DAS HAUS DER GEHEIMNISSE - Julien Lacombe und Pascal Sid

Gruselschocker aus Großbritannien, Spanien, Frankreich usw.
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Prisma
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DAS HAUS DER GEHEIMNISSE - Julien Lacombe und Pascal Sid

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DAS HAUS DER GEHEIMNISSE


● DERRIÈRE LES MURS / DAS HAUS DER GEHEIMNISSE (F|2011)
mit Laetitia Casta, Thierry Neuvic, Jacques Bonnaffé, Anne Benoît, Anne Loiret, Emma Ninucci, Charline Paul und Roger Dumas
eine Produktion der Sombrero Films | Canal+ | Orange Cinéma Séries | Ciné+ | Appaloosa Films | CNC | Banque Populaire Images 11 | Uni Étoile 8
ein Film von Julien Lacombe und Pascal Sid


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»Oder hast du Angst?«


Die Schriftstellerin Suzanne Berancourt (Laetitia Casta) verlässt Paris, um an einem Roman zu arbeiten. Da die junge Frau seit geraumer Zeit an einer Schreibblockade leidet, arrangiert ihr Verleger ihren Umzug aufs Land, wo sie sich vollkommen akklimatisieren soll. Sie beginnt ihre Arbeit in einem großen, verlassenen Landhaus, doch auch dort bekommt sie ihren Kopf nicht frei. Von Geräuschen aus dem Keller angelockt, findet sie einen geheimen Raum, in dem sie Inspiration findet und ihn deswegen zu ihrem Schreibzimmer macht. Gleichzeitig wird Suzanne allerdings ab sofort von beunruhigenden Visionen und Angstzuständen heimgesucht, doch sie sieht darin keine Bedeutung. Im Dorf gerät die Schriftstellerin außerdem ins Gerede, da sie zu selbstbewusst und modern auftritt. Als nach kurzer Zeit auch noch das Mädchen Valentine (Emma Ninucci) verschwindet, dem sie zuvor Schulunterricht gegeben hatte, dichten sich die Dorfbewohner einen Zusammenhang zwischen dem Auftauchen der neuen Hausherrin und den rätselhaften Ereignissen zusammen. Kommt es zu einer Hexenjagd..?

Ein Zug hält irgendwo. Es scheint, als wäre die verschlafene Provinz um eine Attraktion reicher, denn es ist eine Dame von Welt angekommen, deren Eleganz und Eigenwilligkeit wie eine Kulturrevolution bei den Bewohnern wirken muss. Der Weg zum alten Herrenhaus ist gezeichnet von idyllischen Eindrücken der Landschaft, doch die verheißungsvollen Klänge der schwerfällig wirkenden Musik wollen sich diesem sommerlich-leichten Eindruck nicht beugen. Bereits nach kurzer Spieldauer wird klar, dass sich die Doppelregie auf die Sprache der Bilder konzentrieren und auch verlassen wird; auffällig ist die überaus hochwertige Kameraarbeit, die eine beeindruckende Symmetrie herzustellen vermag. Details und Hochglanz dominieren den Film in Sequenzen, bis die Dunkelheit ihren bedrohlichen Charakter entfalten kann. Inmitten dieser hochqualifizierten Bearbeitung nimmt man Laetitia Casta als Lichtgestalt im Dunkeln und wenn man so will als Schatten in der Helligkeit wahr. Die vornehmste Aufgabe scheint sich zunächst darin zu erfüllen, ein schnelles und reichhaltiges Psychogramm der Protagonistin zu zeichnen. Schnelle Schnitte und viele unterschiedliche Veranschaulichungen ihres Gemütes heben die ohnehin vorhandene Wandlungsfähigkeit von Laetitia Casta hervor, die diese Eigenschaft eins werden lässt mit ihrer Rolle. Die Genre-Klassifizierung Horror, wird diesem bildgewaltigen Film nicht unbedingt gerecht und birgt daher das Potential, für Enttäuschungen zu sorgen - oder zumindest einmal für nicht in Erfüllung gegangene Erwartungshaltungen beim Zuschauer. Subtile Botschaften werden laufend, aber uneindeutig vermittelt, das mysteriöse Element wird sporadisch durch stechende Musik und einschießende Bilder im Ultrakurzformat transportiert, und es entsteht somit eher Unbehagen und intelligenter Grusel, falls das nicht auch schon wieder zu viel gesagt ist. Im Endeffekt weigert sich dieser Film vehement dagegen, in einer Schublade untergebracht zu werden, was die globale Unentschlossenheit in der Handhabe schließlich dokumentiert. "Das Haus der Geheimnisse" spart es sich beinahe komplett auf, auf visueller Ebene für Aufsehen zu sorgen, eher könnte man die eigentliche Intention als kognitiven Grusel bezeichnen.

Nicht nur auf stilistischer Ebene ist hier Verlass, sondern vor allem auf die Hauptdarstellerin Laetitia Casta, deren Schönheit sich in unzähligen Blüten entfaltet. Als Zuschauer ahnt man, dass die Flucht in die Provinz nicht nur aufgrund der vorhandenen Schreibblockade geschehen ist, sondern es entwickelt sich das unbestimmte Gefühl, dass es sich um ein Davonlaufen vor der eigenen Vergangenheit handelt. Man wird hautnah Zeuge eines spürbaren Verfolgungswahns, den die Protagonistin sehr gut zu übertragen weiß. Suzanne kommt mit einer Maske, einer eleganten Fassade auf dem Land an. Man sieht ihr genau an, dass sie eigentlich Eroberungen gewöhnt ist, jedoch hier auf unbekannte Widerstände der Bewohner und des Umfeldes stößt. Ihre Körpersprache ist geprägt von einem diffusen Angriffsprinzip, mit erhobenem Haupt stellt stellt sie sich selbst der Konfrontation mit Widersachern. Doch beim genaueren Blick erkennt man eine gehemmte und zutiefst verängstigte Person, die die Strapazen der Flucht nicht umsonst auf sich genommen hat. Unsicherheiten zeigen sich in ihrem scheuen Blick, oder beispielsweise beim nervösen Rauchen, sodass sich die Vermutung immer mehr verdichtet, dass einschneidende Erlebnisse auf sie und den Zuschauer zukommen werden. Der Verlauf schafft es, eine solide Grundspannung aufrecht zu erhalten und immer wieder kann man sich an der beinahe überqualifizierten Bearbeitung erfreuen, die im Rahmen atmosphärischer Dichte deutliche Akzente setzt. Wenn das Finale nicht mehr weit ist, entsteht trotz aller Weichenstellungen jedoch der Eindruck, dass die über Strecken konsequent geführte Linie und die sehr interessante Geschichte nicht vollkommen ausgeschöpft wurde, da es an fundamentalen Erklärungen fehlt. Das Prinzip, sich vollkommen auf die unübersehbaren Stärken zu verlassen, um somit auftauchende Schwächen zu relativieren, geht im Endeffekt nicht vollkommen auf, aber entschädigt dennoch in Form eines hochwertigen Filmerlebnisses, das auf diffuse Art und Weise zu denken gibt und eher unbewusst bewegt. Unterm Strich bleibt also zu sagen, dass "Das Haus der Geheimnisse" seine Wirkung auch ohne akribische Blicke vollkommen entfaltet, aber dennoch mit einem unbestimmten Gefühl zurücklässt, dass ein wichtiger Baustein fehlt, oder dieser zumindest nicht klassisch genug herausgearbeitet wurde. Am wichtigsten jedoch bleibt, dass dieser Film von Julien Lacombe und Pascal Sid von Anfang bis zum Ende zu fesseln kann, und diese knapp 85 Minuten wie im Traum vergehen.

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