie mithilfe einer sehr guten Montage eindringlich inszeniert wurden. Überhaupt darf man diesem kurzweiligen Reißer ein hohes handwerkliches Niveau attestieren, wobei der deutsche Titel wie so häufig wenig aussagekräftig bleibt.

Der aus Koblenz stammende Schauspieler Anton Diffring gibt eine Performance zum Besten, die durchaus in Erinnerung bleibt. Zwar lassen Verlauf und Dramaturgie nicht allzu konsequent zu, dass seine angedeutete dämonische Note zu einem Würgegriff wird, aber alleine durch sein Erscheinungsbild und die plastisch wirkenden Konturen seines Gesichts, nimmt man ihm die innere Gier, Böses zu tun, zu jedem Zeitpunkt ab. Seine selbst erschaffenen Marionetten bedient er nach Belieben, doch wenn der Doktor das Interesse an ihnen verliert, oder sie drohen, sich zu verselbstständigen, schreitet er unmissverständlich zur Tat, was in regelrechten Demonstrationen gipfelt, da er sich darin gefällt, so viele Zuschauer wie möglich in seinen Genuss kommen zu lassen. Einerseits entsteht hin und wieder der Eindruck, dass die Geschichte im Endeffekt mit zu vielen Zirkusszenen gestreckt wurde, doch andererseits offenbaren sich in diesem Zusammenhang auch die wirklich spannenden Momente. Erika Remberg, die für jeden Film ohnehin eine Bereicherung darstellt, ist in "Der rote Schatten" in ihrem englischsprachigen Kinodebüt zu sehen. Mit einem merklich ordinären Touch, versucht sie ihren Willen durchzusetzen, wo sie nur kann, doch Dr. Rossiter weist sie immer wieder in die Schranken und erinnert daran, wo sie herkommt: nämlich von der Straße. Das Zusammenspiel der beiden forciert den Verlauf sehr effektiv, außerdem kann man sich an soliden Darbietungen von beispielsweise Yvonne Monlaur, Donald Pleasence oder Jane Hylton erfreuen. Krimi-Experten erleben in Sidney Hayers Beitrag übrigens ein kleines Déjà-vu, da etliche Artisten- und Publikumsszenen in dem sechs Jahre später und unter der Regie von John Llewellyn Moxey entstandenen Edgar-Wallace-Beitrag "Das Rätsel des silbernen Dreieck" wiederverwendet wurden, der sich tatsächlich vage an "Der rote Schatten" inspiriert zeigt. Lange Rede, kurzer Sinn: Sidney Hayers Bearbeitung stellt sich als einwandfrei dar und beschert dem geneigten Zuschauer ein willkommenes Sehvergnügen.

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