PIGGY - Carlota Pereda

Gruselschocker aus Großbritannien, Spanien, Frankreich usw.
Antworten
Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3764
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

PIGGY - Carlota Pereda

Beitrag von Prisma »



PIGGY


● CERDITA / PIGGY (E|F|2022)
mit Laura Galán, Richard Holmes, Carmen Machi, Claudia Salas, Irene Ferreiro, Camille Aguilar, José Pastor, Chema del Barco,
Pilar Castro, Fred Tatien, Fernando Delgado-Hierro, Stéphanie Magnin Vella, Malena Gutiérrez, Chema del Barco, Calero, u.a.
eine Produktion der Morena Films | Cerdita | Indéfilms | ICAA | Movistar+ | RTVE | im Verleih der Alamode Film
ein Film von Carlota Pereda

Piggy (0).jpg
Piggy (1).jpg
Piggy (3).jpg
Piggy (4).jpg
Piggy (6).jpg
Piggy (7).jpg
Piggy (8).jpg
Piggy (9).jpg
Piggy (12).jpg

»Ihr Bikini wird von ihrem Körper verschlungen!«


Die übergewichtige Sara (Laura Galán) ist es gewohnt, von Gleichaltrigen beschimpft und gemobbt zu werden, was sich in der Sommerzeit leider zuspitzt, da hier mehr Haut zu sehen ist. Nachdem einige Schulkameradinnen ein unvorteilhaftes Foto mit beleidigenden Sprüchen in sozialen Medien öffentlich gemacht hatten, kommt es zu einem weiteren Eklat im Schwimmbad, denn die Mädchen lassen Saras Kleidung verschwinden. Der weite Weg zu Fuß nach Hause wird im Badeanzug zur Erniedrigung, bis ein Fremder (Richard Holmes) ihr ein Badetuch überlässt. Allerdings verschwinden an diesem heißen Tag nicht nur Saras Klamotten, sondern auch ihre Peinigerinnen spurlos. Die Polizei ist ratlos, zumal Sara keine Aussagen macht...

Falls man vage vermutet, dass es sich bei diesem von Carlota Pereda inszenierten Film nur um einen anderen Teenie-Slasher handeln könnte, liegt man nur partiell richtig, denn es kommt zu einem weitreichenderen Angebot innerhalb einer Erzählung, die sich den vermeintlich guten Tönen heutiger Populär-Themen leider manchmal zu deutlich andient, was die überaus schwarze Seele des Verlaufs zunächst ins Hintertreffen geraten lässt. Diesen merklichen Zwang hätte die Produktion überhaupt nicht nötig gehabt. Hat der Film also bereits im Vorfeld verloren? Mitnichten, denn es kommt zu erstaunlich packenden Intervallen, die sich deutlich von der Märchenwelt des Thrillers distanzieren. Alles geschieht in einer Stadt, in der sich jeder kennt, weil Klatsch und Tratsch eine Art Lebenselixier darstellen. Das Bekenntnis zu mehr Realität verhilft dem Script bereits in frühen Sphären dazu, die Kurve zu kriegen, sodass man es mit einem Film zu tun bekommt, der seine Stärken nicht aufbewahrt, sondern sie von Anfang an anbietet, bis zum Ende hin kaum mehr etwas übrig ist, außer... Hiermit ist explizit der Teil der physischen Gewalt und Brutalität gemeint, denn die grausameren Eindrücke ergeben sich im Nachhall auf psychischer Ebene. Hätte man den Film hier stringenter durchgezogen, wäre vermutlich auch ein besonderes Ganzes entstanden, doch so bleibt nur ein Ende in Erinnerung, das einen bereits dagewesenen Charakter. Die Verurteilung der Schuldigen geschieht hier über die falschen Instanzen, denn ein offenbar gestörter Killer und das Publikum dürfen über die Moral entscheiden, was zu keinem brauchbaren Ergebnis führt. Dass die Protagonistin alibihaft einspringen darf, um sich letztlich für beide Seiten zu entscheiden, wirkt irgendwie irritierend, zumal die Täter - die gleichzeitig Opfer sind - dazu verleiten, harte Konsequenzen sehen zu wollen. In einem Modus fernab der Realität würde eine solche Strategie blendend funktionieren, doch hier entsteht eben kein Selbstläufertum.

Die Geschichte startet mit brandaktuellen Themen einer artifiziellen aber gleichzeitig rückständigen Welt, die suggeriert, dass es sie am besten nicht geben dürfte, doch keiner derjenigen, die erniedrigen, mobben, demütigen und kaputt machen lebt in dem Bewusstsein, dass es sich unter solchen Voraussetzungen nicht aushalten lassen würden. Worüber sollten sie lästern, sich echauffieren, sich lustig machen, um ihr kleines Selbstbewusstsein über andere aufzumöbeln? »Piggy«, ein Begriff der sich seit Jahrzehnten fernab der "Muppet-Show" als Beleidigung etablieren konnte, wird hier zum Titelthema und Leitmotiv, das die Hauptdarstellerin Laura Galán mit einem prosaischen Brillantschliff ausstattet. Aus Sicht eines Teenagers lebt sie in der Hölle, aus Sicht des Zuschauers wohl auch. Ihre Eltern halten das immer Dagewesene für völlig normal, auch dass ihre Tochter traurig und verschlossen wirkt, wird bei Tisch nicht thematisiert, sondern es wird fettig gegessen, geklatscht und getratscht. Die Metzgerei des Vaters läuft schlecht, da die Familie als komisch eingestuft wird, die Metzgerei außerdem nicht den hygienischen Standards entspricht. Genau hier wird man Zeuge des ersten Zwischenfalls, der die Demütigung Saras zur Folge hat. Alles was folgt ist schwer zu ertragen, aber wohl leider an der Tagesordnung. Das Verbreiten erniedrigender Bilder, das Getuschel und Gelächter, die negative Eigendynamik und ein Gruppenzwang-Prinzip, lassen die junge Frau schon bald völlig alleine dastehen. Auch ihre ehemalige und vielleicht einzige Freundin, hat sich mit dem Mob solidarisiert, um dazugehören zu können. Als Zuschauer kann man sehen, was in Sara vorgehen muss, und es entwickelt sich eine mitleidige Atmosphäre der Anteilnahme, die allerdings auch nicht weiterhilft, da der nächste Schlag unter die Gürtellinie bevorsteht. Im Schwimmbad kommt es zu einem tätlichen Angriff und dem Stehlen von Saras Kleidung und Badetuch, was keine weiteren Erklärungen braucht.

In diesem Ambiente der Angst und Wut deutet sich erstmals an, dass man es mit einem Thriller zu tun bekommen wird. Kurz wird ein Fremder gezeigt und einige Szenen später eine bizarre Situation unter Wasser, den offensichtlich schwimmt Sara an einem an einen Stuhl gefesselten Toten vorbei, den sie nicht bemerkt. Ab diesem Zeitpunkt wird alles anders werden, bis die Peinigerinnen Saras spurlos verschwinden. Die Regie macht kein großes Geheimnis um den Verbleib der Mädchen, die blutüberströmt regelrecht deportiert werden, doch keiner weiß wohin. Wo sich Probleme auf abscheuliche Weise von selbst lösen, gehen sie zu Hause für Sara weiter, und die Situation gleicht tatsächlich einer Hölle im Quadrat. Im letzten Drittel des Films geht es schließlich sehr rabiat, blutig und vom bislang Gesehenen leicht abgehängt zu, bis man sich schließlich die Frage stellt, welche Phase des Films man am gelungensten findet. Hätte "Piggy" seine anfängliche Strategie von Anfang bis Ende verfolgt, wäre auch ein sehr guter Film daraus geworden, da Probleme der Zeit kritisch durchleuchtet werden. Für den möglichen Ausgang der Story hätte zahlreiche Möglichkeiten gegeben. Die tatsächliche Storyline kann eine schockierende Wendung entfalten, da man viele Verhaltensweisen nicht verstehen will oder kann, sie dementsprechend irritieren, bis es zu eindeutigen Schocks kommt. So bleibt ein insgesamt gut inszeniertes Hybrid, dessen zwei Hauptstränge nachvollziehbar zueinander finden und eine Wirkung des Schreckens aufbauen können - so oder so. Dass sich die Regisseurin in ihrem Debüt mutig gegen eine handelsübliche Happy End-Lösung stellt und auch keinen Ratgeber aus ihrem Film macht, kommt sehr gut an, sodass "Piggy" aus vielerlei Hinsicht positiv im Gedächtnis bleibt und sich taktvoll von der Konkurrenz abhebt, um am Ende wieder eins mit ihr zu werden. Besonders hervorzuheben ist die unerschrockene und überzeugende Performance der Hauptdarstellerin Laura Galán, die nachdenklich stimmt.



TRAXX
Beiträge: 351
Registriert: Fr., 30.10.2020 03:13

Re: PIGGY - Carlota Pereda

Beitrag von TRAXX »

Hab den auch vor Kurzem gesehen.

Deine Kritik verstehe ich allerdings nicht. Auf der einen Seite bemäkelst du die Hybridisierung, auf der anderen Seite findest du es aber gut, dass der Film weder straight nach A noch nach B geht.

Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3764
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: PIGGY - Carlota Pereda

Beitrag von Prisma »

TRAXX hat geschrieben:
Mo., 06.02.2023 20:36
Hab den auch vor Kurzem gesehen.

:idea:

TRAXX hat geschrieben:
Mo., 06.02.2023 20:36
Deine Kritik verstehe ich allerdings nicht. Auf der einen Seite bemäkelst du die Hybridisierung, auf der anderen Seite findest du es aber gut, dass der Film weder straight nach A noch nach B geht.

Nein. Für mich schließt sich der Wunsch nach einer Veränderung und die Anerkennung eines dennoch gelungenen Vorgehens überhaupt nicht aus und bildet daher auch keinen Widerspruch. Wenn man so will, eine Einschätzung, die einem Hybrid ähnlich ist.

TRAXX
Beiträge: 351
Registriert: Fr., 30.10.2020 03:13

Re: PIGGY - Carlota Pereda

Beitrag von TRAXX »

Ich versteh trotzdem nicht, was genau du dir wünschst von dem Film? Das sollte man doch kommunizieren können.
Hätte "Piggy" seine anfängliche Strategie von Anfang bis Ende verfolgt, wäre auch ein sehr guter Film daraus geworden, da Probleme der Zeit kritisch durchleuchtet werden.
Wenn er das getan hätte wäre doch ein "Ratgeber" (for whatever that is?) draus geworden, oder nicht? So'n arthouseiges Message-Movie mit Mobbing-ist-böse-Botschaft und ganz viel Love-yourself-Spirit.

Benutzeravatar
Prisma
Beiträge: 3764
Registriert: Sa., 31.10.2020 18:11

Re: PIGGY - Carlota Pereda

Beitrag von Prisma »

TRAXX hat geschrieben:
Di., 07.02.2023 20:13
Das sollte man doch kommunizieren können.

Natürlich solltest Du das, wenn Dir danach ist. Ich für meinen Teil habe mich ja auch mitgeteilt. Von Dir weiß ich bislang allerdings nur, dass Du den Film vor Kurzem gesehen hast und dass Du irgendwas aus meinen Worten nicht verstehst. Kein einziges Wort zum Film von Dir. Daher ist es recht schwer für mich das nachvollziehen. Du bewertest nichts außer meiner Bewertung zum Film, und die wirft bei mir verständlicherweise keine Fragen auf. Die Frage lautet also nicht, was ich mir von dem Film wünsche, sondern was Du Dir von meiner Besprechung wünschst oder erwartet hättest, denn offenbar bist Du damit nicht d'accord, was für mich aber auch mehr als in Ordnung ist.

TRAXX hat geschrieben:
Di., 07.02.2023 20:13
Wenn er das getan hätte wäre doch ein "Ratgeber" (for whatever that is?) draus geworden, oder nicht? So'n arthouseiges Message-Movie mit Mobbing-ist-böse-Botschaft und ganz viel Love-yourself-Spirit.

So betont despektierlich habe ich den Film noch nicht betrachtet, nein.

TRAXX
Beiträge: 351
Registriert: Fr., 30.10.2020 03:13

Re: PIGGY - Carlota Pereda

Beitrag von TRAXX »

Prisma hat geschrieben:
Mi., 08.02.2023 21:14
Natürlich solltest Du das, wenn Dir danach ist.
Ich meinte eigentlich dich damit. ;)

Was ich vom Film halte tut (erstmal) nichts zur Sache! ;)

Ich würde vorher gerne nachvollziehen können, welchen Verlauf du dir vom Film gewünscht hättest?
Ist doch gar nicht eine so schwere Frage - oder doch?

Antworten