DAS 10. OPFER - Elio Petri

Alles andere aus Bella Italia
Antworten
Benutzeravatar
Richie Pistilli
Beiträge: 3552
Registriert: Sa., 31.10.2020 17:25
Wohnort: Provinzmetropole an Rhein und Mosel
Kontaktdaten:

DAS 10. OPFER - Elio Petri

Beitrag von Richie Pistilli »

plkt.jpg



Das 10. Opfer (D)
La decima vittima (IT)
La dixième victime (F)
La víctima número diez (ES)
The Tenth Victim (UK)
The 10th Victim


IT 1965

R: Elio Petri
D: Marcello Mastroianni, Ursula Andress, Elsa Martinelli, Salvo Randone, Massimo Serato, Jacques Herlin, Mickey Knox, Giovanni Ivan Scratuglia, Milo Quesada, Luce Bonifassy u.a.



z27.1.png


Deutsche Erstaufführung: 05.08.1966

Synchronkartei

Italo-Cinema.de

Score: Piero Piccioni

OFDb




01.png
02.png
03.png
0004.png

0005.png
006.png
007.png
008.png



Die große Jagd wird alle Kriege überflüssig machen. Legalisieren Sie ihre Morde. Ein Feind pro Tag erspart den Arzt. Weshalb Geburtenkontrolle, wenn wir die Abgänge erhöhen können. Leben Sie gefährlich, aber nach dem Gesetz. Die große Jagd gibt Ihnen das Gefühl der Sicherheit. Wenn Sie wollen, dass es zukünftig keine Kriege mehr gibt, schreiben Sie sich ein für die große Jagd. Legalisieren Sie ihre Morde!


In einer nicht näher bezeichneten Zukunft werden globale Bedrohungen wie etwa Krieg, Überbevölkerung oder Überalterung durch die staatliche Legalisierung von Gewalttätigkeiten fast gänzlich unterbunden, indem weltweit ein tödliches Gesellschaftsspiel unter der ständigen Kontrolle des „Ministeriums für die große Jagd“ ins Leben gerufen wurde. Dabei handelt es sich um eine infame Menschenjagd, für die die jeweiligen Teilnehmer von einem Computer in Genf nach einem willkürlichen Algorithmus erfasst und zusammengestellt werden. Jeder Einzelne hat daraufhin insgesamt zehn Jagden zu überstehen: fünf als Opfer und fünf als Jäger. Aber nur wer auch die finale zehnte Runde überlebt, dem winkt am Ende eine Millionen Dollar schwere Siegesprämie entgegen - mit denen man sein zukünftiges Leben in dieser zwar neuen, aber auch etwas unschönen Welt durchaus angenehm gestalten kann.


Und so kommt es, dass die erfolgreiche Jägerin Caroline Meredith (Ursula Andress) einen schönen Tages von der finanzkräftigen „Ming-Tee Gesellschaft“ ein äußerst verlockendes Angebot unterbreitet bekommt, denn die weltweit größte Importfirma für Tee möchte das Finale ihrer zehnten und zugleich letzten Jagd live im TV ausstrahlen. Obendrein soll die junge Amerikanerin ihrem letzten Opfer, dem von chronischen Geldsorgen geplagten Italiener Marcello Poletti (Marcello Mastroianni), im Rahmen eines gefakten Interviews live vor der laufenden Kamera das Lebenslicht ausblasen, wobei die “Ming-Tee Gesellschaft” das medienträchtige Ereignis wiederum völlig selbstlos für ihre eigenen Werbezwecke nutzen will. Nachdem die Geldfrage geklärt werden konnte, beginnt auch schon die Reise von den Vereinigten Staaten in die italienische Hauptstadt, wobei Caroline von einem ganzen Trupp an Kameramännern sowie Statisten der “Ming Tee Gesellschaft” begleitet wird. Nachdem der “Tempel der Venus” als Kulisse für das tödliche Interview auserkoren wurde, widmet sich die erbarmungslose Jägerin ihrem nächsten Opfer, welches aber bis dato noch überhaupt nichts von seinem bevorstehenden Glück ahnt, da lediglich der Jäger dazu privilegiert ist, Informationen über sein zukünftiges Opfer einzuholen. Das auserkorene Opfer darf hingegen keinerlei Informationen über seinen entsprechenden Jäger erfahren und muss somit zunächst einmal herausfinden, wer ihm letztendlich überhaupt den Gar ausmachen möchte.


Genau so ergeht es dann auch dem auserkorenen Opfer Marcello, der im Vorfeld vom “Ministerium für die große Jagd” lediglich die Info erhielt, dass er in der anstehenden Spielrunde die Rolle des Gejagten übernehmen muss. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Marcello der ersten Kontaktaufnahme durch Caroline zunächst skeptisch gegenüber steht, sich dann aber nach und nach von ihr einlullen lässt. Die amerikanische Superjägerin versucht ihr attraktives Opfer fortan mit List und Tücke zum vorgeschobenen Interview zu bewegen, wobei ihr Plan augenscheinlich aufzugehen scheint. Wird Marcello den unwiderstehlichen Reizen Carolines verfallen und somit sein Schicksal besiegeln oder kann sein Rechtsanwalt (Massimo Serato) das falsche Spiel noch rechtzeitig aufdecken und somit seinen Zögling vor der letzten Reise in die ewigen Jagdgründe bewahren?



009.png
0010.png
0011.png
0012+.png

0013.png
0014.png
0015.png
0016.png



Ausgehend von Robert Shakleys Kurzgeschichte 'Das siebte Opfer' von 1953 verarbeitete Regielegende Elio Petri (DIE ARBEITERKLASSE KOMMT INS PARADIES, ERMITTLUNGEN GEGEN EINEN ÜBER JEDEN VERDACHT ERHABENEN BÜRGER, ZWEI SÄRGE AUF BESTELLUNG) die beschriebene Dystopie in seiner 1965 entstanden Verfilmung, woraufhin Shakley später noch ein weiteres Buch zu dieser Thematik mit dem gleichnamigen Titel 'Das zehnte Opfer' veröffentlichte. In späteren Jahren diente Shakleys Geschichtsvorlage außerdem auch noch für weitere Filmproduktionen wie beispielsweise DAS MILLIONENSPIEL (1972), KOPFJAGD – PREIS DER ANGST (1983) oder auch RUNNING MAN (1987).


Elio Petri zeigt uns in seiner bildgewaltigen Inszenierung völlig absurde Zukunftsvorstellungen einer noch absurderen Welt, wobei das staatlich einberufene Tötungsspiel als eine Art Ablassventil dienen soll, um das in der Gesellschaft vorherrschende Aggressionspotenzial kanalisieren und schließlich eliminieren zu können. Dank der Einführung des tödlichen Gesellschaftsspiels gehören Kriege, Überbevölkerung oder Überalterung mittlerweile nicht nur der Vergangenheit an, sondern es wird auch die haarsträubende These vertreten, dass wenn es 1939 diese infame Menschenjagd schon gegeben hätte, Hitler womöglich auch daran Teil genommen hätte und uns der 2. Weltkrieg somit höchstwahrscheinlich erspart geblieben wäre. Zurück zu Elio Petris knallbunter und völlig illusorischer Zukunftswelt, in der ein Amerikaner Papst ist, der hocheffiziente Sprengstoff-Zwieback kurz vor seiner Markteinführung steht, das 'Amt für Liquidierung älterer Menschen' die Hände voll zu tun hat und moderne Gladiatorenkämpfe in stylischen Nachtclubs abgehalten werden. In dieser schönen, neuen Welt sind die Bewohner aber auch dementsprechend abgestumpft und wirken von ihrem Leben in diesen dystopischen Gefilden völlig gelangweilt, was wiederum den vorherrschenden Zynismus in allen Lebenslagen fördert.


Inszenatorisch wurde diese sehr poppige Filmproduktion mit einer überwältigenden Bildästhetik versehen, die sowohl seines Gleichen suchen muss als auch in einem ganz hohen Maß den loungigen Zeitgeist der 60er Jahre ausstrahlt. Dabei zeichnet sich diese knallbunte Zukunftswelt an manchen Stellen äußerst comichaft ab und versprüht durchwegs einen Hauch von Psychedelic. Außerdem gelingt es der futuristischen Bildästhetik einen sofort in ihren Bann zu ziehen und bis zum bitterbösen Ende auch nicht mehr los zu lassen. Der sehr zeitgenössische, aber auch zugleich futuristische Modestyle, kann als weiteres Element dieser fabelhaften Bilderwelt begeistern und veredelt den bereits außerordentlichen Sehgenuss um ein Weiteres.


z27.png
z27.1.png
30.1.png
29.png


Dem in Zusammenarbeit von Elio Petri und dem „Ministerium für die große Jagd“ staatlich legitimierten Freizeit-Happening wurden übrigens die folgenden Spielregeln zugrunde gelegt:



Regel Nr. 1: Jedes Mitglied muss sich verpflichten, 10 Jagden mitzumachen. 5 als Jäger und 5 als Opfer.
Regel Nr. 2: Der Jäger weiß genau über sein Opfer bescheid: Name, Anschrift und seine Gewohnheiten.
Regel Nr. 3: Das Opfer darf niemals wissen, wer sein Jäger ist. Es muss ihn erraten und dann vernichten!
Regel Nr. 4: Dem der Sieger wird bei der jeweiligen Jagd, winkt zur Belohnung eine Prämie.

Aber dem, der es wirklich fertig bringt, sämtliche Jagden zu überstehen, erklären wir feierlich zum Champion und er kriegt von uns einen Orden und 1 Million Dollar.


Somit wären wir bei den beiden Hauptdarstellern angelangt, wobei ein wasserstoffblondgefärbter 'Marcello Mastroianni' (ACHTEINHALB, DAS GROßE FRESSEN, TRAUEN SIE ALFREDO EINEN MORD ZU?) zunächst einmal den Anfang macht: Dieser darf den von chronischen Geldnöten geplagten Marcello Poletti verkörpern, dessen ständige Gewinnprämien entweder vorzeitig von seiner verhassten Ehefrau Lidia (Luce Bonifassy) einkassiert werden oder für den kostspieligen Lebenswandel seiner luxusverwöhnten Geliebten Olga (Elsa Martinelli) draufgehen. Zudem hat er seit fünf Jahren ein Annolierungsverfahren für seine unglückliche Ehe am Laufen und erwartet daher tagtäglich die Zustellung des heißersehnten Bescheids. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Gerichtsvollzieher des 'staatlichen Vollstreckungsausschusses' bei den Polettis ein- und ausgeht und dabei so ziemlich alles pfändet, was nicht niet- und nagelfest ist. Aus diesem Grund sieht sich Signore Mastroianni dazu gezwungen, an den lebensbedrohlichen Spielen teilzunehmen, da er in dieser oberflächlichen Zukunftswelt mit seinen sonstigen Einnahmequellen kein menschenwürdiges Dasein führen kann. Neben seiner hauptberuflichen Beschäftigung, 'der großen Jagd', führt er noch ein weiteres Nebengewerbe als Prediger einer Sonnenkultgemeinschaft aus, wobei er aber keinesfalls an das glaubt, was er letztendlich seinen Mitbrüdern predigt. Somit führt er diese Nebenbeschäftigung aus rein gewinnbringenden Gründen aus, da ihm ursprünglich 20% des Reingewinns für seine spiritistische Tätigkeit zugesagt wurden. Doch leider verhakelt ihm 'das neorealistische Gesindel' in letzter Zeit seine zuvor gut gelaufene Einnahmequelle, worüber unser Bruder Marcello verständlicherweise alles andere als begeistert ist. In seiner Freizeit begibt er sich auch mal ins ortsansässige Entspannungszentrum, um sich dort während des Erholungsprogramms 'Wolfsgeheul im Sturm' einer 'nordischen Auflockerungstherapie' zu unterziehen. Außerdem lebt unser lässiger und stets mit einer Sonnenbrille verhangene Playboy gemeinsam mit seiner noch Ehefrau Lidia und seinem über alles geliebten Elektroschrotthündchen “Tomaso” einer kleinen, aber zugleich auch sehr feinen und hochmodernen Wohnung in der Fellini Strasse 8 1/2. Zu guter Letzt hält er für seine Jagden stets einen sowohl effektiven als auch hochexplosiven Hackentrick parat.


Ihm gegenüber steht die Bond-Dame 'Ursula Andress' (RIVALEN UNTER ROTER SONNE, DIE DIAMANTENPUPPE, DIE WEIßE GÖTTIN DER KANNIBALEN), die ihm dann nicht nur sogleich den Kopf verdreht, sondern auch mit List und Tücke den Versuch unternimmt, ihn schließlich für ein vorgeschobenes Interview zum Thema “das Sexualverhalten des italienischen Mannes” vor die tödliche Kamera zu bringen. Frau Andress mimt nicht nur die männermordende Jägerin mit Bravour, sondern wartet schon gleich zu Beginn mit einem maschinengewehrintegrierten BH bekleidet zu einem heißen Tänzchen in einer amerikanischen Bar auf, bevor es dann wenige Minuten später zu ihrer letzten Jagd ins beschauliche Rom geht. Dort angekommen, beginnt auch direkt ihr perfides Täuschungsspiel mit dem zunächst ahnungslosen und rosarot bewölkten Marcello, wobei am Ende nur die beiden Frage offen bleiben, wer letztendlich diese zehnte große Jagd überleben wird als auch wer jetzt eigentlich in wen verliebt ist....


In weiteren Rollen können dann auch noch der unverwüstliche Massimo Serato (MORD EXCLUSIV, BLUTIGER SCHATTEN, GESTÄNDNIS EINER NONNE) als Marcellos persönlicher Advokat Rossi und die bezaubernde Elsa Martinelli (...UND VOR LUST ZU STERBEN, NULL UHR 7 KOMMT JOHN HARRIS, NACKT ÜBER LEICHEN) als verzückende, aber zugleich auch höchst nervtötende Liebhaberin bestaunt werden. Letztere entpuppt sich am Ende Films gemeinsam mit der geprellten Ehefrau Lidia als ein wahnhaften Flintenweib, mit dem wahrlich nicht gut Kirschen essen ist.


Abgerundet wird dieser mordsmäßige Filmspaß durch sehr prägnante Kompositionen von aus dem Hause Piccioni, die in erster Linie aus loungigen Bossanova- sowie Jazzkompositionen bestehen, die obendrein mit feinster Beatmusik der 60er Jahre angereichert wurden.



Fazit: „Trinke Ming Tee und Du lebst länger!“


0017.png
0018.0.png
0018.1.png
0020.png

0021.png
0023.png
0024.png
0025.0.png

0025.png
0026.0.png
0027.png
0028.png






Trailer:








tv.jpg

Antworten